Extremsportler: Die Jagd nach Rekorden
Zwei Minuten und 58 Sekunden. Diese Zeit fehlt vom Weltrekord, um die zwei Stunden Schallmauer im Marathonlauf zu knacken. Für einen Laien, der mit Laufen nicht viel am Hut hat, mögen diese knapp drei Minuten lächerlich erscheinen. Doch bis heute kämpft die internationale Elite um jede Sekunde, um den Weltrekord von 2:02:57, der im September 2014 vom Kenianer Dennis Kipruto Kimetto in Berlin aufgestellt wurde, zu brechen.
Menschenmöglich
Tatsächlich handelt sich es bei dieser Geschwindigkeit um gut einen Kilometer, der aufgeholt werden müsste. Wird jemals ein Mann so schnell so lange laufen können? Was ist das Menschenmögliche? Dieser Frage geht der Londoner Journalist Ed Caesar in seinem Buch "Zwei Stunden. Vom Traum, den Marathon zu laufen" nach. Caesar erzählt anhand der persönlichen Geschichte des Kenianischen Langstreckenläufers Geoffrey Mutai, welche Voraussetzungen ein Läufer mitbringen muss, um Rekorde zu brechen. Er beschreibt darin sowohl die Schmerzen und Qualen, denen sich die Top-Läufer aussetzen, als auch ihre Motivation. In jedem Fall fasziniert von der Sehnsucht, das Unmögliche zu schaffen.
Grenzgänger
"Ich denke wir könnten das in den nächsten zehn Jahren erleben", meint Lemawork Ketema. Der 29-jährige gebürtige Äthiopier und nunmehrige Österreicher hatte sowohl 2014 als auch 2015 mit einer Strecke von beinahe 80 km den Wings for Life World Run gewonnen. Zwischen 170 und 220 km läuft er pro Woche. Sein Traum: die Teilnahme an den Olympischen Spielen.
Eigenverantwortung
Laufen sei für ihn "ein irrsinniges Erlebnis. Die Psyche und damit das ganze Leben verändern sich." Leider würden das viele nie erfahren. "Es fehlt die Eigenverantwortung. Die Leute schauen sich Sport im Fernsehen an, nehmen aber den Nutzen nicht mit. Sie sitzen weiter auf der Couch, bekommen ihren Arsch nicht hoch, werden krank und gehen dann zum Arzt", kritisiert Schiester. Dabei gehe es ihm gar nicht ums Extreme, sondern um Bewegung im Alltag. "Viele würden ja am liebsten mit dem Auto zum Kühlschrank fahren."
Rad-Träume
Ob Wüstenlauf oder 24 Stunden-Radrennen, warum tun sich Menschen das an, fragen sich viele. „Nun, dafür gibt es viele Gründe. Ein zentrales Motiv ist, sich zu spüren. Nicht nur im Positiven, sondern auch beim Schmerz“, sagt Sportpsychologe Günter Amesberger, Leiter des Fachbereichs Sport- und Bewegungswissenschaft an der Uni Salzburg. Häufig gehe es damit einher, dass Menschen ihren Alltag als zu wenig spannend erleben. „Diese Sensation-Seekers brauchen immer extremere Ziele. Die Grenzen verschieben sich ständig, sodass es immer wieder neue Reize braucht.“
Soziale Netzwerke
Neben dieser Suche nach Abenteuern trägt für Amesberger unsere Gesellschaft einen wesentlichen Teil dazu bei, dass immer mehr Menschen zum Extremen tendieren. „Die Resonanz spielt heutzutage eine große Rolle. Man kann andere an seiner Leistung über soziale Netzwerke teilhaben lassen, holt sich Anerkennung. Die Einsamkeit von Extremsportlern ist damit vorbei.“ Auch die Kontrolle über einen Bereich in seinem Leben zu haben, während man auf so vieles im Alltag keinen Einfluss nehmen kann, sei ein Motiv.
Fehlendes Mittelmaß
Generell würde die Gesellschaft immer extremer werden: „Menschen, die sich gar nicht bewegen und Menschen, die sich zu viel bewegen. Es fehlt das Mittelmaß.“ Der Sportpsychologe warnt, dass ein ständiges Suchen nach dem Kick auch gefährlich werden kann. „Wenn Grenzen überschritten werden, kann dies unter Umständen auch zur Sucht führen.“
Ed Caesar geht in seinem Buch der Frage nach, ob die Marathon-Strecke unter zwei Stunden zu schaffen ist.
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