Warum Kinder Rituale brauchen.

Gemeinsames Keksebacken gehört in vielen Familien zur Tradition.
Jede Familie hat ihre Traditionen. Psychologen wissen, warum sie in Umbruchzeiten besonders wichtig sind.

Kekse backen. Kerzen anzünden. Gedichte aufsagen. Welche Bilder tauchen bei Ihnen auf, wenn Sie sich an die Adventszeit Ihrer Kindheit zurückerinnern?

Was auch immer es ist – an die wiederkehrenden Rituale von einst denkt jeder gerne zurück. Auch heute noch. Wie wichtig solche Traditionen für Kinder sind, weiß KURIER-Familycoach Martina Leibovici-Mühlberger: "Rituale machen Kinder stark. Sie geben Orientierung und spenden Sicherheit in einer unstrukturierten Welt." Das gilt besonders in unsicheren Zeiten: "Wenn sich um uns herum alles rapid verändert, sehnen wir uns nach Stabilität. Rituale wie zum Beispiel das Aufstellen des Weihnachtsbaums geben uns diesen Halt: Seit Jahrhunderten haben das unsere Vorfahren so gemacht. Und auch unsere Kinder und Enkel werden das noch tun. Das beruhigt."

Von klein auf

Die Welt wird nicht nur unsicherer, sondern bewegt sich auch immer schneller: "Alles ist möglich, nix ist fix", lautet das Motto. "Rituale sind da ein Handlungsrahmen, an dem man sich festhalten kann."

Die immer gleichen Handlungen müssen von klein auf trainiert werden: "Sobald wir Rituale so verinnerlicht haben, dass sie ein Bestandteil von uns sind, werden sie zu einer Stütze – besonders in schwierigen Zeiten. " Ein Beispiel: "Wer als Kind regelmäßig in die Messe gegangen ist, dort innegehalten und die Welt um sich vergessen hat, der kann das als Erwachsener wieder abrufen, egal ob er gläubig ist oder nicht. Also raus aus der Hektik und rein in die Ruhe", sagt Leibovici.

Struktur

Wie hilfreich Rituale für den Alltag in der Familie sein können, erläutern Melanie Grässer und Eike Hovermann im Buch "Kinder brauchen Rituale." Ihr Credo: Wenn Kinder wissen, wie der Tag strukturiert ist, ist das Familienleben für alle leichter zu bewältigen, weil es zu weniger Konflikten kommt. Das kann zum Beispiel das immer gleiche Lied sein, das Mutter und Kind singen, wenn es ans Anziehen geht. Oder die immer gleiche Geschichte, die vor dem Schlafengehen vorgelesen wird. Auch das gemeinsame Frühstück, das für alle Pflicht ist und bei dem man ein bisserl tratscht, gibt dem Tag eine Struktur. Solche Fixpunkte helfen besonders dann, wenn die Kinderwelt aus den Fugen zu geraten scheint: in der Pubertät.

Familientradition

Rituale und Tradition haben stets etwas Verbindendes. Wenn Menschen immer das Gleiche tun, fühlen sie sich als Gemeinschaft. Um dieses Gefühl noch zu stärken, bieten sich Feiertage und Wochenenden besonders an: Jede Familie hat wohl "ihr" Sonntags- oder Osterritual. Welches das ist, hängt von der Mischung aus Familientraditionen und persönlichen Vorlieben in der Familie ab. Welche Traditionen aufrechterhalten, welche verändern werden. Und welches Ritual neu geschaffen werden sollte, müssen sich Eltern schon früh überlegen. Und es dann einfach tun, weil sich das Kind so daran gewöhnen kann.

Ist jedes Ritual gut? Nein. Nur wenn Kinder damit etwas Angenehmes, Beruhigendes verbinden, wird es von akzeptiert und weitergelebt – wie das gemeinsame Frühstück am Sonntag, zu dem der Sohn später als Student noch gerne kommt. Genauso wie zum Weihnachtsfest, das seit seiner Kindheit immer dem gleichen Rhythmus folgt.

Buchtipp Melanie Grässer, Eike Hovermann: Kinder brauchen Rituale. So unterstützen Sie Ihr Kind in der Entwicklung. Humboldt-Verlag 20,60 Euro.

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