Warum mit Omas Gerichten ganze Lebensgeschichten erzählt werden

Warum mit Omas Gerichten ganze Lebensgeschichten erzählt werden
Kulinarisches Erbe: Videoprojekt zeigt, wie prägend Speisen über Generationen hinweg für die Familiengeschichte sein können.

Marillenknödel. Und zwar aus Erdäpfelteig. Überhäuft von einem Gupf goldbrauner Brösel: Manchmal reicht das, um die Geschichte eines langen Lebens mit Brüchen und Neuanfängen und einer innigen Beziehung zwischen Großmutter und Enkelin auf den Punkt zu bringen. Nur wenige Minuten sind es, die Mona Achache ihre Großmutter Suzanne Achache-Wiznitzer filmt. Bei der Zubereitung von – genau – Marillenknödeln.

Kulinarisches Erbe bewahren

Der Kurzfilm ist Teil eines Projekts, das der Franzose Jonas Parienté ins Leben gerufen hat – „The Grandma’s Project“, also das Großmutter-Projekt. Darin filmen die Enkel, selbst junge Filmemacher, ihre Großmütter beim Zubereiten ihrer typischen Oma-Gerichte.

Mittlerweile wurde die Website grandmasproject.org längst auf Nicht-Profis ausgeweitet. Die einzigen Vorgaben: Das Video darf nur acht Minuten dauern und nur ein Rezept muss zubereitet werden. Erbe, das sich nicht nur über die Generationen hinweg erstreckt, sondern oft über mehrere Länder und mitunter nicht an Dramatik entbehrt.

Frikkadel und Curry

Die Wurzeln der Großmütter liegen in vielen Ländern, die Rezepte erzählen die Lebensgeschichten mit. Sonia Debeaubvais hat als einziges Rezept „Frikkadel“ aus ihrer Heimat Dänemark an ihre Enkelin weitergegeben und die indische Oma Nani kocht für ihre in den USA lebende Enkelin Natasha ein Curry.

"Mamie Yoda" verrät ihrem Enkel Irvin das Rezept für „Lait de poule“, eine Art Eiermilch mit Alkohol. Die Zubereitung wird auch per Stirnkamera festgehalten.

Wiener Erinnerungen

Suzanne Achaches Marillenknödel hingegen sind eine Erinnerung an Wien, wo sie 1929 geboren wurde. Mit sieben Jahren verlor sie ihre Mutter, nach dem Einmarsch der Nazis wurde sie 1938 nach Frankreich verschickt. Vater und Bruder fielen 1942 dem Holocaust zum Opfer. Suzanne konnte dank engagierter Unterstützter in Frankreich Medizin studieren und gründete eine eigene Familie, die vier Kinder, neun Enkel und neun Urenkel umfasst.

Im Video trägt sie eine lange Perlenkette, raucht genüsslich eine Zigarette, während sie über die Cuisine autrichienne sinniert und später beim Anblick der Knödel fast von ihren Erinnerungen überwältigt wird. Das Rezept, das wie alle anderen auf der Website veröffentlicht wird, stammt übrigens aus einem alten österreichischen Kochbuch auf Deutsch, das ganz kurz eingeblendet wird.

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