300 Tage im Bett - und jetzt wieder Triathlon

Zurück am Rad: Gerhard Brandl vertreibt jetzt E-Bikes und trainiert weiter für sein Comeback
Gerhard Brandl überlebte eine Kollision mit einem Auto. Nun trainiert er wieder für Triathlons.
Von Uwe Mauch

Er kann jetzt wieder Rad fahren. Eine Tagestour von seinem Haus in Pressbaum nach Mariazell schafft er schon. Und 35 km/h mit dem Rennrad gehen sich auch schon aus. Das ist für einen wie ihn wenig, und gleichzeitig unglaublich viel.

Gerhard Brandl war am 1. April 2011 in Topform. Es war sein letzter Trainingstag auf Fuerteventura. Mit einem flotten Vierziger fuhr er die vierspurige Landstraße entlang. Die Form für die Triathlon-WM, bei der man den damals 63-Jährigen in seiner Altersklasse wieder zum Favoritenkreis zählte, stimmte.

Crash beim Endspurt

Er spürte auch auf dem allerletzten Kilometer vor dem Quartier viel Kraft in seinen Beinen. Er war beim Endspurt seines Trainingslagers, als eine Spanierin mit ihrem SUV von ihrer Spur abkam und ihm mit 70 km/h ins Rad krachte. Es war ein Wunder, dass er die drei Überschläge überlebte. Es grenzt an ein Wunder, dass der Niederösterreicher wieder auf beiden Beinen steht, gehen kann und auch Rad fahren kann.

In Österreich starben im vergangenen Jahr 45 Radfahrer nach einem Verkehrsunfall, 6654 wurden verletzt. Gerhard Brandl wurde von einem Notarzt das Leben gerettet. Dessen Diagnose: Neben einem schweren Schädeltrauma waren alle neun Rippen mehrfach gebrochen, die vierte steckt bis heute in seiner Lunge, was auch erklärt, warum er heute nicht mehr laut sprechen kann.

Er sagt: "Ich bin dann 300 Tage lang kerzengerade im Bett gelegen. Drei Mal am Tag habe ich Morphium bekommen, um die Schmerzen einigermaßen zu ertragen." Die Ärzte haben ihm gesagt, dass das Gift in seinem Körper das Gefühl des Schmerzes zumindest halbieren kann.

Er hat nach dem Unfall nicht nur seine Topform verloren. Er hatte ein gut gehendes Radgeschäft in Pressbaum, er war ein anerkannter Coach von vielen Ausdauersportlern. Plötzlich musste er gecoacht werden.

Auf die Frage, ob er der Autofahrerin verziehen hat, sagt das Unfallopfer: "Ich war ihr nie böse, sie hat das sicher nicht mit Absicht gemacht. Wenn sie ein gutes Herz hat, wird auch sie leiden. Vielleicht ihr ganzes Leben."

Einer wie Gerhard Brandl lässt sich sowieso nicht aus der Bahn werfen: "Irgendwann in den 300 Tagen habe ich mich damit abgefunden, dass ich nicht mehr so werde, wie ich einmal war." Dennoch findet er langsam zu alter Form.Nach den 300 Tagen im Bett hat er begonnen, seinen Oberkörper wieder zu trainieren. Die Stabilität der Muskulatur soll helfen, dass sich der Stachel in seiner Lunge nicht weiter vertieft. Unglaublich, aber wahr: Mit seinem Sohn und seiner Tochter nimmt der Ausdauernde inzwischen wieder an einem Staffel-Triathlon teil: "Ich bin mit dem Rad gefahren."

Außerdem hat ihm ein langjähriger Geschäftspartner aus Wels die Chance geboten, hochwertige Fahrräder und E-Bikes aus den USA in Ostösterreich zu vertreiben. Eine gute Sache für beide, denn mit Rädern kennt sich der Radsportler seit vielen Jahren gut aus.

Schwert in der Lunge

Der Marathon zu mehr als Hundert Ärzten und das Damoklesschwert in seiner Lungen haben Spuren hinterlassen. Die Wertigkeiten in seinem Leben haben sich verschoben, sagt Brandl: "Ich bin froh, dass ich noch am Leben bin. Mein Traum war immer, mit achtzig Jahren noch einmal Triathlon-Weltmeister in meiner Altersklasse zu werden." Das sei ihm heute nicht mehr so wichtig. Doch dann meldet sich sofort wieder der Wettkämpfer in ihm zu Wort: "Wenn ich es dennoch schaffe, freue ich mich."

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