Autofrei durchs Leben: Macht die Generation Z keinen Führerschein?
Ausbau von Öffis, Teuerung oder die Folgen der Urbanisierung – vor allem junge Städter sehen im Auto kein Statussymbol und investieren ihr Geld lieber in Reisen.
"Ich glaube an das Pferd, das Automobil ist eine vorübergehende Erscheinung" – lange wurde der letzte deutsche Kaiser ob seines Ausspruchs belächelt. Als vor wenigen Wochen die Statistik Austria einen deutlichen Rückgang bei B-Führerscheinen vermeldete, fragten sich Beobachter, ob Kaiser Wilhelm II. am Ende doch recht behalten könnte. Denn der "reguläre" Erwerb von Führerscheinen der Pkw-Klasse ab dem Alter von 18 Jahren ging 2022 deutlich zurück: 51.819 Personen erwarben eine B-Lenkberechtigung. Das entspricht einem Minus von 15 Prozent bzw. 9.293 Lenkberechtigungen im Vergleich zu 2021 und dem zweitniedrigsten Wert seit Beginn der digitalen Aufzeichnungen im Jahr 2006. Der niedrigste Wert war erst im Jahr 2020 mit 49.933 Lenkberechtigungen verzeichnet worden. Das kleine Plus bei den L17-Neuerwerbungen kann das Minus nicht erklären.
Mobilitätsforscherin Juliane Stark vom Institut für Verkehrswesen an der Boku hat für den KURIER nachgerechnet: Auch wenn man die aktuelle Gesamtanzahl der ausgestellten Führerscheine – nämlich 154.974 Stück – auf die Gesamtbevölkerung bezieht, gibt es einen absoluten Rückgang. "Man muss das also weiter beobachten. Nichtsdestotrotz werden auch in anderen europäischen Städten – vor allem in Deutschland – Entwicklungen beschrieben, die darauf hindeuten, dass die nachfolgenden Generationen etwas weniger autoaffin sind."
Generation Z tickt anders
Generell sieht man in Österreich, dass sich das Führerscheineintrittsalter von 18,5 auf 20 Jahre verschiebt. Angesichts der Statistik drängt sich die Frage auf, ob sich die Generation Z – also junge Menschen, die zwischen 1997 und 2012 geboren wurden –, anders fortbewegt als Generationen zuvor. Und wenn ja, woran das liegen könnte. Vor zwei Jahren veröffentlichte Ford in Zusammenarbeit mit dem deutschen Zukunftsinstitut die sogenannte "Mobility Zeitgeist-Studie". Zentrales Ergebnis: Das Auto ist noch immer relevant, aber seine Bedeutung ändert sich grundlegend.
In der Generation Z besitzen laut Studie nur noch 72 Prozent einen Pkw-Führerschein. Zum Vergleich: In der Gen Y waren es noch 87 Prozent. "Vor allem junge Erwachsene im urbanen Raum wählen Verkehrsmittel oft pragmatisch und flexibel – sie sind oft multimodal unterwegs und offen für Sharing-Angebote. Sie verfügen zumeist auch über höhere technische Kompetenzen. Deshalb nehmen sie Neuerungen im Verkehrssystem schneller an", so Stark. Vor allem in der Großstadt mit attraktivem öffentlichen Verkehr scheint das eigene Auto als Symbol für Status oder soziale Teilhabe an Bedeutung verloren zu haben – das gilt für den gesamten europäischen Raum.
In der Studie geben die jungen Befragten auch an, dass Mobilität für sie Flexibilität bedeutet – den Begriff Freiheit verbindet nur die Hälfte der Studienteilnehmer. Wissenschafterin Stark ergänzt, dass ein Auto junge Menschen im Ausleben der maximalen Flexibilität sogar behindern könne. "Der Besitz eines Führerscheins wird sicher nach wie vor als sinnvoll empfunden, jedoch wird er oft erst später gemacht. Hier spielen auch Zeit und Geld eine Rolle – also durchaus auch aktuelle Entwicklungen –, aber eben zusätzlich Angebotsveränderungen im Verkehrssystem."
Am wichtigsten: Geld für Reisen
Die Bundeshauptstadt ist heuer erstmals nach mehr als 100 Jahren wieder auf zwei Millionen Einwohner angewachsen, eine sechste U-Bahnlinie befindet sich im Bau – die Mobilität von jungen Menschen in dieser Metropole ist zwangsläufig anders als am Land.
"In ländlichen Regionen hat der Führerschein nach wie vor einen sehr hohen Stellenwert, was sich auch in den Zahlen widerspiegelt, hier ist der Rückgang auch geringer. Er gehört zum Erwachsenwerden mit dazu." So verwundert es nicht, dass nach Bezirken aufgeschlüsselt in den Bezirken Zwettl (NÖ) sowie in Hartberg-Fürstenfeld (ST) beinahe zwei Drittel aller 17-Jährigen eine L17-Lenkberechtigung haben. Die höchsten Werte in Österreich.
Früher galt das Auto als Statussymbol. Wenn man aber die Generation Z nach ihren größten Investitionsvorhaben fragt, dann wünscht sich jeder Dritte eine Reise. Das Bedürfnis, sich ein Auto anzuschaffen, hegt hingegen nicht einmal jeder Fünfte – ex aequo mit dem Anschaffen einer Wohnungseinrichtung. Stark ergänzt: "Bei jungen Erwachsenen zeigen sich teilweise Trends zur späteren Familiengründung, zu verlängerten Ausbildungszeiten, zu einem höheren Stellenwert von Work-Life-Balance. Dies können Rahmenbedingungen und Einflussfaktoren auf das Mobilitätsverhalten sein." Das Zusammenwirken dieser Faktoren müsste jetzt erforscht werden.
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