Eislady über ihre neue Liebe in Haft: "Er ist ein Psychopath"

Eislady über ihre neue Liebe in Haft: "Er ist ein Psychopath"
Die Doppelmörderin Estibaliz Carranza hat sich wieder verliebt – in einen Mithäftling. Ein neues Buch verrät, wie es dazu kam und lässt tief in ihre Seele blicken.

Ohne meine Marke Eislady wäre es, als gäbe es mich nicht mehr. Estibaliz Carranza (40) will nicht vergessen werden. Sie will noch Jahre nach ihrem Urteil die Mörderin auf den Titelblättern der Zeitungen sein. Es gibt mir Kraft. Es macht mich stolz. Jahre, nachdem sie zwei Männer, mit denen sie zusammen war, erschossen, zerstückelt und im Keller unter ihrem Eissalon einbetoniert hat. Boulevardzeitungen haben ihr dafür den Namen „Eislady“ gegeben. Als sie verhaftet wurde, war sie in einer neuen Beziehung – und schwanger. Den Kindsvater hat sie in Haft geheiratet und will sich jetzt wieder scheiden lassen.

Der Autor und Verleger Bernhard Salomon besuchte die Doppelmörderin vier Jahre lang im Gefängnis, dokumentierte mehr als 100 Gespräche und lässt im Buch „Zelle 14“ (edition-a) tief in ihre Seele, aber auch in den Alltag in einer geschlossenen Anstalt blicken – beim Lesen taucht man in die Gedankenwelt der Verbrecherin ein:

Das Urteil lautete lebenslänglich und Maßnahmenvollzug für zurechnungsfähige geistig abnorme Rechtsbrecher. … Das bedeutet lebenslänglich plus Psychoknast so lange sie wollen. ... Es ist das härteste Urteil nach der Todesstrafe, das du auf dieser Welt bekommen kannst.

In Medien wurde ihre Attraktivität immer wieder thematisiert. Darauf achtet sie auch in Haft: „Sie ist extrem gepflegt, immer gut angezogen, sie hält sich fit und hat immer perfekt lackierte Nägel“, erzählt Salomon. Bei den Begegnungen mit ihr kam aber „nichts Zwischenmenschliches rüber. Narzisstische Menschen arbeiten mit Illusionen, sie schieben Kulissen vor sich her. Dahinter verkümmern die Gefühle, die Empathiefähigkeit, eigentlich alles Menschliche.“ Gerichtspsychiatern zufolge können solche Menschen zwar kein Schuldbewusstsein lernen – aber sie können lernen, solche Taten nicht zu begehen, weil sie verstehen, dass sie sich damit selbst schaden.

Kurier Talk: Bernhard Salomon über Estibaliz C. 1

Alle Menschen sind Mörder. Bloß haben manche noch nicht zu morden angefangen und die meisten tun es nie. Es bedeutet nichts, wenn jemand unbescholten ist. Ich war auch einmal unbescholten, dann habe ich zwei Männer umgebracht.

Carranza bezieht sich mit solchen extremen Aussagen auf ihre dunkle Seite, die in jedem Menschen schlummern soll, erklärt Salomon. „Sie sagt damit, dass wir durch die Kultur, in der wir leben und durch unsere gesellschaftlichen und genetischen Prägungen das niemals ausleben würden. Sie sagt, wenn es keine Gesetze gäbe und niemand mit Konsequenzen rechnen müsste, würden viele Menschen dazu neigen, auch Morde zu begehen.“

Fanpost im Gefängnis

Mörder haben Fans. Sie schicken Fotos und Bastelarbeiten. Sie schwören Dinge. Liebe. Je grausamer seine Tat, desto mehr Fans hat der Täter. .... Du hast dir nichts gefallen lassen. Zwei Männer. Du hast es ihnen gezeigt. Du bist eine starke Frau. Du lässt dich nicht unterkriegen. … Keine Frau muss sich etwas gefallen lassen. Außer sie tötet. Dann ist sie ausgeliefert.

Einer dieser Fans hat Carranza sogar regelmäßig Geld überwiesen, damit sie mit ihrem Sohn in Spanien telefonieren kann. Er hat die Besuche des Kindes im Gefängnis organisiert. Bis heute denkt ihr inzwischen sechsjähriger Sohn, dass er seine Mutter im Krankenhaus besucht.

Dass Mörder bei bestimmten Menschen starke Gefühle auslösen, ist laut Salomon aber nicht neu: „Auch Fritzl bekommt Liebesbriefe, Geschenke, sogar Unterwäsche. Je grausamer und aufsehenerregender die Verbrechen waren, desto leidenschaftlicher sind die Liebesschwüre.“ Statt mit Fans zu flirten, hat sich Carranza inzwischen aber in einen Mithäftling verliebt, Martin.

Kurier Talk: Bernhard Salomon über Estibaliz C. 2

Weder die Psychologen noch die Pfleger oder die Beamten hier würden jemals zulassen, dass zwei Häftlinge unterschiedlichen Geschlechts einander lieben. Bei Häftlingen gleichen Geschlechts ist das anders.

„Männer und Frauen begegnen sich praktisch in allen Gefängnissen auf den Gängen, in der Küche, beim Arbeiten. Da entstehen immer wieder Beziehungen, aber meistens basieren sie darauf, dass sie einander Briefe schreiben“, erklärt Salomon. Im Forensischen Zentrum Asten (Oberösterreich) ist die Frauenabteilung allerdings neu – Carranza war eine der ersten Frauen, die 2017 dort untergebracht wurden. Da gab es noch wenig Erfahrungswerte. „Dazu kommt, dass beide hochintelligent sind und eine gewisse kriminelle Energie entwickeln können. Sie haben kein Problem damit, Systeme zu unterwandern.“ So gibt es neben dem Sportraum eine Kammer, in der keine Kameras sind – den beiden ist es gelungen, sich dort so zurückzuziehen, um sogar intim zu werden.

Laut bisherigen Gutachten hat Martin eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit Borderline-Syndrom und Narzissmus. Demnach ist er gewaltbereit. Seine kriminelle Energie ist besonders hoch. Er ist ein pathologischer Lügner. … Außerdem ist Martin, anders als ich, als Psychopath eingestuft. ... Martin bringt das Dunkle in mir zum Klingen. Das ist gut so. Es ist Zeit für mich, dem zu begegnen.

Sagt die Eislady.

Als die Beziehung aufflog, wurde das Paar aus Sicherheitsgründen getrennt. Carranza wurde isoliert, der Umgang mit Vertrauten – auch mit Salomon – wurde ihr verboten. Martin ist jetzt in einer anderen Anstalt untergebracht – Kontakt hat das Paar nur über geheime Wege.

Heiratsantrag

Selbst wenn sie uns voneinander entfernen. Reden wir weiter miteinander. Wie Sterne mit Sternen.

Martin soll Estibaliz Carranza vor der Zwangstrennung einen Heiratsantrag gemacht haben – beide tragen schwarze Verlobungsringe. Zwar sieht das Gesetz vor, dass man Häftlinge von Kontakten, die ihnen potenziell schaden, fernhalten darf. „Das darf man aber nicht mehr, wenn sie verheiratet sind. Ob sie dann Langzeitbesuche haben oder sogar eine Nacht in der sogenannten Kuschelzelle verbringen dürfen, lassen die beiden gerade prüfen.“

Wir können es schaffen, sage ich zu ihm. Wir können ein normales Leben führen. Schließlich sind wir beide nicht als Verbrecher geboren.

Der Buchautor glaubt nicht, dass das Paar von einem gemeinsamen Leben in Freiheit träumt. Beide sind sich der Risiken bewusst: Er müsste damit rechnen, dass sie ihn jederzeit wegen Sachzwängen wie Geld oder Karriere verlassen könnte. „Sie müsste damit rechnen, dass er, der Borderliner, sie an einem Tag als seine Königin bezeichnet und am nächsten Tag als Hure beschimpft.“ Im Zentrum Asten waren die beiden aber offenbar die Stars unter den Häftlingen – „wie der Klassenprimus und das schönste Mädchen.“

Ich lese Frauenzeitschriften. Schönheitstipps. Ich könnte welche geben, die ohne Schönheitsindustrie wirken und billig sind. Ich könnte auch Kochrezepte liefern. Wie du deinen Mann mit einfachen Mitteln glücklich machst. Bei Martin haben sie gewirkt. ... Beziehungstipps von einer Frau wie mir, die ihre Beziehungsprobleme zweimal mit Kopfschüssen gelöst hat, fallen wohl eher unter schwarzen Humor.

Estibaliz kann einem in sehr unterschiedlichen Rollen begegnen – was jetzt nicht unbedingt krankhaft ist, das ist bei vielen Menschen so“, sagt Salomon. Deshalb hat er sich dafür entschieden, im Buch lyrische Elemente von ihr einfließen zu lassen, Elemente eines Ratgebers, eines politischen Thesenbuches und eines Kriminalromans. „Und eben auch ihre Rezepte und Schönheitstipps.“

Abgrund

Zum Schutz davor, selbst nicht in den Abgrund zu stürzen, in den er blickt, hat Salomon sich eine Strategie zurecht gelegt: „Extrem authentisch sein, sich auf echte Freundschaften konzentrieren.“ Und er hat dem Paar von Anfang an – und immer wieder – klar gemacht, dass er nicht ihr Freund ist.

Acht Jahre nach meinen Taten bin ich auf dem Titelblatt. … Die Marke Eislady. Sie ist auch ein Wert. Durch sie bin ich nicht nur irgendeine Mörderin. Ohne meine Familie und ohne meine Marke wäre es, als gäbe es mich nicht mehr. Niemand mehr würde mich wahrnehmen. Und es geht doch für alle Menschen darum. Wahrgenommen zu werden. … Die Mörderin auf dem Titelblatt zu sein. Dann ist dir das lieber als nichts. Und irgendwann gibst du alles dafür.

Carranza ist bewusst, dass sie sich mit ihrer Medienpräsenz und ihren Regelverstößen schadet, glaubt Salomon. „Ihr wäre aber lieber, wenn ihr jemand sagt, du kommst hier nie wieder raus, als die jetzige Situation, wo sie sagen: Du musst das und jenes tun und dann kommst du vielleicht einmal raus.“ Sie könnte sich an die Regeln halten und hoffen, dass sie irgendwann entlassen wird – dann müsste sie aber mit dem Risiko leben, alt zu werden, ohne noch einmal geliebt zu haben.

Ich denke nicht darüber nach, ob unsere Beziehung eine Zukunft hätte. Ich weiß ja nicht einmal, ob ich selbst eine Zukunft habe. Ich lebe heute. Ich liebe jetzt.

Eislady über ihre neue Liebe in Haft: "Er ist ein Psychopath"

Buchtipp: „Zelle 14“, Bernhard Salomon, edition a, 221 Seiten, € 22,-

Der Fall der Eislady

27. April 2008 Estibaliz Carranza schießt in ihrer Wohnung ihrem Ex-Mann Holger Holz von hinten in den Kopf.  Sie kauft eine Kettensäge, zerteilt den Toten und friert ihn ein. Im Herbst betoniert sie die Leichenteile in einer Wanne ein und lagert sie in einem Keller unter ihrem Eissalon „Schleckeria“ in Wien-Meidling. Motiv: Er wollte nicht aus der Wohnung ausziehen.
 
21./22. Nov. 2010 Als Carranzas neuer Lebensgefährte Manfred Hinterberger schläft, tötet sie ihn mit vier Schüssen  in den Hinterkopf. Sie betoniert die zerteilte Leiche ebenfalls in Wannen. Motiv: Seine wiederholte Untreue.

6. Juni 2011 Ein Mieter des Hauses muss im Keller Installationsarbeiten durchführen. In einem Abteil entdeckt er die mit Beton gefüllten Wannen und verständigt die Polizei. Diese entdeckt die Leichenteile, die als Überreste von Hinterberger und Holz identifiziert werden.

7. Juni Carranza hört in ihrem Eissalon zufällig, wie der Entdecker der Leichen davon spricht,
er hätte „den Manfred“ gefunden. Sie flüchtet nach Udine.

8. Juni Sie kommt bei einem Straßenkünstler unter. Ihm fällt ihr Interesse an dem Kellerleichen-Fall auf. Er verständigt die Polizei.

10. Juni Italienische Polizisten verhaften Carranza in Udine. Sie wird in ein Krankenhaus gebracht, weil sie im 2. Monat schwanger ist. Der Vater soll ein neuer Lebensgefährte namens Roland R. sein.

24. Juni Sie wird  an Österreich ausgeliefert. Davor gesteht sie den italienischen Behörden die Morde.

11. Jänner 2012 Carranza bringt in einem Wiener Krankenhaus einen Buben zur Welt. Nach der Geburt wird das Baby seinem Vater Roland R. übergeben. Letztlich kommt das Kind nach Barcelona zu den Eltern von Carranza.

29. März Sie heiratet Roland R.

22. Nov. Carranza wird in Wien wegen Doppelmordes zu lebenslanger Haft verurteilt und in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen.
 
25. Aug. 2018 Carranza will sich von Roland R. scheiden lassen, Termin soll der 20. Sept. sein.

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