Virales Posting wirft Frage auf: Sind Avocados eigentlich vegan?

Die Avocado bekam im vergangenen Jahr ihr Fett weg.
In sozialen Netzwerken kursiert ein Video, in dem behauptet wird, Avocados seien nicht vegan. Kann das sein?

Das Internet gibt auf viele Fragen Antworten – doch es wirft auch neue auf. Ob Avocados vegan sind, beispielsweise.

Was bisher als gesichertes Wissen galt, stellt ein Video, das sich derzeit im Netz verbreitet, infrage. Konkret handelt es sich dabei um einen Ausschnitt aus der BBC-Comedy-Quizshow "QI". In dem Clip wird die Frage gestellt, ob Avocados, Mandeln, Melonen, Kiwis oder Butternusskürbisse für Veganer geeignet sind. Die Antwort – laut "QI": nein.

Faktor: Bienen

Die Argumentation dahinter: Der kommerzielle Anbau dieser Gemüsesorten erfordert – zumindest in einigen Teilen der Welt – häufig eine wandernde Bienenzucht. In Kalifornien gibt es etwa nicht genügend Bienen oder andere bestäubende Insekten, um die riesigen Mandelplantagen zu befruchten. Bienenstöcke werden deshalb auf großen Lastwägen von Farm zu Farm transportiert. So kann es passieren, dass der Bienenstock von Mandelplantagen in einem Teil der USA zu fernen Avocadoanbaugebieten und noch ferneren Sonnenblumenfeldern gebracht wird.

Hier kommen Veganer ins Spiel: Sie verzichten bekanntlich auf tierische Produkte. Wer streng vegan lebt, isst auch keinen Honig, um die Ausbeutung der Bienen nicht zu unterstützen. Führt man diesem dem Ernährungsverhalten zugrunde liegenden Gedanken weiter, würde das bedeuten, dass Veganer auch Avocados und Mandeln meiden sollten, da bei deren Produktion Bienen ausgebeutet werden.

Doch ist diese Begründung schlüssig?

Dominic Wilkinson, Ethiker, Philosoph und Professor an der University of Oxford, schreibt in einem Artikel für die Plattform The Conversation dazu:

"Die Offenbarung, dass Avocados möglicherweise nicht 'Veganer-freundlich' sind, könnte die ethischen Argumente hinter Veganismus ad absurdum führen. Einige Leute könnten darauf hinweisen und behaupten, dass all jene, die vegan sind, aber trotzdem Avocados (oder Mandeln und dergleichen) konsumieren, Heuchler sind. Alternativ könnte es dazu führen, dass manche Menschen die Hände über dem Kopf zusammenschlagen, weil es unmöglich ist, sich vollkommen vegan zu ernähren, und aufgeben."

Letzteren, also entmutigten Veganern, empfiehlt Wilkinson zu bedenken, dass entsprechende Gemüse- oder Obstsorten nur dann ein Problem darstellen, wenn sie aus kommerziellem Massenanbau stammen, der sich die erwähnte wandernde Bienenzucht zunutze macht. Und der britische Ethik-Experte weiter: "In Ländern wie Großbritannien ist diese Praxis (soweit ich das beurteilen kann) immer noch ungewöhnlich."

Einen Butternusskürbis aus der Region zu beziehen, wäre daher wahrscheinlich in Ordnung, während Avocados und Mandeln (einschließlich Mandelmilch) aus Kalifornien ein Problem darstellen.

Definition: Tierleid

Auch die Leidensfähigkeit von Bienen, und Insekten generell, sei in die Debatte miteinzubeziehen: "Kommerzielle Bienenzucht kann Bienen verletzen oder töten. Der Transport von Bienen zur Bestäubung von Nutzpflanzen scheint sich negativ auf ihre Gesundheit und Lebensdauer auszuwirken. Aber manche werden sich fragen, ob Bienen in der Lage sind, auf die gleiche Weise zu leiden wie Tiere, während andere sich fragen könnten, ob Bienen sich ihrer selbst bewusst sind – ob sie den Wunsch haben, weiterzuleben. Tun sie dies nicht, wie einige Philosophen argumentieren, werden sie durch den Tod nicht geschädigt."

Frage der Motivation

Schlussendlich hänge die Antwort auf die Frage, ob wandernde Imkerei für Veganer ein Problem darstellt oder nicht, von der eigenen Motivation, vegan zu sein, ab.

Geht es dabei darum, unmoralisches Handeln zu vermeiden oder Tieren das Recht auf Leben zuzusprechen, könnte dies den Konsum von Avocados tatsächlich ausschließen. Ähnliches gilt für die Überzeugung, tierisches Leid und die Umweltauswirkungen der Lebensmittelproduktion verringern zu wollen.

Andere Veganer verfolgen mit ihrer Ernährungsweise das Ziel, in ausreichendem Maß auf tierische Produkte zu verzichten und so viel Aufwand wie möglich zu betreiben, um den ernährungsbedingten Schaden zu verringern. "Für manche Menschen bedeutet das, sich gegen kalifornische Avocados zu entscheiden, andere finden ihre persönliche ethische Ausgewogenheit möglicherweise an einem anderen Punkt", schreibt Dominic Wilkinson.

Viel wichtiger als die Debatte über vegane Avocados sei, "all diesen Varianten Raum zu geben, damit möglichst viele Menschen einen nachhaltigen Lebensstil annehmen und diesen auch aufrechterhalten können".

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