Insgesamt 37.000 numismatische Objekte verwaltet die 29-Jährige hier. Neben 15.000 Münzen sind das Medaillen, Abzeichen, Stempel und Papiergeld. Darunter auch Fälschungen, überzeugende ebenso wie schlechte, allesamt sorgfältig archiviert.
Wie kommt man als junger Mensch auf die Idee, sich für diese auf den ersten Blick eher unzugängliche Materie zu interessieren? „Münzen und Geld sind unglaublich spannend. Sie erzählen Kultur- und Sozialgeschichte, berichten von Herrschern und ihrem Darstellungsdrang. Sie waren die Tageszeitungen, aber auch die PR-Maschinen ihrer Zeit.“
Ein klassisches Eigenmarketing-Projekt ist etwa jene schwere Silbermünze, auf der sich Leopold I für seine Taten während der Zweiten Türkenbelagerung rühmte – obwohl er und sein Hofstaat Wien pünktlich zu Beginn der Belagerung verlassen hatten. „Auf 2,6 Kilo Silber schreibt er großartig drauf, wie er die Türken besiegt hat. Aber er war ja gar nicht da.“
Erzählte und behauptete Geschichte, auf Münzen und Medaillen geprägt und in Schachteln und Kästen archiviert, lagert hier. Seit eineinhalb Jahren räumt Mika Boros auf. Vergibt Inventarnummern und birgt Schätze. Vergessene, versteckte oder falsch inventarisierte Schätze.
Wie das Wien Museum zu diesen gekommen ist? Münzen wurden schon zur Zeit der Römer gesammelt, seit 150 Jahren macht man das hier systematisch: Die Stadt Wien beschloss 1862 im Gemeinderat, sich im Sinne der Geschichtsbewahrung auch der Numismatik zu widmen. Dazu ein Ankaufsbudget von 200 Gulden pro Jahr sowie Annoncen mit Spendenaufrufen. Als besonders großzügig erwies sich der Privatier Ignaz Spöttel, Sammler, und Heimatkundler. Der 1892 kinderlos Verstorbene vermachte seine gesamte Münzsammlung der „Vaterstadt.“ Darin zu finden sind kleine Sensationen, auch für Laien als solche erkennbar: Laden voller Goldmünzen. Geprägte Gold- und Silbertaler, die Assoziationen zu Märchen aus Tausend und einer Nacht wecken.
Man würde sie nicht in diesen nüchternen Kästen vermuten, und schon gar nicht in einem kalten Container. Vielleicht ist das Geheimnis dieses Ortes und seiner versteckten Schatzkammer auch das Geheimnis des Charmes, den ihr Beruf für Mika Boros ausmacht. Ein gut gehütetes, übrigens, denn die meisten Menschen reagieren, wenn sie von ihrem Beruf spricht, verständnislos. Numis-was?
Ende des 19. Jahrhunderts war das anders. Es war die Hochblüte der Medaillenprägung, jede bessere Familie besaß Familienporträt und Medaille. Wiener Metallsargfabrikanten ließen sich Medaillen und Abzeichen prägen, ebenso wie die Bürgerwehr von Stammerdorf, der Club der Wiener Gastwirte, der Arbeitersängerbund Brigittenau, der Favoritner Kaninchenzuchtverein und der österreichisch-ungarische Foxterrier-Zuchtclub oder der Eisenbahnerschrebergartenverein Matzleinsdorf. Besonderes Highlight: Das Abzeichen des Bongo Clubs des Wiener Männergesangsvereins von 1887. Darauf zu sehen: Ein Alligator in Windeln, in der Hand ein Bier.
„Numismatik klingt nach Studium für Spinner,“ sagt Mika Boros lachend.
Und sie fügt hinzu: „Ein bisschen stimmt das auch.“
Für Besucher des Museums war die Sammlung bisher nicht zu sehen. Die Objekte werden jedoch nach Bedarf in einzelne Ausstellungen aufgenommen und das eine oder andere Highlight wird in der Dauerausstellung des neuen Wien Museums zu sehen sein.
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