Erziehung: Wenn kurze Röcke für Streit in der Familie sorgen

Statt über Modefragen zu streiten, sollte man Mädchen Stärke und Selbstbewusstsein vermitteln, rät die Psychologin
Studien kritisieren, dass Mädchen von der Modeindustrie schon früh sexualisiert werden. Eine Expertin gibt Tipps, wie man mit Kindern über das Thema sprechen kann.

Modemacher tragen dazu bei, dass Mädchen oft bereits im Volksschulalter aufreizende Kleidung tragen und ihren Körper ausschließlich unter dem Aspekt der Attraktivität und des Schlankheitsideals wahrnehmen: Zu dieser Erkenntnis kam eine groß angelegte Studie aus den USA bereits im Jahr 2011. Die Psychologen hatten für ihre Analyse 6.000 Kleidungsstücke von großen Kindermode-Ketten für Mädchen unter 12 durchforstet und festgestellt, dass ein wesentlicher Anteil sowohl kindliche als auch sexualisierte Merkmale - wie Spitzenwäschematerial oder Po-Aufdrucke - aufweist.

Die Ergebnisse der Studie, die in der Zeitschrift Sex Roles erschien, sind auch 13 Jahre später noch relevant. Vor allem im Sommer diskutieren viele Familien die Frage, wie freizügig Kleidung für Mädchen und Jugendliche sein darf. "Das ist ein sehr kontroverses Thema", weiß die Psychologin und Psychotherapeutin Martina Bienenstein, die auf Kinder und Familien spezialisiert ist. Denn egal, ob es sich um die Pink-Phase im Kindergarten oder das spätere Zeigen von nackter Haut handelt: "Im Grunde sollen sich Mädchen so anziehen, wie sie wollen", sagt die Expertin. "Die Diskussionen in der Familie entstehen aus einer Angst heraus, dass den Töchtern etwas zustößt oder sie einen schlechten Ruf haben könnten."

Identität ausdrücken

Die Gender-Unterschiede in der Mode beginnen bereits bei den Kleinen. Darauf macht die Autorin und dreifache Mutter Evelyn Höllrigl regelmäßig auf ihrem Instagram-Kanal aufmerksam. „Während die Tierwelt in der Jungsabteilung primär aus ‚Jägern’ besteht, besteht sie in der Mädchenabteilung aus möglichst flauschigen und süßen ‚Gejagten’“, kritisierte sie kürzlich. Auch Absatzschuhe für Mädchen oder Unterschiede in der Schnittkonstruktion erregten ihren Unmut: So werde Mädchen schon früh suggeriert, dass sie zu dick seien.

Erziehung: Wenn kurze Röcke für Streit in der Familie sorgen

Psychologin Martina Bienenstein

Sollten Erwachsene ihren Kindern gewisse Kleidungsstücke verbieten? „Eltern müssen sich bewusst werden: Je mehr sie dagegenreden, noch dazu gekoppelt mit Angst, desto mehr wächst der Widerstand bei den Jungen“, sagt Bienenstein. Und betont: „Grundsätzlich ist es wichtig für Pubertierende, ihre Individualität ausdrücken zu können.“ 

Die Psychologin empfiehlt, den Fokus weg vom Thema Sexualität und hin zur Identifikation zu lenken: Warum gefällt dir dieses Outfit? Was möchtest du darstellen, wer möchtest du sein? „Die meisten werden dann sagen: ‚Es ziehen sich alle so an.’ Es gibt Sicherheit, in der Gruppe gleich gekleidet zu sein. Da möchte man nicht im konservativen Faltenrock und in der zugeknöpften weißen Bluse daneben stehen“, sagt die Psychologin.

Statt über Modefragen zu streiten, sollte man Töchter fragen: „Was brauchst du, damit du dich stark fühlst? Es geht darum, Mädchen Selbstbewusstsein zu vermitteln. Und ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass es die Verantwortung der Burschen und Männer ist, sich ordentlich zu verhalten.“   

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