Der Musiker, der die Nazis besiegte
In diesen Tagen kommt Eric Sanders öfters am Theater an der Wien vorbei. Dabei spürt er dieses Gefühl, das er als Mischung aus Trauer, Wut und Enttäuschung beschreibt: "Ich habe Hitler nicht so sehr gehasst, weil ich aus meiner Heimat rausgeworfen wurde. Ich habe ihn mehr dafür gehasst, weil er mir die Musik geraubt hat."
12. 12. 1919
Dann beschreibt der leidenschaftliche Musiker die wahrscheinlich größte Zäsur in seinem Leben: "Ich sollte für ein Stück am Theater an der Wien die Musik komponieren." Alles ist schon ausgemacht, ein neuer Komet scheint am Wiener Künstlerhimmel aufzugehen. "Doch das haben dann die Nazis nicht zugelassen."
So wie die minderjährigen, unbegleiteten Flüchtlinge heute muss er als 18-Jähriger sein vertrautes Wien fluchtartig verlassen. In London wird aus Erich zunächst einmal ein Eric. Obwohl er recht passabel Englisch spricht, ist das Ankommen für ihn ein Horror: "Meine Tante trug mir auf, dass ich dem conductor im Bus den Namen der Ausstiegsstelle nennen sollte. He will drop you off. Ich verstand damals nicht, warum mich der Schaffner aus dem Autobus fallen lassen würde."
Immerhin schaffen auch seine Mutter und später sein Vater die Flucht nach England. Außerdem darf er in London eine Handelsschule besuchen. Was den Zeitzeugen zu folgender Feststellung veranlasst: "Die Flüchtlinge heute sind viel schlechter dran als ich damals."
Und dann erinnert sich Eric Sanders: "Eines der ersten Lieder, die ich in London komponiert habe, war über die Stadt Wien." Er spricht in diesem Zusammenhang von "geografischem" Heimweh: "Mit manchen Menschen in Wien ist mir die Versöhnung nie mehr gelungen." Etwa mit jener Hietzinger Nachbarsfamilie, die ihn nach dem Krieg kalt auslacht, als er fragt, wo das Fahrrad seines Cousins geblieben ist.
Ein Feigling und Held
Bald nach dem ersten deutschen Luftangriff auf London meldet sich Eric Sanders bei der British Army, und zwar aus tiefer Überzeugung: "Ich wollte etwas gegen Hitler tun. Ich glaube auch, dass ich so etwas wie Hass in mir verspürte." Seine Emotion ist zunächst größer als die Erfahrung: "Als Bub war ich ein Feigling. Bis zur zweiten Klasse habe ich nicht zurückgehaut."
Nicht nur Feiglinge haben im Krieg Angst: "Ich erinnere mich, dass wir im französischen Rennes festsaßen und die deutschen Panzer immer näher auf uns zukamen." Über die Angst in den Gesichtern der Soldaten macht sich die Zivilbevölkerung lustig: "Seht mal, diese Engländer. Sind gekommen, um uns zu retten. Und im Bett sind sie auch nicht gut."
BUCHTIPP: Sanders-Biografie: Emigration ins Leben, im Czernin-Verlag erschienen, 24,80 €.
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