Wer kann sich heutzutage noch benehmen?
Küss’ die Hand, schöne Frau, Ihre Augen sind so blau ...“ – Küss’ die was? Der Gassenhauer der „Ersten Allgemeinen Verunsicherung“ der 1980er-Jahre wär’ heute im besten Fall ein Flop, weil wer kennt schon einen Handkuss? Und im wahrscheinlicheren Fall ein Affront: ein Mann, der eine Frau umgarnt, auch noch mit körperlichem Kontakt, gibt es etwas politisch Unkorrekteres?
Dabei ist bzw. war der Handkuss Ausdruck einer „der Frau gegenüber besonderen Wertschätzung, Ergebenheit, Demut, Bewunderung, Huldigung oder Verehrung“, wie seine Definition lautet (und geht zurück auf das Küssen des Siegelringes von Adeligen und kirchlichen Würdenträgern). Heute ist er Teil einer Etikette, die wie andere Akte der Höflichkeit (Türe aufhalten, in den Mantel helfen) allenfalls noch in der Ballsaison gepflogen werden, aber im Alltag verschwunden sind – so wie die Höflichkeit an sich und die Grundfrage, was „man“ vor allem in der Öffentlichkeit tut und was nicht.
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