Weihnachten im kroatischen Erdbebengebiet

Weihnachten im kroatischen Erdbebengebiet
Den Menschen in der Stadt Petrinja geht es weiterhin miserabel. Doch es gibt – auch dank österreichischer Hilfe – Good news.
Von Uwe Mauch

Was sie sich denn wünschen, die Kinder im Kindergarten Centar in Petrinja? Tara weiß es ganz genau: „Dass Häuser gebaut und nicht abgerissen werden.“ Doris bittet: „Dass sie Omas Container endlich in den Fluss werfen.“ Jakov wünscht sich „einen immer sprudelnden Brunnen“.

Weihnachten im kroatischen Erdbebengebiet

Der Kindergarten Centar ist ein Lichtblick im Zentrum der mittelkroatischen Stadt Petrinja, in der nach dem schweren Erdbeben vor bald einem Jahr kaum ein Stein auf dem anderen geblieben ist, jedoch noch kein einziger Stein auf den anderen gesetzt wurde. Die Raiffeisenbank Austria in Kroatien und ihre Mitarbeiter haben dafür rund 250.000 Euro gespendet.

Damit nicht genug, hat man den hiesigen Behörden mit strengem Businessplan gar keine andere Wahl gelassen: Der heute erdbebensichere Kindergarten konnte – unter Vorlage aller notwendigen Genehmigungen – ohne einen einzigen Tag Verzögerung für 110 Kinder geöffnet werden.

„Die Kinder sind so froh“, zeigt sich Direktorin Nataša Vidović dankbar. „Nicht nur sie. Ihre Eltern wissen sie bei uns wenigstens für ein paar Stunden lang in Sicherheit.“

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Bietet Kindern stundenweise Sicherheit: Direktorin Nataša Vidović

Müde Gesellschaft

Draußen ist es kalt, trostlos. Von einem der einst stolzen Amtsgebäude rund um den Hauptplatz steht nur mehr das Portal. Überall sind die Bagger zu sehen, zu hören, sie machen gerade weitere Häuser dem Erdboden gleich.

Auf dem Bankomat in der bis zum 30. Dezember 2020 belebten und sehr beliebten Einkaufsstraße häuft sich der Staub. Er hat seit jenem Tag kein Geld mehr ausgeworfen. Vorsicht hier, Vorsicht dort – überall Warnschilder und an vielen Häusern die von allen gefürchteten roten Punkte. Sie bedeuten: Einsturzgefährdet.

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Bagger, rote Punkte und einsame ältere Menschen: Prägen das Stadtbild von Petrinja

Müde, traurig schiebt eine ältere Frau ihr Rad mit dem soeben Eingekauften heim. Haust auch sie in einer der städtischen Notunterkünfte?

Laut Statistik müssen in Petrinja weiterhin rund 5000 Menschen im Container auf bessere Zeiten warten. Jetzt, wo die Temperaturen in der Nacht unter null Grad fallen, raubt das viel Energie. Einige der Container haben übrigens KURIER-Leser gespendet.

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Karla Pudar von der Hilfsorganisation "Solidarna"

Armenhaus Kroatiens

„Viele haben ihre Hoffnung verloren“, weiß Karla Pudar, die für die Hilfsorganisation Solidarna regelmäßig in und rund um Petrinja im Einsatz ist. Bei einer Umfrage in den Containerdörfern gaben viele Befragte an, dass sie fix damit rechnen, noch mindestens sechs bis zehn Jahre in einem Container leben zu müssen.

Von den rund 173.000 Menschen, die in der Region geblieben sind, haben 118.000 Wohnbedarf angemeldet. Der Hinweis „geblieben“ ist hier in der Banovina wichtig, denn es wird befürchtet, dass nach dem Erdbeben bereits ein Drittel der Bewohner ihre Heimat verlassen hat.

Schon im und dann auch nach dem Krieg haben viele die von Kroaten und Serben beanspruchten Ortschaften für immer hinter sich gelassen. Nur eine Zug- bzw. Autostunde südöstlich der Hauptstadt Zagreb, leben hier die ärmsten Menschen Kroatiens.

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Intime Einblicke: Das Erdbeben im Dezember 2020 hat Existenzen zerstört

Ihre Häuser, meist billig im Pfusch errichtet, brachen beim heftigen Beben der Erde wie Kartenhäuser zusammen. Das weiß auch der in Kroatien seit 15 Jahren tätige Immobilienentwickler Richard Teichmann. Der Jurist aus Wien hat im Februar spontan einen Container für die Hilfsaktion des KURIER gespendet. Und hat dann neue Maßstäbe in der Banovina gesetzt.

Drei Nächte im Auto

Gemeinsam besuchen wir die Familie Apolović in der Streusiedlung Stari Farkašić in der Nähe des Flusses Kupa. Die sechsköpfige Familie (Vater, Mutter, zwei Töchter, Oma und Opa) hat die ersten drei Nächte nach dem Erdbeben im Auto übernachtet.

Doch Weihnachten 2021 soll zu einer Wende in ihrem Leben werden: „Ich habe es ja zuerst nicht glauben wollen“, gibt Helena Apolović zu. „Aber dann haben uns die Leute von dem wunderbaren Herrn Teichmann binnen vier Tagen dieses Fertigteilhaus auf unser Grundstück gestellt. Und dazu haben sie für uns auch noch alle rechtlichen Probleme weggeräumt.“

Weihnachten im kroatischen Erdbebengebiet

Familie Apolović vor ihrem neuen Haus in Stari Farkašić

Oma Nanica fügt hinzu: „Ich kann es noch immer nicht glauben, aber in Kürze kann meine jüngere Enkeltochter ihre ersten Schritte im neuen Haus machen. Das wäre in dem engen Container nicht möglich gewesen.“

Als Immobilienentwickler hat man sein Haus eher nicht nahe am Fluss gebaut. Doch Richard Teichmann, Mitarbeiter seines Unternehmens und langjährige Geschäftspartner wie etwa Alexander Maculan haben hier am Ufer der Kupa mehr als 100.000 Euro gespendet. Sie haben damit einer Familie, die nicht von hier weggehen will, die Möglichkeit gegeben, noch einmal neu durchzustarten. Es ist dieses Strahlen in den Augen dankbarer Menschen, die er nach Hause nehmen wird. Wenig Hoffnung? Nein! Ein wenig Hoffnung.

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Richard Teichmann (im Bild rechts) spendete mehr als nur Hoffnung

Gemeinsam stark: Zu Jahresbeginn haben Leser dieser Zeitung sowie mehrere österreichische Firmen in einer vom KURIER initiierten Hilfsaktion 200.000 Euro gespendet. Weiterhin sind die Spendenkonten vom  Roten Kreuz und von der Caritas geöffnet.

Caritas: Kennwort: „Kroatienhilfe Kurier“. Der IBAN des Spendenkontos: AT23 2011 1000 0123 4560.

Rotes Kreuz: Kennwort: „Kurier Erdbebenhilfe Kroatien“. Der IBAN lautet: AT57 2011 1400 1440 0144.

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