Die neue Ufo-Hysterie: Warum das Unbekannte am Himmel fasziniert
Es war kein Vogel und auch kein Flugzeug, was Hunderte US-Bürger vor zwei Wochen im Himmel über Montana entdeckten. Sie alle beschrieben gegenüber der nationalen Wetterbehörde dasselbe Phänomen: eine große, weiße Kugel, die sich lautlos bewegte. Heute ist klar: Es war ein (mutmaßlicher) Spionageballon der Chinesen, der den Blick der Menschen nachhaltig gen Himmel lenkte.
Die durch den Abschuss des Ballons ausgelöste diplomatische Krise zwischen den globalen Großmächten China und USA scheint seither für viele Menschen zur Nebensache geworden zu sein. Erst schoss das US-Militär vor einer Woche drei weitere – diesmal unbekannte – Flugobjekte ab. Dann ließ sich US-Luftwaffengeneral Glen VanHerck auf die Frage, ob es sich um Außerirdische handeln könnte, zu dem Satz hinreißen: „Ich kann aktuell gar nichts ausschließen.“
Selbst die meist knochentrockene New York Times titelte daraufhin ungläubig: „Was ist da oben los?“
Austro-Ufos
In einer Stellungnahme betonte das Pentagon nur zwei Stunden später, es seien definitiv keine außerirdischen Flugobjekte – doch die Ufo-Aufregung war nicht mehr zu stoppen. „Wenn ein Fall durch die Medien geht, gibt es immer einen Zuwachs an Meldungen“, sagt einer, der sich seit seiner Kindheit für rätselhafte Himmelsphänomene interessiert. Vor zehn Jahren gründete Mario Rank eine Anlaufstelle für Ufo-Sichtungen in Österreich, die sich mit deren Sammlung und Aufklärung beschäftigt (www.degufo.at).
Etwa dreißig Meldungen über unidentifizierbare Objekte wurden im vergangenen Jahr abgegeben, die meisten entpuppten sich in der Schnellbewertung als Starlink-Satelliten, Luftballons, Sterne oder Flugzeuge, berichtet der Ufologe. „Acht der Sichtungen wurden eingehender untersucht und von diesen bleiben zwei, die mangels Datenlage noch nicht restlos aufgeklärt wurden.“
Verschwörungstheorien
Zuviel, um derlei Vorfälle einfach zu ignorieren oder als Hirngespinste abzutun, sagt Rank. Dass Ufos derzeit verstärkt in den Fokus geraten, führt die Psychologin Ulrike Schiesser auch auf das wachsende Misstrauen gegenüber staatlichen Institutionen und Verschwörungstheorien zurück, die seit der Corona-Pandemie Aufwind bekommen haben. „Häufig wird bei solchen Vorfällen dann gleich eine Verbindung zu den Regierungen hergestellt, die angeblich Informationen verheimlichen.“
Ufologie
Disziplin, die sich mit der Erforschung von unidentified flying objects (UFO) beschäftigt
Ufoglaube
Religiöse Gruppen, die nach eigenen Angaben in Kontakt mit Außerirdischen stehen. Diese werden als moralisch überlegen angesehen
66.000
Flugobjekte durchstreifen täglich den Luftraum der USA
Personen, die von Ufo-Sichtungen berichten, seien aber weder psychisch krank noch hätten sie Wahnvorstellungen, betont die Psychologin. „Es ist ein Versuch, Dingen, die wir nicht verstehen, ein Muster und eine Bedeutung zu geben.“ Wesentlich profaner ist eine andere Erklärung: „Wenn man längere Zeit etwas Helles am Himmel beobachtet, beginnt das Bild zu wackeln und man glaubt, etwas bewegt sich. Das ist ein autokinetischer Effekt“, sagt Schiesser.
Rank bedauert, dass Menschen, die von Ufos berichten, oft belächelt werden. Diese kämen aus allen Bildungs- und Einkommensschichten, „von der Hausfrau bis zum hochrangigen Militär“. Für viele sei es eine Überwindung, ihre Sichtung zu melden. „Wer gibt sich schon gerne der Lächerlichkeit preis?“
Vor allem in den USA wird dem Thema jedoch mit zunehmendem Ernst begegnet (siehe unten). Nachdem immer mehr nicht identifizierbare Luftphänomene gemeldet wurden, kündigte das Pentagon 2020 eine offizielle Ufo-Forschungsgruppe an. „Inzwischen beschäftigen sich 28 Länder auf behördlicher Ebene mit dem Ufo-Phänomen. Die Stimmung ändert sich zusehends“, gibt sich Rank erfreut.
Weltliche Erklärungen
Auch, wenn die Unterhaltungsindustrie mit fliegenden Untertassen und wahlweise bösen oder erlösenden Marsmännchen Anderes vermuten lässt: Der Großteil der Flugobjekte, die den Luftraum der Vereinigten Staaten durchstreifen, sind Drohnen oder (Wetter-)Ballons oder stehen in Verbindung mit den vielen US-Militärbasen.
Auch für die Wracks der drei abgeschossenen Ufos in den USA und Kanada gibt es eine weltliche Erklärung. John Kirby, Sprecher des nationalen Sicherheitsrats der USA, betonte diese Woche, alle Objekte seien „gutartig“ gewesen und hätten zivilen oder wissenschaftlichen Zwecken gedient. Die Affäre um den chinesischen Ballon hätte lediglich zu einer erhöhten Alarmbereitschaft bei der US-Luftabwehr geführt – abgeschossen wurden die Ufos, da sie auf Höhe des zivilen Luftverkehrs unterwegs waren.
Der Hype um die Himmelskörper wird trotz Aufklärung anhalten, prophezeite einer der bekanntesten Ufo-Forscher vergangene Woche im Guardian. Ähnliches vermutet Psychologin Schiesser. Die meisten Ufo-Beobachter wüssten zwar, dass in den Flugobjekten keine Aliens sitzen. „Aber wenn man so ein Ufo am Himmel sieht, ist das einfach eine coole Geschichte, die man erzählen kann.“
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