Rhabarber wird von Januar bis April vorwiegend aus niederländischem oder belgischem Gewächshausanbau angeboten. Die österreichische Produktion beginnt im April ebenfalls mit Glashausware und geht dann mit der Ernte aus dem Freilandanbau weiter.
"Klassisch wird bis Mitte Juni geerntet: Wie bei Spargel kann sich die Pflanze ab Juni erholen und Kraft anlegen, damit sie im folgenden Jahr wieder austreiben kann."
Die rosa Stangen aus dem Ort des Schnees
Die barbarische Wurzel – rheum für Wurzel, barbarus für ausländisch – stammt übrigens aus dem "Ort des Schnees", dem Himalaya-Gebirge, und wurde außerhalb Chinas über die arabische Medizin des Mittelalters sowie die Schule von Salerno bekannt. Vor Jahrhunderten wurden jedoch nicht die aromatischen Stangen gegessen, sondern die unterirdischen Sprossachsen therapeutisch verwertet.
Besonders bekannt sind die beiden Sorten Timperley Early, die in den 1920ern in der Nähe von Manchester erstmals kultiviert wurde, und Holsteiner Blut. Erstere lieben die Briten für ihren delikaten Geschmack sowie das helle Grün mit roten Sprenkeln. Beim Kochen verliert Timperley Early allerdings die Färbung. Anders Holsteiner Blut, die bekannteste rote Rhabarbersorte, die 1918 in Deutschland in den Handel kam. Die dünnen Stiele haben eine ausgeprägte Rippung - das Fruchtfleisch ist grün bis rosa. Diese Sorte bildet allerdings nur wenige Blüten aus.
Feinschmecker kennen die fein-säuerlichen, herben Himbeernoten der rosa Stangen, aber nur wenige wissen, dass Rhabarber-Blüten ähnlich wie Hollerblüten kulinarisch verarbeitet werden können.
Thomas Scheiblhofer, Patissier im vegetarischen Hauben-Restaurant Tian: "Die Textur der Blüten ist sehr interessant: Es handelt sich um richtige, kleine Perlen: Wir haben sie vergangenes Jahr ganz exzessiv eingelegt – man muss sie ja nicht im gleichen Jahr verwerten."
Bei Rhabarber denkt man zuerst an Desserts, allerdings passen sie gut als Vorspeisen: "Weil man die Säure sehr gut kombinieren kann wie mit Spargel oder alternativ zu Stangensellerie."
Laut Scheiblhofer ist der klassische Rührteig auf ein Backblech gestrichen mit Rhabarber-Stückchen obendrauf am einfachsten: "Mein Tipp: Rhabarber kurz anzuckern, nachdem er angeschnitten wurde, dadurch lässt er ein bisschen Wasser. Bei Kuchen oder Tartes würde zu viel Feuchtigkeit den Boden zerstören, auch für eine Eier- oder Creme-Fraiche-Basis sollte der Rhabarber nicht zu feucht sein."
Für Afficionados empfiehlt er eine Rhabarber-Tarte aus bretonischem Mürbteig mit Franchiban oder Marzipan sowie einem Sauerrahmguss: "Das wird so richtig saftig, aber dieses Rezept bleibt geheim."
Genauso leicht wie der Blech-Kuchen gelingt das Rhabarber-Kompott: "Besonders fein schmeckt Zitronenthymian dazu. Im Frühjahr die ersten Triebe abzupfen und mit einer ausgekratzten Vanilleschote ins Kompottglas."
Generell eignet sich Rhabarber gut in Kombination mit Milchprodukten: "Mit Buttermilch kann man herrliche Desserts kreieren: Gerne mache ich ein Sorbet mit Kefirmolke dazu ein French-Toast."
Alles über Oxalsäure
Rhabarber müsste zwar nicht geschält werden, jedoch erleichtern die holzigen Fasern das Einkochen des Gemüses auch nicht besonders. Rhabarber ist mit 460 mg/ 100 g zudem reich an Oxalsäure – viele kennen diese vom Gefühl "pelzige Zähne" nach dem Verzehr zu haben. Schälen und insbesondere Kochen reduziert den Gehalt um 30 bis 87 Prozent, da lösliche Oxalate ins Kochwasser übergehen: Aus diesem Grund sollte das Kochwasser weggeschüttet und nicht verzehrt werden.
Blüten dürfen vernascht werden, nur Blätter sind wirklich tabu.
Mit zunehmendem Alter der Stiele nimmt der Oxalsäuregehalt zu. In Abhängigkeit von Sorte, Wuchsbedingungen und Pflanzenteile können die Werte erheblich schwanken: "Generell enthalten rote Rhabarberstangen weniger Oxalsäure als die grünen Stangen. Die Blätter sollten jedoch nicht gegessen werden. Es gibt auch einige andere Lebensmittel von denen man nicht rechnen würde, dass sie reich an Oxalsäure sind: Spinat, Süßkartoffeln, Rote Rüben, Erdnüsse, Mandeln, Kakao, Weizenkleie, und da kann es schon sein, dass man auf längere Sicht zu viel zu sich nimmt", so Michaela Knieli von der Umweltberatung.
Belegt ist eine tödliche Vergiftung durch Aufnahme von etwa 6 bis 8 g reiner Oxalsäure aus 500 g Sauerampfer – der ebenso zur Familie der Knöterichgewächsen zählt - in Form einer Suppe. Durch übliche Nahrungsmittelmengen werden bei Rhabarber keine Konzentrationen erreicht, die zu Vergiftungssymptomen führen.
Wenn bei normalen Portionsgrößen keine Vergiftungsgefahr besteht, warum dann aufpassen? "Oxalsäure verringert die Bioverfügbarkeit von Mineralstoffen, besonders von Kalzium, Magnesium und Eisen. Es macht also Sinn, immer Milchprodukte zu oxalsäurereichen Lebensmitteln zu essen, weil Kalzium für die Knochengesundheit in allen Altersgruppen wichtig ist. Auch Frauen, die zu Eisenmangel neigen, sollten weniger davon essen. Menschen mit gastrointestinalen Erkrankungen, die Probleme mit der Aufnahme von Fett haben wie bei Morbus Crohn, chronischer Pankreatitis oder Gallenblasenoperation nehmen zu viel Oxalsäure aus der Nahrung auf und können so leichter von Nierensteinen betroffen sein. Kalziumreiche Lebensmittel zum Rhabarber können auch hier das Risiko für Nierensteine senken", so Knieli.
Also gerne eine große Portion Vanillesauce zum Rhabarberkompott genießen.
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