Ephesos: Seltene Statuette entdeckt

Die Statuette ist aus Elfenbein und war ein Weihegeschenk an die Götter
Im Artemision in Ephesos wird wieder gegraben – mit Erfolg.

Es ist heiß, wie immer im Sommer in der Türkei. Wir schreiben den 20. August 2014, und Archäologen wühlen sich durch den einstmals heiligen Boden des Artemisions, des größten Tempel der Antike in Ephesos – immerhin eines der sieben Weltwunder.

Eigentlich wollen die Forscher endlich klären, wie groß das Artemision tatsächlich war und suchen nach seinem östlichen Ende. Doch dann blitzt in einer Schicht aus dem frühen 6. Jh. v. Chr. etwas Metallenes in der Sonne auf – ein Stück Elektrum (eine Legierung aus Gold und Silber). Und daneben liegt der Torso einer kleinen, überaus seltenen Statue, deren Entdeckung das Österreichische Archäologische Institut (ÖAI) jetzt bekannt gegeben hat.

Weihegeschenk

Ephesos: Seltene Statuette entdeckt
Ephesos
"Die Statuette war ob des Schmutzes gar nicht so leicht zu sehen", erzählt der Archäologe Michael Kerschner, Leiter der Grabung im Artemision. Schade wäre es gewesen, wäre sie unentdeckt geblieben, ist sie doch aus Elfenbein, zeigt die "Herrin der Tiere", die schon Homer in seiner Ilias nennt, und erzählt dem Kenner so einiges.

Ihr Zweck: Sie war ein Weihegeschenk. Das Artemision war eine der wichtigsten Pilgerstätten, sagt Kerschner. Und es dürfte dort nicht viel anders zugegangen sein, wie in Lourdes oder Mariazell: Man opferte der Göttin und deponierte Wünsche. Die Wissenschaftler haben herausgefunden, dass die Statue aus einem Flußpferd-Zahn geschnitzt worden ist. "Das war ein prestigeträchtiges Weihegeschenk, das sich nicht jeder leisten konnte." Kerschner tippt daher auf einen reichen Händler, einen königlichen Pilger oder vielleicht sogar jemanden aus dem Umfeld eines Pharao. Denn der Zahn stammt aus Afrika.

Spielwiese österreichischer Archäologen

Das antike Ephesos ist seit mehr als 100 Jahren Spielwiese der österreichischen Archäologie. Nach 20-jähriger Grabungspause bemühen sich die Wissenschaftler des ÖAI jetzt wieder mehr über das Artemision herauszufinden. Das Areal war nicht nur ein Tempel, sondern hatte stadtähnlichen Charakter. Von überall her kamen Menschen, um der Göttin zu opfern. Besonders üppig muss man sich auch die Kult-Feste vorstellen: Da wurden zu Ehren der Artemis Tiere geschlachtet und Gelage abgehalten. Kult-Geschirr und Tierknochen zeugen von oft mehrtägigen Festivitäten.

Ephesos: Seltene Statuette entdeckt
Ephesos
Das Artemision war außerdem Wirtschaftszentrum und die erste Bank der Welt. Angeblich haben Seeräuber ihre Beute – gegen Beleg – dort deponiert; Anleihen, Kredite und risikoreiche Investitionen wurden vergeben. Und Arsinoe, die Pharaonen-Tocher, wurde auf Befehl ihrer machtbesessenen, berühmten Schwester Cleopatra im Heiligtum ermordet – ein Frevel.

Viel ist vom einstigen größten Tempel der Antike nicht mehr vorhanden: Die Steine wurden in der nahe gelegenen Stadt Selcuk recycelt. Die kleine, neu entdeckte Statue verschwand aber schon viel früher unter der Erde. Als die alten Griechen den Vorgängerbau des späteren Weltwunder-Tempels abrissen, wurden bewusst Weihe-Geschenke in Boden deponiert. "Alles was einmal der Gottheit geschenkt worden war, war ihr Besitz und durfte nicht mehr entfernt werden", sagt Kerschner. "Eigentlich müsste dort also noch mehr liegen."

Heiligtum

Der Tempel der Artemis von Ephesos in der Türkei ist eine der bedeutendsten antiken Kultstätten. Das Artemision, der Haupttempel, gehörte zu den sieben Weltwundern: Es wurde nach 356 v. Chr. errichtet, nachdem ein älterer Tempel bei einem Brand zerstört worden war. Bis zum 3. Jh. n. Chr. florierte der heidnische Kultbetrieb. In der Spätantike wurde der Tempel zu einer Kirche umfunktioniert.

Herrin

Artemis ist Herrin über Kosmos, Natur und Tiere, aber auch Fruchtbarkeitsgöttin und Helferin bei Schwangerschaft und Geburt.

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