Indigene Küche: Kochen wie die Sioux

Der „Lakota“ Sean Sherman kochte in der Top-Gastronomie, bevor er die indigene Küche ins Heute holen wollte
Das kulinarische Erbe der Ureinwohner Amerikas ist reich – und passt überraschend gut in unsere Gegenwart. Rezepte von Sean Sherman.

Bison, natürlich. Was sonst sollten die indigenen Völker Nordamerikas auch gegessen haben? Wesentlich mehr, als unsereins glaubt. Und ganz anders als alles, das in den heutigen USA als Essen der amerikanischen Ureinwohner gilt. Mit der traditionellen Ernährung hat das wenig zu tun.

Nicht nur, weil die Weißen die Büffel, eine Nahrungsquelle der in der Prärie lebenden Stämmen, ausrotteten. Das vermeintlich „typische“ indigene Fry Bread – nicht mehr als eine wenig nahrhafte, aber fette, frittierte Weißmehlflade – entstand im 19. Jahrhundert, als die „first nations“ Amerikas zwangsumgesiedelt wurden. Auch Indian Tacos haben da ihre Wurzeln. Diese „frittierten Brote“ werden mit Fleisch, Käse und Saucen belegt. „Alles andere als authentisch“, urteilt Sean Sherman. „Meine Vorfahren aßen nichts davon.“ Was dann? „Sie kultivierten Nutzpflanzen, sammelten wild wachsende Nahrung, gingen auf die Jagd und fischten.“

Hyperlokal und saisonal

Und zwar immer das, was in der jeweiligen Region wuchs. Sie müsste eigentlich ein Lifestyle-Trend sein, so „hyperlokal, hypersaisonal, gesund, ohne Zucker, Weizen und Milchprodukte“ wie diese ursprüngliche Kost gewesen sei. „Mir wurde klar, wie unterrepräsentiert die Küche der Ureinwohner Amerikas in den Vereinigten Staaten heute ist“, erklärt Sherman. Ihr in der Gegenwart einen höheren Stellenwert einzuräumen, ist seit dreißig Jahren sein Lebensinhalt.

Auf der Liste des Time Magazine

Mit Erfolg: Im April wurde Sean Sherman vom Time Magazine auf dessen jährliche Liste der hundert weltweit einflussreichsten Personen weltweit gewählt. 2022 erhielt sein Restaurant „Owamni“ in Minneapolis von der James Beard Foundation die Auszeichnung als „bestes Restaurant der USA“. Dort versucht er, die indigene Küche für die heutige Zeit wieder aufleben zu lassen. Schon 2018 prämierte man sein Buch „The Sioux Chef“ als bestes Kochbuch Amerikas. Dabei kommt der 49-Jährige vom Stamm der Lakota Oglala, einem von sieben Sioux-Stämmen, ursprünglich aus der Top-Gastronomie, leitete mit neunundzwanzig Jahren mehrere Restaurants.

Buch „Der Sioux-Chef. Indigen kochen“

Sean Sherman, Beth Dolley: „Der Sioux-Chef. Indigen kochen“, Kanon Verlag. 232 Seiten. 38 Euro

Burn-Out

Erst ein Burn-out brachte ihn zurück zu seinem „eigenen kulinarischen Erbe“. Den Weg dahin beschreibt er in seinem nun auf Deutsch erschienenen Kochbuch: Ganz auf die indigene Küche habe er sich konzentriert, etwa habe es keine unnützen Kräuter gegeben. Und er beschäftigte sich mit ursprünglichen Zutaten wie der Prärie-Rübe Timpsula und Gerichten daraus. Eine aromatische Sauce namens Wojape, für die sechs Tassen frische Virginische Traubenkirschen mit eineinhalb Tassen Wasser und Ahornsirup langsam dick eingeköchelt wird.

Was die Zubereitung betrifft, gar nicht kompliziert. Wohl aber manche Zutaten. Zum Glück ist der „Sioux-Chef“ kein Dogmatiker, er empfiehlt sogar, regionalen Ersatz aus der eigenen Umgebung zu verwenden. Statt Traubenkirschen etwa heimische Beeren, statt Ahornsirup Honig. Und statt der Zedernart Western Red Cedar zur Aromatisierung mancher Gerichte heimische Nadelhölzer, „um den Geschmack des Waldes in die Speisen zu bringen“.

Zwei Rezepte

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