Dr. Sommer und Co.: So wurden KURIER-Redakteure aufgeklärt

Die Geschichte von den Bienen und Blumen ist eine beliebte Metapher, wenn es um sexuelle Aufklärung geht.
Die Möglichkeiten, sich über Sexualität zu informieren, haben sich im Laufe der Zeit verändert.

Johannes Arends, 24: Ich muss etwa sieben Jahre alt gewesen sein, als ich zu Besuch bei einem Freund war und sein drei Jahre älterer Bruder uns beiden stolz eröffnete, wie Kinder entstehen. Sagen wir mal, seine Wortwahl war nicht gerade wissenschaftlich geprägt – und er verwendete ein Synonym für das Wort „Sex“, das ich hier um meiner beruflichen Zukunft willen nicht niederschreiben werde. Zuhause war meine große Schwester, sie ist zehn Jahre älter als ich, mit ein paar Freunden im Garten. Selbstbewusst schritt ich auf die Gruppe zu und konfrontierte sie mit meinem neu gewonnenen Vokabular: „Na, geht ihr nachher noch f...?“ Die Burschen in der Runde brachen in schallendes Gelächter aus, meine Schwester war zunächst baff, dann erklärte sie mir ruhig und sachlich, wie das alles genau funktioniert. Ein paar Jahre später las ich dann vieles auf Wikipedia nach. Sexualkunde unterrichten zu müssen, war für meine Biologielehrerin nämlich sichtlich eine Qual, mit meinen Eltern ausführlich darüber zu sprechen war hingegen eher mir unangenehm als ihnen.

Dr. Sommer und Co.: So wurden KURIER-Redakteure aufgeklärt

Elias Natmessnig, 38: Wie viele in meiner Generation wurde ich von Dr. Sommer aufgeklärt. Der hieß in Wirklichkeit gar nicht so, sondern war eine Kunstfigur der Zeitschrift Bravo –  dem Leitmedium der  Prä-Pubertierenden in der Prä-Internet-Ära. Jeden Donnerstag kratzte  einer aus der Bubenbande sein Taschengeld zusammen, um in der Trafik die neueste Bravo zu kaufen. „Eine Bravo, bitte“, sagte man, hoffend, dass man dabei nicht knallrot anrennt, in ständiger Furcht, von der Verkäuferin auf die Aufklärungsseiten angesprochen zu werden. Am Pausenhof  interessierte uns coolen Erstklässler  natürlich offiziell immer nur die neueste Guns N’ Roses oder Toten Hosen Geschichte. Per Zufall schlug dann halt doch immer einer die „Liebe, Sex und Zärtlichkeit“-Seite auf, wo Dr. Sommer Leserbriefe wie „Hilfe, mein Penis steht  schief weg“ oder „Kann man ein Kondom zweimal benutzen?“ beantwortete. Wir machten uns natürlich immer  über die blöden Fragen lustig, nur um insgeheim froh zu sein, dass jemand sie für uns beantwortete. Aber das hätten wir nie zugegeben

Dr. Sommer und Co.: So wurden KURIER-Redakteure aufgeklärt

Elias Natmessnig

Gabriele Kuhn, 58: „Das Kind  ist ein Bücherwurm“, erzählte meine Mutter gerne über mich. Manchmal las ich ihr vor, während sie in der Küche stand und im Kochtopf rührte, etwa die dramatische Geschichte einer Amerikanerin mit Lepra.  Eines Tages, ich war knapp 10  Jahre alt, drückte sie mir ein Buch in die Hand. Der Titel, in Lateinschrift geschrieben: „Woher kommen die kleinen Buben und Mädchen?“ Dazu meinte sie nur: „Das brauchst du mir nicht vorzulesen, das liest du bitte alleine.“ Aus ihrer Sicht stand darin alles, was ein Kind der 1960er-Jahre über Sexualität wissen musste.  Mehr war da nicht. Ich las das Buch – oft, ganz alleine. Den Rest erfuhr ich aus Bravo. Einen  einzigen Rat gab mir meine Mutter mit auf meinen Weg ins Liebesleben: Leb dich aus, bevor du heiratest.  Danke, Mama! P.S. Das Buch ist im Jahr 1961 erstmals erschienen, galt zu seiner Zeit als  „ausgesprochen progressiv“  und wurde als Aufklärungsklassiker in neun Sprachen übersetzt. Bis zur 20. Auflage, 1996, wurden über 800.000 Exemplare verkauft. 

Dr. Sommer und Co.: So wurden KURIER-Redakteure aufgeklärt

Gabriele Kuhn

Kommentare