Streit um Kleidung: Wie man Kindern Grenzen setzt ohne Verbote

Streit um Kleidung: Wie man Kindern Grenzen setzt ohne Verbote
Wie Eltern den Kampf vorm Kleiderkasten auflösen können und warum Freiräume bei der Auswahl für Kinder wichtig sind.

Tief dekolletiert und mit schwarzer Spitze zeigte sich die elfjährige Harper vor Kurzem bei einer Fashion Show ihrer berühmten Mutter Victoria Beckham. Der Ausschnitt endete kurz oberhalb des Bauchnabels und löste in sozialen Netzwerken Diskussionen darüber aus, ob das Kleid für ein Mädchen angemessen ist. Zwar bewegt sich Harper Beckham in einem Umfeld, in dem Promi-Sprösslinge häufig wie Mini-Mes ihrer Eltern gekleidet sind. Aber auch Kinder außerhalb des Rampenlichts kennen stets die aktuellen Trends – ob bauchfrei, dekolletiert oder knapp geschnitten.

Selbst wenn Eltern nicht immer begeistert sind, sollten sie ihre Kinder bei der Kleiderwahl nicht zu sehr einschränken, erklärt die steirische Klinische und Gesundheitspsychologin Barbara Kahr. "Kleidung ist Teil der Entwicklung der eigenen Persönlichkeit und ein zentraler Entwicklungsschritt im Kindes- und Jugendalter – es ist sehr wichtig, dass Kinder selbst mitentscheiden dürfen. Natürlich braucht es aber einen gewissen Rahmen, in dem sie solche Entscheidungen treffen dürfen", sagt Kahr.

Grenzen setzen

Schon Kindergartenkinder sollten ihre Kleidung auswählen können, aber mit Hilfe. Dazu gehören auch Grenzen. "Es wäre zum Beispiel absolut unpassend, wenn sich ein Volksschulkind bei klirrender Kälte nicht warm anzieht oder mit schmutziger Kleidung den Unterricht besucht. Eltern sollten schon früh sensibilisieren, welcher Kleidungsstil in welchen Situationen passend ist."

Zwar gebe es keine dem Alter angemessene Kleidung, Kinder und Jugendliche müssen aber erst lernen, wann welches Outfit geeignet ist. "Modetrends wie bauchfreie Tops spielen eine große Rolle. Kleidung ist aber auch Ausdruck des Respekts – in Schulen oder im Lehrberuf ist bauchfrei unpassend."

Abgrenzen über Mode

Die Grenzen, die Eltern hinsichtlich der Kleidung vorgeben, ändern sich mit dem Alter und sollten immer weiter gefasst werden. Gerade in der Pubertät haben Jugendliche das Bedürfnis sich abzugrenzen und provozieren teils auch bewusst über Mode. Viele Eltern sind mit Kleidungsstücken konfrontiert, die sie nicht gerne sehen. Zu viel Haut, zu sexy, meinen sie. Das tragen alle so und ich kann meinen Körper zeigen, entgegnen die (meist) Töchter.

Kindern und Jugendlichen müsse laut Kahr verständlich erklärt werden, dass Kleidungsstücke Signale aussenden. "Sie beeinflussen die Art und Weise wie man wahrgenommen wird." Zwar wissen Jugendliche heute, dass niemand das Recht hat, sie wegen eines Crop Tops anzustarren oder gar zu berühren. Dennoch fürchten viele Eltern, dass manche Kleidung zu sehr sexualisiert und junge Mädchen Blicke auf sich ziehen, mit denen sie noch nicht umgehen können. Diese Befürchtungen sollten mit den Jugendlichen besprochen werden.

Im Gespräch kann auch nach den Gründen gefragt werden, warum es unbedingt dieses oder jenes Kleidungsstück sein soll und thematisiert werden, wo man dieses tragen könnte, wo eher nicht.

Gespräch suchen

Verbote bringen nicht den gewünschten Effekt, erklärt Psychologin Kahr. Teenager finden meist Möglichkeiten, sie zu umgehen, etwa indem sie sich in der Schule umziehen oder den für Mama und Papa übergezogenen Pullover wieder ablegen. "Hinzu kommt, dass sich Teenager eher an Gleichaltrigen und sozialen Medien orientieren, weniger an den Modeideen der Eltern. Im Teenageralter ist nicht das Verbot, sondern das Gespräch wichtig."

Anders sei dies in Schulen. Gemeinsame Regeln beispielsweise einer Hausordnung können Dresscodes festlegen. Freizügigere Kleidungsstücke wie Hotpants sind an manchen Schulen etwa nicht gestattet. Solche Verbote sorgen zwar sowohl in der Schule als auch medial immer wieder für Diskussionen. Sie werden aber meist gut eingehalten, insbesondere dann, wenn sie gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern erarbeitet werden.

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