Shanna Reis: Letztendlich hat er meine Sicht auf die Natur, die Ökosysteme und die Zusammenhänge grundlegend verändert. Als ich mit dem Jagen begonnen habe, habe ich mich wie in zwei Welten gefühlt. Denn zu Hause habe ich das klassische Bild vom Jagen – die Männer unter sich – kennengelernt. Im Kurs für den Jagdschein habe ich junge Leute kennengelernt, die die gleichen Interessen haben wie ich.
Hängt der Imagewandel auch mit den sozialen Medien zusammen?
Definitiv. Früher ist man dem Handwerk nachgegangen und hat die Fotos daheim ins Album geklebt. Mit Bildern erreicht man mehr als mit Text – die Fotos können auch Vorurteile beseitigen und machen uns für die nicht jagende Gesellschaft anfassbarer. Aber Fotos können auch negativ genutzt werden: beispielsweise bei ungünstig fotografierten Jagdtrophäen.
Sollten mehr Frauen jagen?
Frauen sind eine Bereicherung, aber jede Frau soll das für sich selbst entscheiden. Warum Frauen sich für die Jagd entscheiden, hat wie bei Männern unterschiedliche Motive: Es kann sein, dass sie mehr Zeit in der Natur oder mit ihren Hunden verbringen wollen. Es kann auch sein, dass sie wissen wollen, wo ihr Fleisch herkommt. Oder auch weil sie Teil einer Gemeinschaft sein wollen.
Was haben der Weinbau und das Jagen gemeinsam?
In beiden Tätigkeiten ist man stark von der Natur und vom Wetter abhängig – und auch der Erfolg ist davon abhängig, weil man diesen Gewalten ausgeliefert ist. Es ist ein Privileg, das Ökosystem und die Kulturlandschaft mitgestalten zu dürfen.
Warum braucht es die Jagd?
Wenn man von der Grundannahme ausgeht, dass der Mensch so tief in die Natur eingegriffen hat, dass eine Selbstregulierung nicht möglich ist, dann müssen wir durch das Jagen die Biodiversität schützen, damit andere Arten eine Chance haben. Es braucht auch die Jagd, um Tierseuchen oder Wildschäden einzudämmen, aber auch um die Wildtierpopulation zu regulieren, um Auto-Unfälle zu verhindern. Und bei Wildfleisch handelt es sich um ein hochwertiges Lebensmittel.
Da hat sich schon viel getan.
Wildfleisch hat nicht mehr das altbackene Image von einst, aber Wild muss noch über das Feiertags-Menü heraus: Man muss nicht auf den Weihnachtstag warten für Wild – es muss auch nicht immer ein Rindersteak auf dem Griller sein. Unser Konsum hat direkte Auswirkungen: Was unterstützen wir, wenn wir billiges Fleisch aus der Massenindustrie essen? Langfristig nichts Gutes.
Wenn Sie Fleisch essen, dann haben Sie es selbst erlegt?
Genau. Wild, das ich oder mein Freund erlegt haben. Für mich persönlich ist der Konsum von Wild die ethisch vertretbarste und nachhaltigste Form des Fleischkonsums. Mir ist klar, dass dieses Konzept nicht für alle passt.
Ihr Lieblings-Rezept?
Rehrücken auf dem Griller: außen knusprig, innen rosa mit ein wenig Salz und Pfeffer.
Info: Shanna Reis, "Wild im Herzen", Penguin Verlag, 240 Seiten, 17 Euro
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