Nein zu "Rough Sex"
Der Begriff „Sexpositivität“ ist nicht neu, wurzelt in der feministischen Bewegung der 1970er- und 80er-Jahre, der wir die sexuelle Befreiung zu verdanken haben. Wobei es vor allem die zweite Frauenbewegung war, die den positiven Zugang zum eigenen Körper und zur Sexualität ermöglichte. Neue Lebensentwürfe entstanden, das alte Korsett wurde gesprengt. Auf diese Entwicklung bis zur Gegenwart wirft die junge britische Autorin Louise Perry in ihrem Buch „The Case Against the Sexual Revolution. A New Guide to Sex in the 21st Century“ einen kritischen Blick. Sexuelle Freiheiten – im Sinne von Unverbindlichkeit, diversen Spielarten, Gelegenheitssex ohne inneres Engagement – hätten vor allem Männern Vorteile gebracht. Und damit männlich geprägte Sexualität gefördert. Weiblichen Bedürfnissen entspräche das nicht, ist sie überzeugt. Sie engagiert sich vor allem gegen „Rough Sex“ – harten Sex mit Elementen, wie Fesseln, Deep Throating, Spucken etc., der vor allem durch die Pornografisierung zum Mainstream wurde und zur Folge hatte, dass vor allem junge Frauen Dinge tun, die sie im Grunde gar nicht tun wollen. Sondern nur, weil sie denken, „das müsse so sein“. Diese Gefahr ist da und es ist gut so, dass sich junge Frauen dessen zunehmend bewusst werden, nein sagen, Grenzen ziehen, nachdenken. Perry fordert gar ein „sexuelles Umdenken“, im Sinne von „mehr Würde und Zurückhaltung“, vor allem von Männern.
Verständlich. Und dennoch wäre es falsch, rückschrittlich zu sein und neue Denkkorsette zu verordnen. Womit wir wieder beim Begriff „sexpositiv“ gelandet wären. Denn nein, er bedeutet keinesfalls, dass die eigene Sexualität auf Kosten einer anderen Person gelebt werden soll. Konsens ist hier – mehr denn je – wichtig. Und es bedeutet auch nicht, dass man eigene Grenzen überschreiten soll, nur um jemand anderem (als Frau einem Mann, aber auch umgekehrt) zu gefallen oder einem Bild zu entsprechen, damit man auf der nach oben offenen Supersex-Skala eine Topposition einnimmt. Vielmehr geht es um Offenheit, dazu braucht es aber Denk- und Spürarbeit, im Sinne eines „Was fühlt sich fein für mich an?“, "Was mag ich wirklich probieren?", "Wo sind meine Grenzen?". Es bedeutet Verantwortung: für die eigene Lust, aber auch für ein gutes Miteinander. Und es bedeutet niemals ein „Muss“: Selbst, wenn ein Mensch nein zu Sex sagt, ist das insofern sexpositiv, als er es – hoffentlich – aus einer tiefen, inneren Überzeugung möchte, basierend auf einem Bewusstwerdungsprozess.
Dazu schreiben Beatrix Roidinger und Barbara Zuschnig in ihrem Buch „Sexpositiv. Intimität und Beziehung neu verhandelt“ sehr viel Kluges, zum Beispiel: „Je enger unsere Vorstellung von Sexualität ist, desto enger ist sie auch von unserer Welt ... Sexpositive Menschen setzen sich mit ihren Grenzen und limitierenden Glaubenssätzen auseinander ... Ihr Wertesystem ist von Offenheit, Toleranz und einem liebevollen Umgang miteinander geprägt.“ Ja, darum geht es – nicht nur beim Sex.
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