Warum Kinder auch mit Bäumen kuscheln sollten
Mehrere Stunden an einem Ort verbringen, wo es keinen Handyempfang gibt? Für viele Schüler beginnt die Waldexkursion mit einem verzweifelten Blick auf ihr Mobiltelefon. Dann tritt meist ein überraschender Effekt ein, berichtet die Waldpädagogin Katharina Lhotsky. „Es ist unglaublich, wie Kinder die Zeit vergessen, wenn sie im Wald sind und es keine Ablenkung gibt.“
Die studierte Politologin arbeitete im Parlament, ehe sie die Ausbildung zur Waldpädagogin absolvierte. Als selbst ernannte „Waldmeisterin“ hat sie es sich zum Ziel gesetzt, in Workshops kleine und große Kinder, Schulklassen und Familien für ihren Lieblingsort zu begeistern. „Der Wald ist so vielseitig – er ist Klassenzimmer, Spielplatz, Ruheraum, Turnsaal, Wellnessoase“, schwärmt Lhotsky, die selbst am Rande des Wienerwalds aufwuchs. „Im Wald vom Wald lernen, ist mein Credo. Kinder verstehen die Dinge besser, wenn sie sehen, wie etwas wächst oder warum der Waldboden wichtig ist. Was man kennt, das schützt man auch.“
Spielerisch lernen
Der heuer ebenso milde wie goldene Herbst eignet sich für ein „Waldbad“ mit Kindern besonders gut. Wenn die leuchtend bunten Blätter auf dem feuchten Boden zum Liegen kommen, lässt sich noch besser rätseln, zu welchen Bäumen sie gehören. Mit einer Mischung aus Spiel und Information motiviert man selbst skeptische Kinder für den Wald, weiß die Pädagogin. „Ich sage ihnen dann zum Beispiel: Eichhörnchen können bis zu fünf Meter weit springen, wie weit schaffst du es?“
Oder sie erklärt, dass fünf Bäume reichen, um genug Sauerstoff für ein Menschenleben zu produzieren. „Dieses Faktum fasziniert die Kinder so sehr, dass sie oft loslaufen, sich ihre fünf Bäume suchen und umarmen.“
Dazu passt auch das „Baumerkennungsspiel“: Ein Kind führt ein anderes, dessen Augen lose verbunden werden, zu einem Baum. Das Kind muss den Baum abtasten, spüren. Dann wird es zurückgeführt und muss erraten, welcher Baum es war.
Dieses „Baumkuscheln“ macht nicht nur Spaß, sondern ist auch gesund: Waldbotenstoffe, so genannte Terpene, reduzieren Stress und Ängste, stärken das Immunsystem und senken den Blutdruck. Zudem fördert ein Aufenthalt im Grünen die Konzentration: In einer US-Studie zeigte ein Waldspaziergang bei Kindern mit der Aufmerksamkeitsstörung ADHS dieselbe Wirkung wie das Medikament Ritalin.
Erinnerungen teilen
„Mir ist es wichtig, dass Kinder den Wald mit allen Sinnen erleben – schmecken (Brombeeren, Kräuter), tasten (feuchtes Moos), hören (Tierlaute, Ästeknacken)“, sagt Lhotsky, die auch Kindergeburtstage im Wald anbietet (von März bis Ende Oktober). „Die Eltern sind froh, dass es diese Alternative gibt und ihre Kinder mit roten Backen zurückkommen.“
Apropos Eltern: Ein Familienworkshop im Wald lässt bei ihnen Erinnerungen aufleben. „Es ist herzig, wie dann vor allem Väter ihre ‚Waldgeschichte‘ erzählen. Wie sie Lager gebaut haben, in einer Bande waren ...“, sagt Lhotsky. „Es ist schön, dieses innere Jauchzen wieder zu spüren, wenn man als Erwachsener durch den Wald spaziert.“ Und ganz ohne Handy die Zeit vergisst.
Tipps: Der Wald als Spielwiese
Im Wald kann man mehr als nur Kastaniensammeln. Eine Auswahl an spielen:
- Bunter Teller Jedes Kind erhält einen Pappteller (am besten 4-eckig) und einen Farbstreifen aus dem Baufachmarkt, auf dem etwa mehrere Grün-, Gelb- oder Orangetöne abgebildet sind. Diesen dürfen sich die Kinder selber aus einer Vielzahl von Musterbeispielen aussuchen. Der Farbstreifen wird dann oben quer auf den Pappteller geklebt und die Kinder müssen nun in einem Zeitraum von 20 Minuten je eine Sache (Zweig, Blatt, Blüte, Borke, etc.) finden, die farblich dazu passt.
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Girlandenspiel funktioniert ähnlich, nur gibt es keinen Teller oder eine Farbvorgabe, sondern nur den Regenbogen. Zuerst unterhält man sich mit den Kindern, was denn ein Regenbogen überhaupt ist und dann laufen die Kinder im Wald herum und sammeln Dinge, die den Farben des Regenbogens entsprechen. Danach binden alle eine Schnur zwischen zwei große Bäume und befestigen alle Gegenstände – im Herbst meistens nur Blätter – farblich als Regenbogen mit Kluppen an der Schnur fest.
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Blätter-Allerlei Getrocknete Blätter lassen sich vielseitig verwenden – kleine für Spiele wie Blättermemory, größere als Deko oder, zu Ketten zusammengefasst, als herbstlicher Blätter-Schmuck für die Wohnung.
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Eichen-Memory: Auch das ist ein Spiel, das die Kinder im Wald beginnen und daheim „fertig“ machen können. Einfach draußen ein paar Eicheln sammeln, Kapperln vorsichtig lösen und die Innenseiten von zwei Eichenkapperln mit demselben Nagellack bemalen. Kapperln umdrehen und Paare suchen. Dann kann man den Kindern auch den Unterschied zwischen einer Stieleiche und einer Traubeneiche erklären.
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Waldkugelbahn: Zuerst werden zwei Teams gebildet. Auf einer kleinen Böschung oder einem Hügel errichtet dann jedes Team eine eigene Kugelbahn. Dafür werden Äste, Steine, Blätter und Wurzeln aus dem Weg geräumt und große Äste so aneinandergelegt, dass sie zwei nebeneinanderliegende Absperrungen bilden. In der Mitte, zwischen den beiden Begrenzungen durch die Äste entsteht so eine Bahn. Anschließend bekommt jedes Team eine Holzkugel, die der Bahn entlang den Hügel hinunterrollen soll. Dieses Spiel wird meistens so lange gespielt, bis ein Team klar gewonnen hat; das ist aber meistens gar nicht das Ziel, viel mehr geht es um den Spaß und wer die coolste, kniffeligste und technisch spektakulärste Bahn gebaut hat.
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Naturgesichter finden: In den Formationen von Horizont, Felsen, Steinen oder auch Flechten kann man mit etwas Geduld und Glück Augen und Nase oder Köpfe erkennen. Manchmal sogar ganze Gestalten oder Tiere. Die Phantasie erweckt sie zum Leben. Das Spiel kann man in einem Park, einem Wald, auf einem Weg oder am Strand machen. Dann sucht man sich einen Landschaftsbereich aus und hat verschiedene Möglichkeiten: Bei einem Spaziergang betrachtet man aufmerksam die Umgebung. Oder man findet Details wie Augen und Nasen in der Natur. Man kann sein Bild auch anderen zeigen bzw. Fotos davon machen und noch mehr hinein interpretieren.
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Bäumchen, wechsel dich: Alle Kinder suchen sich einen Baum aus und stellen sich zu diesem. Am besten wird dieser mit einem Seil oder etwas Ähnlichem gekennzeichnet, ohne den Baum zu schädigen. Der einzige, der keinen Baum benötigt, ist derjenige, der in die Rolle des Fängers schlüpft. Der Fänger steht in der Mitte und ruft laut „Bäumchen, wechsel dich!“ In diesem Moment müssen alle Kinder zu einem neuen Baum laufen, auch der Fänger sucht sich einen Baum aus. Dabei ist es verboten, stehen zu bleiben oder zum vorigen Baum zurückzukehren. Wer keinen Baum abbekommt, schlüpft in die Rolle des neuen Fängers.
- Steinbilder: Man benötigt viele Steine und ein paar Kinder. Dabei tun sich immer zwei Kinder zusammen, die Steine sammeln. Ein Erwachsener flüstert einem Kind einen Begriff ins Ohr, etwa Hund, Haus, Auto oder Baum. Das Kind legt nun aus den Steinen ein Bild von diesem Begriff. Ob das andere Kind es erkennt und errät?
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Waldbild: Man benötigt dafür vier ungefähr gleich lange Äste, dickes Garn, eine Schere, Klebstoff, der richtig gut klebt oder eine Heißklebepistole (da sollen aber bitte die Eltern helfen), Naturmaterialien aus dem Wald, wie Bockerln, Zapfen, Nüsse, Schneckenhaus, Blätter, Grashalme, etc. Und so geht’s: Für den Rahmen bindet man die vier Äste an den Enden zusammen. Nun klebt man die Waldmaterialien wie man will auf die Äste. Das Ganze lässt man ein paar Stunden trocknen, bevor man das Waldbild am Balkon, auf der Terrasse oder einfach am Fenster aufhängt. Wer mag, kann die Waldgegenstände zusätzlich mit Gold- oder Silberlack besprühen.
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