Freundschaft per Mausklick
Rund 342 Freunde hat der durchschnittliche Facebook-Nutzer. 342 Freunde, denen er Fotos, Gedanken und seinen veränderten Beziehungsstatus mitteilt. Heute vor zehn Jahren ging Facebook, das größte soziale Netzwerk im Internet, online. Dadurch hat sich der Begriff „Freundschaft“ verändert – im positiven wie im negativen Sinn.
Der Berliner Bildungs- und Jugendforscher Klaus Hurrelmann erklärt die Vorteile von Facebook für zwischenmenschliche Beziehungen: „Durch die technischen Möglichkeiten kann man seinen Freundeskreis stabil halten, erweitern, jederzeit ansprechen. Eigentlich müsste das den sozialen Kontakten einen enormen Aufschwung geben.“ Er relativiert jedoch: „Es kann sein, dass Kontakte durch die Möglichkeit sie zu vervielfachen immer oberflächlicher werden.“
Das beobachtet auch die US-Soziologin Sherry Turkle. In ihrem Buch „Verloren unter 100 Freunden“ schreibt sie, dass vielen Menschen das Pflegen von Beziehungen zu kompliziert geworden ist. Durch das ständige Kommunizieren im Netz würden sie verlernen, echte Gespräche zu führen. Hurrelmann sieht das anders: „Kontaktarmut hat es auch früher schon gegeben. Durch neue mediale Kanäle fällt sie heute stärker auf. Wer gut kommunizieren kann, tut das ohnehin. Wer schlecht kommuniziert, kann schneller diskriminiert werden.“
Trotz vieler Facebook-Freunde seien viele Menschen einsam, sagt Turkle. „Technologien wie Facebook geben uns die Illusion von Gesellschaft – ohne die Anforderungen von Freundschaften.“ Verlässlichkeit, Vertrauen, Verbindlichkeit. Es ist egal, ob man 300 oder 1000 Facebook-Freunde hat – laut Forschern der Universität Chemnitz ändert das nichts daran, dass ein Mensch meist nur ein bis zwei beste Freunde hat.
Offenbarung
Wie Freundschaften entstehen, beschreibt die kanadische Sozialpsychologin Beverly Fehr: „Wenn sich zwei Menschen das erste Mal treffen, geben sie zunächst nur wenig Persönliches von sich preis. Verläuft der erste Austausch positiv, offenbart man allmählich mehr.“ Auf Facebook hingegen offenbart man sich sofort – und jedem. Die beste Freundin sieht die Urlaubsfotos genauso wie der flüchtige Bekannte. Diese Öffentlichkeit ist für junge Menschen schwer einzuschätzen, findet der Soziologe Hurrelmann: „Sie gehen damit so selbstverständlich um, dass sie heikle Aspekte, die wir in der öffentlichen Diskussion im Vordergrund haben, nicht kritisch sehen.“ Dennoch profitieren speziell junge Männer von Facebook. „Sie können aus ihrer spröden und störrischen Freundschaftspflege herauskommen, weil sie sich schriftlich einfacher mitteilen können. Sie müssen niemandem gegenübersitzen und Angst haben, kein Wort herauszubekommen.“
Die amerikanische Fotografin Tanja Hollander (41) hatte es satt, die meisten ihrer Facebook-Freunde nur oberflächlich zu kennen. Vor drei Jahren beschloss sie, jeden Einzelnen ihrer damals 626 Freunde zu besuchen und zu fotografieren. Zu sehen sind sie auf ihrem Blog www.facebookportraitproject.com
Zu virtuellen Freundschaften hat Hollander eine entspannte Haltung. „Ich glaube, Facebook verändert gar nichts. Facebook macht es nur einfacher, mit Menschen in Kontakt zu bleiben, mit denen es face-to-face schwieriger wäre“, sagte sie dem Magazin NEON. Aber etwas ist doch anders geworden: „Heute habe ich Freunde, die mir sehr nahestehen, die aber noch nie bei mir zu Hause waren.“
Internet-Hype. Mit „Biernominierung“ hält nun über Facebook ein zweifelhafter Trend bei uns Einzug, der in anderen Ländern sogar für Todesfälle gesorgt haben soll. Die Spielregeln sind simpel: Ein von seinen Freunden „Nominierter“ muss ein Bier ex trinken, sich dabei filmen und dann seinerseits drei Leute nominieren. Die Auserwählten haben 24 Stunden Zeit, das Video nachzudrehen und es wieder auf Facebook zu posten. Neben dem Trinken geht es darum, das Ganze kreativ in Szene zu setzen.
Genau das dürfte einem jungen Iren zum Verhängnis geworden sein. Er sprang nach dem Bierkonsum in einen Fluss und ertrank. Ein anderer Clip zeigt, wie zwei Australier ungesichert an einem fliegenden Hubschrauber hängen und so ihre Bierflasche leeren. Ein weiteres Video aus Kanada zeigt einen jungen Mann, der sein Bier aus einer Toilette trinkt, während er kopfüber von zwei anderen gehalten wird. Jugendschützer und Behörden warnen deshalb vor dem zweifelhaften Trend.
Kommentare