Aufklärung: So reden Sie mit Ihrem Kind über Sex

Die Gespräche über Sex beginnen im Kleinkindalter und gehen bis zu Pubertät weiter. Immer anders.
Eltern sollten das Thema nicht Schule und Internet überlassen. Wie redet man mit seinem Kind, dass es nicht peinlich ist?

Mitten im Abendessen mit drei Kindern stellt plötzlich der Achtjährige die Frage aller Fragen: "Mama, was machen Erwachsene eigentlich beim Sex?" Sein Freund habe ihm erklärt, dass der Mann seinen Penis in die Scheide der Frau steckt. Der weiß es von seinem Bruder. "Aber stimmt das wirklich?"

Manche Eltern erstarren bei dem Gedanken, dass Kinder über Sex reden wollen. Obwohl es noch zu früh ist – für Mama und Papa.

Spätestens in der vierten Klasse Volksschule steht das Thema auf dem Stundenplan. Lehrer oder externe Referenten erklären den Kindern die (Beziehungs)Welt. Der Verein Teenstar und seine extrem konservativen Inhalte sorgten dabei für Aufruhr. Vergangene Woche erklärte Bildungsminister Heinz Faßmann daher, dass alle Aufklärungs-Vereine künftig im Ministerium zugelassen werden müssen.

Der Aufklärungsworkshop in der Schule brachte für den Sohn von Yvonne Skala keine Überrraschung, erzählt die zweifache Mutter: "Die einzige Neuigkeit für ihn war die Unwissenheit und Gschamigkeit vieler anderer Kinder." Skala erzählt von Eltern, die erschüttert waren, dass die Schule ihnen die Aufklärung abnehmen will: "Da habe ich ihnen geraten, ihre Kinder eben zeitgerecht davor nach ihren eigenen Vorstellungen aufzuklären.“

Aber wie redet man mit seinem Kind, ohne dass es für alle peinlich ist? Der KURIER hat sechs Tipps zusammengestellt:

Machen Sie sich zuerst Gedanken über Ihren eigenen Umgang mit Sex.

Jede Familien hat einen anderen Umgang: Wieviel Nacktheit gibt es bei uns Zuhause? Wie nennen wir die Geschlechtsteile? In Familien hält sich oft ein Wort aus der Kindheit und das Thema ist allen peinlich. In den sozialen Medien wurde jetzt das Wort "Schamlippen" hinterfragt – warum soll man sich für die Vagina schämen? Unter dem Hashtag #vulvalippen posteten Frauen ihren Namen für ihr Geschlechtsteil. Je offener die Eltern sprechen können, desto entspannter ist es bei ihren Kindern.

Für den Nachwuchs kann auch die Erotik der Eltern ein Thema sein – möglicherweise ein peinliches: "Müsst ihr euch unbedingt küssen, wenn ich dabei bin?" oder "Macht ihr es eigentlich noch immer?"

Lassen Sie sich inspirieren.

Ratgeber-Bücher wie "Make Love" oder "Sex", der Ratgeber der beliebten spanischen Modebloggerin Chusita, sollen nicht nur den Jugendlichen helfen. Sie geben auch den Eltern eine Richtung, wie sie an die Fragen herangehen. Damit kann man sich auch gemeinsam an das Thema herantasten. Die Eltern brauchen Hilfe, um mit ihren Kindern über Sex zu reden, weiß Wolfgang Kostenwein vom Institut für Sexualpädagogik: "Ihnen ist das selbst oft unangenehm. Aber wenn die Kinder von den Erwachsenen keine guten Antworten bekommen, holen sie sich Informationen im Internet.“ Und nichts will man weniger, als dass ein Kind in Google nach Aufklärung sucht.

Trotzdem holen sich immer mehr Teenager die Antworten im Internet, weiß Sexualpädagogin Michaela Urabl (www.liebenslust.at): "Dafür müssen sie gar nicht mehr auf Pornoseiten gehen, da reicht YouTube.“ Da ist es besser, sie auf gute Informationsangebote hinzuweisen.

Wann ist der richtige Zeitpunkt?

Eltern müssen mit ihren Kindern in den ersten zehn Lebensjahren über Sexualität und den Körper sprechen, betont Kostenwein: "Wenn Eltern glauben, jetzt steht das große Aufklärungsgespräch an, dann ist es ohnehin schon zu spät.“ Laut einer britischen Umfrage kam ein Viertel der Kinder schon mit elf oder zwölf Jahren mit Online-Pornos in Verbindung – durch Zufall oder absichtlich.

Erklären Sie nur das, wonach gefragt wird.

Im Idealfall kommt das Kind zu seinen Eltern, wenn es eine Frage hat. Doch die reagieren oft nicht richtig, sagt Kostenwein: "Dann wird über Stellvertreter-Themen geredet. Über Verhütung statt über Sex, über Krankheiten statt über Beziehung. Aber niemand hat Sex wegen der Verhütung.“

Man solle die Fragen der Kinder klar beantworten statt lange Vorträge zu halten, denn das Thema ist gerade bei Jüngeren schnell wieder erledigt. Wer nur wissen will, ob Mädchen irgendwann einen "Schniedelwutz“ bekommen, braucht keine Ausführungen über die weibliche Anatomie. Und wer nur wissen will, was das böse Schimpfwort mit "f" und "ck" bedeutet, verlangt keine Einführung in das Thema Liebe, Sex und Zärtlichkeit. Wenn Eltern über Sachen erzählen, die man noch gar nicht hören will, wird es unangenehm.

Was, wenn Kinder mit sexuellen Schimpfwörtern provozieren wollen?

Ein unangenehmer Anruf von der Lehrerin: "Ihr Kind sagt zu den anderen ’F… dich!’" Erstens: Peinlich, weil man das Kind nicht zu guten Umgangsformen erzogen hat. Zweitens: Peinlich, wie geht man jetzt damit um? Einfach den Mund verbieten, wäre falsch. Oft geht das Schimpfen mit Unwissen und der Lust am Provozieren einher: Das F-Wort kennt jeder Drittklässler, aber ein Wort für Penis und erst recht für Vagina fehlt. Richtig wäre, die Wörter zu enttabuisieren: "Weißt du eigentlich, was das bedeutet? Eigentlich ist das ja kein Schimpfwort, also brauchst du es auch nicht so verwenden.“

Welche Sexpraktiken kennt mein Kind?

Da heißt es, Nerven bewahren. Die sexuellen Vorlieben werden immer facettenreicher, zeigen Studien. 13- und 14-Jährigen stellt Sexualpädagogin Urabl daher die Frage: „Was, glaubst du, muss man beim Sex machen?’ Für die Jugendlichen ist es eine Entlastung, wenn man ihnen erklärt, warum Pornofilme keine Dokumentationen wie ’Universum’ sind, sondern Actionfilme. Das ist kein richtiger Sex. Alles wird übertrieben.“

In der neuen Netflix-Serie „Sex Education“ suchen die Mitschüler Aufklärung und Rat beim Sohn einer Sexualtherapeutin. Auch in der neuen Video-Kampagne der Stadt WienLiebe, Sex und Klartext“ nennen elf Mädchen zwischen 15 und 18 Jahren die Probleme beim Namen (im "Wiener Mädchen Channel" auf Youtube). Sie beantworten Fragen wie „Was ist, wenn nicht beide gleichzeitig einen Orgasmus haben?“

Da können auch die Eltern noch etwas lernen.

Hilfsmittel für Sex-Gespräche

Jan-Uwe Rogge: „Von wegen aufgeklärt“ (Rowohlt, 10,30 €)

– Katharina von der Gathen: „Klär mich auf. 101 echte Kinderfragen rund um ein aufregendes Thema“ (Klett Kinderbuch, 15,50 €)

Ann-Marlene Henning und Tina Bremer-Olszewski: „Make Love – Ein Aufklärungsbuch“ (Goldmann, 12,40 €)

– Chusita Fashion Fever (Bloggerin): „Sex – Was du schon immer wissen wolltest“ (cbt Verlag, 15,50 €)

www.jugendportal.at/themen/liebe-sexualitat

www.facebook.com/liebesexundklartext

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