Eine Mediatorin und ein Seelsorger über Corona-Krach zu Weihnachten

Eine Mediatorin und ein Seelsorger über Corona-Krach zu Weihnachten
Zu Weihnachten treffen hohe Erwartungen auf schwelende Corona-Konflikte innerhalb der Familie. Eine Mediatorin und ein Seelsorger geben Orientierung.

Die Weihnachtsfeiertage waren für Johanna Berger immer schon anstrengend. Zwei Kinder, beide Eltern voll berufstätig und keine Großeltern, die aushelfen können. Doch heuer empfindet sie nur Wut und Ratlosigkeit, wenn sie an das bevorstehende Fest denkt. Denn ihre Schwester und Schwager, eine Soziologin und ein Physiotherapeut, sind überzeugte Impfgegner.

Die Alt-68er vertrauen auf ihr Immunsystem und halten Johanna und ihren Mann für Opfer der Pharmaindustrie. Bis jetzt hat sie sich alles geduldig angehört. Aber was, wenn ihre Schwester unter dem Christbaum wieder mit dem "Impffaschismus" beginnt? Am liebsten würde sie das gemeinsame Fest heuer ausfallen lassen.

Gedanken, die in diesem Dezember viele Familien beschäftigen. Unterschiedliche Zugänge zu den Corona-Maßnahmen sowie Angst um die eigene Gesundheit angesichts der neuen Virus-Variante gefährden die Aussicht auf ein harmonisches Fest. Bei manchen ist der Kontakt bereits im Vorfeld abgebrochen. "Ich wurde von meiner Mutter zu Weihnachten ausgeladen, weil ich geimpft bin", berichtet eine Nutzerin auf Twitter.

Reden, als wäre es 2019

In so einem Extrem-Fall lassen sich die Brüche nur noch schwer kitten, sagt Sophia Bolzano, die in Wien als Mediatorin und Coach tätig ist. "Das Problem ist: Die Stimmung ist mittlerweile schon so aufgeheizt, dass meist gar nicht mehr zugehört wird und fast kein friedlicher Diskurs mehr möglich ist."

Betroffene Familien sollten sich daher rechtzeitig vor Weihnachten eine Strategie zurechtlegen, rät die Mediatorin (siehe rechts). "Das Wichtigste ist, dass man sich über seinen eigenen Zugang zu Corona im Klaren ist und sich nicht des Festes wegen verbiegen lässt. Denn letztlich geht es ja um die eigene Gesundheit."

Wenn ein Paar die Impfung verweigert, empfiehlt es sich, noch vor dem Zusammentreffen das Gespräch zu suchen. "Man könnte einen Durchruf machen und sagen: Es war ein schwieriges Jahr, wir sind alle wütend. Aber vielleicht können wir uns einen schönen Abend machen und diese Themen aussparen – wie vor Corona."

Was würde Jesus tun?

Sich darauf zu besinnen, was man am anderen schätzt – dafür plädiert auch Pfarrer Bernhard Mucha, Familienseelsorger der Erzdiözese Wien. Gleichzeitig warnt er davor, die Feiertage mit Erwartungen zu überfrachten.

Denn in den vergangenen zwei Jahrhunderten habe sich Weihnachten zu einem Sehnsuchtsfest entwickelt, an dem plötzlich alles gut sein muss. Dabei war der Ursprung – Ablehnung einer Schwangeren, Geburt im Stall – alles andere als idyllisch, gibt Mucha zu bedenken. "Man sollte nicht erwarten, dass zu Weihnachten alles gelöst wird – und noch weniger, dass sich Differenzen zumindest kurz ‚auflösen‘."

Schwierig wird es, wenn Geimpfte und Ungeimpfte Ängste voreinander haben. "Dann wäre es möglicherweise besser, ausnahmsweise auf eine Feier zu verzichten. Man trifft sich online oder telefoniert und stellt fest, dass die direkte Begegnung keinen Sinn macht. Das zu respektieren, wäre auch ein Zeichen weihnachtlichen Friedens."

Und was würde Jesus zu all dem sagen? Darauf hat der Pfarrer keine eindeutige Antwort. "Die Tatsache, dass der Papst und die Bischöfe die Impfung empfehlen, bedeutet meiner Ansicht nach, dass er das auch tun würde. Aber er würde sicher keinen Ungeimpften ausschließen."

Auch Johanna Berger möchte ihre Schwester nicht verlieren. Ob es ein gemeinsames Fest gibt, wird sie demnächst klären. Am Telefon.

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