Daantje Bons: "Frauen müssen nicht weiblich sein"

Daantje Bons: "Frauen müssen nicht weiblich sein"
Daantje Bons stellt mit ihrem Fotoprojekt "Features Of Femininity" die durch gesellschaftlichen Normen regulierte Weiblichkeit in Frage.

Daantje Bons tut das, was unsere Gesellschaft so oft nicht zu tun vermag: Mit ihren Bildern stellt die niederländische Künstlerin vehement Konventionen und Verhaltenskodizes auf die Probe und wählt dabei einen neuen, alternativen, unverfrorenen Blick auf Weiblichkeit. Das Produkt ihres Protests, die Fotoserie "Features Of Femininity", ist divers - und manchmal auch etwas verstörend, aber stets echt.

"Bei 'Features Of Femininity' geht es um Weiblichkeit und ihr ideales Bild. Meine Vorstellung von Weiblichkeit, wie ich sie kenne, ist in der westlichen Welt zu einem Scheinbild beschnitten worden", bringt die Künstlerin den Hintergrund ihres Projekts auf ihrer Website auf den Punkt. Es gehe nicht nur darum, was die Medien als Idealbild zeigen, sondern auch um gelernte Normen, die der weiblichen Identität zugerechnet werden. "Durch Provokation will ich diese engstirnige Idee von Weiblichkeit mit ein bisschen Humor bekämpfen", schreibt Bons weiter.

Systemkritik durch Häkelbrüste & Alltagsmüll

Die Fotostrecke zeigt sowohl Gegenstände, als auch Frauenkörper. Jedes Bild hat seine eigene, abstrakte Botschaft. Dabei geht es nicht um die visuelle Repräsentation facettenreicher Formen von Weiblichkeit, sondern um das große gesellschaftliche Ganze. Weibliche Diversität ist real - und Bons zeigt sie ungeschönt. Damit geht auch ein Aspekt der Irritation einher, der sich bei so manchem Betrachter in Verstörtheit äußert. Eins sind die Bilder der in Utrecht lebenden Künstlerin in jedem Fall: mächtig.

Wir haben mit Daantje Bons über die Systemkritik, die sich in Bons' Bildern manifestiert, gesprochen.

Daantje Bons: "Frauen müssen nicht weiblich sein"

Daantje Bons: "Frauen müssen nicht weiblich sein"

Daantje Bons: "Frauen müssen nicht weiblich sein"

Daantje Bons: "Frauen müssen nicht weiblich sein"

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Daantje Bons: "Frauen müssen nicht weiblich sein"

Daantje Bons: "Frauen müssen nicht weiblich sein"

Daantje Bons: "Frauen müssen nicht weiblich sein"

Daantje Bos über Weiblichkeit in unserer Welt

KURIER: Was hat Sie dazu inspiriert das Fotoprojekt Features Of Femininity zu realisieren?

Daantje Bons: Meine größte Inspiration war meine eigene Jugend und das Erwachsenwerden als Frau. Ich war mir der Veränderungen meines Körpers und meines Geistes und der Tatsache, dass sich dies auch in meinen sozialen Kontakten widerspiegelt, bewusst. In meiner Kindheit spielte ich viel mit den Buben aus meiner Nachbarschaft, und ich war eine von ihnen. Als sich mein Körper veränderte, verlor ich viel Gewicht und mein Aussehen war plötzlich in sexueller Hinsicht interessant. In diesem Moment wurde ich mir meiner Weiblichkeit und den Formen, die diese Weiblichkeit annehmen kann, bewusst. Anstatt XXL-Shirts und kurzen Hosen trug ich fortan "kecke" enge Röcke und zeigte etwas Haut. Es gab mir das Gefühl als Person wertig zu sein. Anstatt mich zu necken interessierten sich die Burschen nun auf eine andere Art und Weise für mich. Das fühlte sich komisch an, weil ich immer noch dieselbe Person war - bloß in einem anderen Körper. Dieses Gefühl lehrte mich einen Teil meiner Identität zu verstecken, um bemerkt zu werden.

Auf Ihrer Website schreiben Sie, dass Weiblichkeit Ihrer Meinung nach "ein Scheinbild geworden ist". Gilt das auch für Männlichkeit und wenn ja, in welcher Art und Weise?

Meiner Meinung nach ist Männlichkeit auch etwas sehr Konstruiertes. Beispielsweise wird Männern stets eingebläut, dass sie ihren Mann stehen müssen. Das lässt wiederum einen Konflikt zwischen Männern und ihrer weiblichen, sanfteren Seite entstehen, weil diese immer noch als Schwäche gesehen wird. Anstatt unsere Männlichkeit und Weiblichkeit anzunehmen, werden wir dazu gezwungen uns für eine Seite zu entscheiden, um akzeptiert zu werden. Diese "Entscheidungen" werden meist sogar schon vor der Geburt eines Kindes getroffen, weil die Eltern so fixiert auf das Geschlecht ihres ungeborenen Kindes sind. Sie wählen praktisch bereits die sexuelle Kategorie aus, in der ihr Kind später aufwachsen wird. Ich hoffe, dass diese Muster in der Zukunft aufgebrochen werden, sodass alle Formen von Geschlecht und Sexualität sich in eine Gesellschaft einfügen können.

Wen oder was machen Sie für den Verlust der weiblichen Diversität verantwortlich?

Ich gebe verschiedensten gesellschaftlichen Konstrukten die Schuld. Ein großes Problemfeld ist nach wie vor die Werbung. Fast jede Werbung versucht die Geschlechter auf radikale Art und Weise zu trennen – und zwar durch die unnatürliche Verstärkung und Überhöhung von Männlichkeit und Weiblichkeit. Um einem idealen Bild der Weiblichkeit zu entsprechen, müssen wir Frauen also dünn, weiß, süß, nett und liebevoll sein. Zudem sollten wir makellose Haut und keine Körperbehaarung haben. Dabei wird unsere natürliche Existenz deformiert und diverse Produkte, die in der Werbung angepriesen werden, sollen uns dabei helfen dieses märchenhafte Ideal zu erreichen.

Wenn Sie jungen Frauen einen Rat über das Erwachsenwerden und über den gesellschaftlichen Integrationsprozess als Frau geben könnten, welcher Ratschlag wäre das?

Eine Frau zu sein bedeutet nicht, dass man weiblich sein muss. Man kann seine eigene Identität formen und sich so verhalten, wie man sich eben fühlt und wie man sich verhalten will. Ich würde sagen: Dein Körper, deine Gedanken und deine Fähigkeiten sind an dich als Person geknüpft und nicht an dein Geschlecht. Fühl dich frei deine Identität zu erforschen und abseits der gängigen Normen zu entdecken.

Wir leben in einer Zeit in der Frauen in entwickelten Ländern viele verschiedene Images von sich selbst kreieren können – sowohl online als auch offline. Warum entscheiden sich so viele Frauen dafür mit den standardisierten Bildnissen von Weiblichkeit konform zu gehen?

Wenn etwas als Ideal propagiert und festgesetzt wird, dann will jeder diesem Ideal genügen, da man davon ausgeht, dass es der beste Weg ist um glücklich, erfolgreich und geliebt zu werden. Man denkt einfach, dass es richtig sein muss. Zudem unterstützen wir diese Normen auch im gegenseitigen Austausch. Wir sagen uns gegenseitig, dass wir diesem Ideal folgen sollen. Ich glaube ein großes Problem ist, dass man dazugehören will. Denn gehört man nicht dazu, ist man allein und seltsam. Und dann sehe ich gerade in der heutigen Zeit so viele junge Menschen, die sehr wohl ihre eigene Identität erkunden wollen. Hier eröffnet sich so viel Stärke, die leider immer noch von vielen negativen Kommentaren bestraft wird. Aber diese Form des Normenbruchs ist sehr inspirierend.

Wenn man sich Ihre Bilder ansieht, dann bekommt man den Eindruck, dass Sie einen sehr realistischen, mutigen und direkten Blick auf Weiblichkeit haben. Können Sie nachvollziehen, dass ein Betrachter dies als unbehaglich empfinden könnte?

Ja, das kann ich. Zuerst musste ich meinen eigenen Geist befreien und diese sogenannten "unweiblichen" Verhaltensweisen und Ansichten akzeptieren. Ich hatte das Bedürfnis mich selbst zu lieben, ohne, dass ich dieses Idealbild einer Frau verkörpere. Meine Arbeit zeigt Seiten meines Ichs und des Frauseins, die meist mit den Begriffen unweiblich, unsexy oder ekelhaft in Verbindung gebracht werden – und trotzdem sind sie ein Teil von mir. Manche sagen, dass es nicht notwendig ist diese Seiten zu zeigen und vergleichen es mit dem Gang zur Toilette, den ja auch niemand sehen will. Doch dann gibt es wiederum auch Menschen, die so positiv auf meine Arbeiten reagieren, dass ich ganz klar erkenne, dass es Bedarf nach der Transzendenz des Egos gibt.

Was ist Ihrer Meinung nach der größte Zwang, der Frauen in der westlichen Welt heutzutage auferlegt wird?

Es ist etwas, das auch ich mir lange Zeit angetan habe und teilweise immer noch tue. Nämlich sich selbst zu sagen, dass man einem gewissen Ideal entsprechen muss, auf eine gewisse Art und Weise denken, fühlen und sich verhalten muss, weil man eine Frau ist. Zuerst muss man sich von diesen Zwängen befreien und diese Muster ablegen. Man darf keine Angst haben anders zu sein. Die Menschen werden einen trotzdem lieben und sich um einen kümmern. Tun sie das nicht, ist man ohne sie besser dran. Man muss bei sich selbst anfangen, wenn man die Welt verändern will – daran glaube ich. Man muss selbst die Wende herbeiführen!

Daantje Bons ist Fotografin und lebt und arbeitet im niederländischen Utrecht. Im Alter von 16 Jahren begann ihre professionelle Karriere als Fotografin. In Belgien absolvierte sie anschließend eine technische Ausbildung zur Fotografin und schloss 2008 die Art Academy von Antwerpen ab. Ihre nächste Station, eine Kunstakademie im niederländischen Breda, verließ sie 2013 nach erfolgreichem Abschluss. Seither realisiert die Künstlerin verschiedenste Projekte, die allesamt ihrem Anspruch des Selbstausdrucks als Frau und ihrer Liebe zum Stillleben Raum geben. Im Netz kann man ihre Kunst auf Instagram, Facebook,Tumblr und ihrer Website betrachten.

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