Erich Stekovics: "Im Seewinkel in 15 Jahren so heiß wie in Indien"
Eigentlich wollten Priska und Erich Stekovics, die bekannten Landwirte aus Frauenkirchen, bis 2024 ihr Fachwissen in Asien weitergeben. Doch daraus wurde nichts. Im Interview mit dem KURIER spricht der ehemalige Religionslehrer über die aktuelle Erntesaison, die hohe Inflationsrate und beschreibt, wie sich der Klimawandel auf seinen Beruf auswirken wird.
KURIER: Wie geht es Ihnen?
Erich Stekovics: Gut.
Es ist ruhiger um Sie geworden: Vor zwei Jahren gaben Sie bekannt, dass Sie in China und der Mongolei beim Aufbau einer Bio-Landwirtschaft und einem Schaugarten helfen wollen. Was ist daraus geworden?
So ruhig ist es nicht: Die Ernte läuft und Betriebsführungen finden statt. Aufgrund von Corona liegen beide Projekte auf Eis, sie haben nie stattgefunden. Wir sind dann nicht hingeflogen, was mir leidtut. Man weiß nicht, wie es weitergeht. So lange die Pandemie-Situation ist, wie sie ist, und in Asien Zero Covid gehandhabt wird, habe ich keine Lust, monatelang in Lockdowns zu leben.
Welche Auswirkungen hatte die Pandemie auf Ihr Leben und Ihren Betrieb?
Wir sind ganz verschont geblieben: Wir hatten in drei Jahren nur drei Corona-Fälle – bei rund 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern außergewöhnlich. Ob es an der Arbeit im Freiland liegt oder daran, dass wir in Hochinzidenzen zweimal wöchentlich im Betrieb getestet haben? Ich kann es nicht beantworten. Insgesamt haben wir davon profitiert, dass die Leute in der Corona-Pandemie noch bewusster eingekauft haben, vor allem im Pflanzenbereich. Die Menschen wollten hinaus: Die Gemüsegärten boomen, die Leute garteln total gerne, das hat sich positiv auf den Betrieb ausgewirkt.
Wie verteilt sich der Umsatz?
Große Umsätze machen wir mit Knoblauch und Zwiebel, weil wir mit einer Handelskette zusammenarbeiten. Und wir verkaufen immer mehr Pflanzen: Der Trend geht weg von Zier- hin zu Obst- und Gemüsepflanzen.
Wie läuft die heurige Paradeiser-Ernte?
Großartig wie noch nie. Das Wetter war trocken und warm – während sich andere Kulturpflanzen mit der Trockenheit schwer tun, sowie die Problematik mit Gießen im Seewinkel hinzugekommen ist, kommen wir im Freiland ohne Gießen durch.
Sie haben immer schon propagiert, Paradeiser wenig bzw. gar nicht zu gießen.
Wir haben dahingehend unser Saatgut selektioniert und unser Saatgut vorbereitet. Ich habe schon vor 20 Jahren gesagt, dass es sehr wichtig ist, mit dem Wasser sorgsam umzugehen. Wir werden in 15 bis 20 Jahren im Seewinkel Bedingungen wie in Indien haben. Wir werden Pflanzen brauchen, die das extreme Klima aushalten.
Paradeiser werden dem Klimawandel standhalten?
Mit Sicherheit, aber nicht nur durch Selektion, sondern weil wir alte Sorten anbauen, die über viele genetische Erbinformationen verfügen. Dass der Klimawandel kommt, wussten wir, aber die negativen Folgen scheinen schneller einzutreten als befürchtet. Die Bewegung ist rasanter geworden, damit haben wir nicht gerechnet. Wir mussten im Betrieb unsere Arbeitszeiten ändern: Wir hören jetzt um 14 Uhr auf. In der Hitze ist es nicht möglich, länger mitten am Feld in der prallen Sonne zu arbeiten.
Wien
ist mit 34 Prozent unter allen Bundesländern der größte Paradeiser-Produzent
Kokosfaser
Ein Großteil der Paradeiser im Handel wächst nicht in der Erde. In großen, beheizbaren Glashäusern wachsen die Pflanzen auf Kokosfaser- oder Steinwollmatten und bekommen über Bewässerungssysteme die Nährstoffe
116,7Kilogramm
verdrückt der Österreicher pro Kopf und Jahr. Damit ist der Paradeiser das beliebteste Gemüse hierzulande
Ursprung
In Venezuela und Chile wachsen die Urformen der Pflanze. Die Maya kultivierten die Frucht 200 v. Chr. bis 700 n. Chr. – Anfang des 16. Jahrhunderts brachte sie Hernán Cortés nach der Eroberung Mexikos erstmals nach Spanien
65 Mio.Tonnen
Paradeiser baut China als weltgrößter Hersteller an – das Mark wird vor allem per Schiff nach Italien transportiert und verarbeitet
Die steirische Landwirtschaftskammer macht auf hohe Produktionskosten beim Anbau von Paradeisern angesichts der Dünger- und Dieselpreise aufmerksam. Wie hart sind die Zeiten?
Wir sehen das differenzierter: Es kommt darauf an, wo und unter welchen Bedingungen Paradeiser angebaut und wann sie produziert werden. Wir sind ein Betrieb, der nur saisonal und im Freiland anbaut, für uns ändert sich nicht wirklich was. Es wird ein politisches Thema werden, falls es heißen sollte, dass wir weniger heizen und Strom sparen sollen, damit Betriebe Pflanzen beleuchten und beheizen können.
Welche Fragen kommen auf uns zu?
Ob wir wirklich unter massivem Einsatz von fossilen Brennstoffen und Energien ganzjährig bestimmte Lebensmittel im Regal haben müssen. Ich bin davon überzeugt, dass das nicht notwendig ist. Ein Thema, das mich sehr bewegt: Nicht wegen der Lebensmittel, haben wir so eine hohe Inflationsrate. Natürlich sind Lebensmittel teurer geworden, aber man muss fragen, welche Lebensmittel teurer geworden sind. Fleisch ist noch immer günstig – die Fleisch-Preise sind überhaupt nicht dramatisch. Wir leben in einem Land, in dem noch immer 30 bis 40 Prozent der Lebensmittel aufgrund von Größen und nicht wegen der Qualität am Feld bleiben, in dem noch immer 20 Prozent der Lebensmittel ungebraucht entsorgt werden. Lebensmittel sind nicht zu teuer, sonst würden wir mit Lebensmitteln anders umgehen. In Wahrheit geben wir nicht mehr als 3 bis 4 Prozent unseres Einkommens für lebensnotwendige Lebensmittel wie Brot, Milch oder Butter aus. Ich sehe die Einsparungsmittel ganz woanders: Wir sollten nichts wegschmeißen und die Ernte auf den Markt bringen, dann hätten wir keine Inflation bei Lebensmitteln. Wenn wir regional und Energie-unabhängig produzieren würden, dann würde das unsere Lebensmittel auch nicht teurer machen.
Sie haben 2016 Alexander van der Bellen für die Bundespräsidenten-Wahl unterstützt, jetzt erneut. Warum?
Ganz pragmatisch: Er hat in wirklich schwierigen Zeiten ganz oben für Ruhe gesorgt, er hat dafür gesorgt, dass in turbulent politischen Zeiten nichts eskaliert ist. Er hat für mich überparteilich gehandelt. Ich mag ihn als Menschen, er hat uns ein paar Mal im Betrieb besucht. Unabhängig davon ob Handwerker oder Amt des Bundespräsidenten unterstütze ich gerne Menschen, die ich persönlich mag.
Sie sind heuer 56 Jahre alt geworden: Wie schaut es denn mit dem Pensionsantritt aus?
Ja, wir denken darüber nach und sind dabei, die Firma in neue Wege zu leiten, etwa durch eine Art Geschäftsführung.
Sie haben als Zivildiener Krebspatienten zu Ihrer Chemotherapie gefahren, die Ihnen erzählt haben, was Sie machen würden, wenn Sie mehr Zeit hätten. Was steht auf Ihrer Liste?
Wir reisen wahnsinnig gerne: Früher haben wir das in der Zeit der Wintermonate gemacht, aber in den vergangenen Jahren hatten wir Lockdowns: Was mich reizen würde wäre Chile. Gerne sind wir in Italien. Kulinarisch hat es uns in China am allerbesten gefällt: Ich habe noch nie ein Land erlebt, das so eine großartige Küche und eine kulinarische Vielfalt hat.
Wie werden Paradeiser in China gegessen?
Für Paradeiser gibt es kein eigenes Wort: Sie werden rote Litschi genannt. Chinesen reichen Paradeiser nur als Nachtisch, sie liegen bei Obst neben den Bananen. Botanisch gesehen sind Paradeiser eben Obst.
Geboren
am 7. Mai 1966 in Frauenkirchen. Seine Eltern flohen Ende des Zweiten Weltkrieges von Serbien nach Österreich. 1999 übernahm der Theologe die Gemüsezucht seines Vaters
Alte Sorten
Bekanntheit erlangte der Bio-Landwirt mit dem Anbau von alten Sorten. Er arbeitet mit 3.400 Sorten, 7.000 befinden sich im Archiv. Die Gelbe Johannisbeere ist seine Lieblingssorte
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