Doomscrolling nennt sich dieses Verhalten – ein Begriff, der sich aus dem englischen „doom“ (Untergang, Verderben, Anm.) und dem eingedeutschten Wort „scrollen“, also dem Weiterwischen auf dem Handy, zusammensetzt. Gemeint ist damit die ausufernde Suche sowie der ständige Konsum von negativen Medieninhalten via Smartphone bzw. in sozialen Netzwerken.
Stresshormone
David Nuñez, Leiter für Technologie am Museum des MIT (Massachusetts Institue of Technology), beschreibt das Phänomen so in seinem Twitterfeed: „Manchmal gewinnt man den Eindruck, die Welt würde direkt im Smartphone explodieren.“ Der übermäßige Konsum solcher Inhalte setze Stresshormone wie Adrenalin und Kortisol frei: „Dein Gehirn schreit ‚Flieh oder kämpfe!‘ – wegen eines Haufens Pixel auf deinem Bildschirm.“
So zeigten Studien, dass schon der Konsum von zwei bis vier Minuten negativer Nachrichten einen messbaren Effekt auf das Wohlbefinden zeigen. Forscher der Berliner Charité untersuchten in der Anfangsphase der Pandemie die Mediennutzung von mehr als 6.000 Menschen und fanden heraus: Vor allem Personen, die sich über soziale Medien Facebook, Instagram oder Twitter informierten, berichteten öfter über Anzeichen von Angst und Depression. Betroffen seien laut dem Psychologen und Studienleiter Moritz Petzold vor allem jüngere Menschen, die ja auch öfter soziale Netzwerke nutzen.
Endlos surfen
Während Konsumenten traditioneller Medien die Zeitung weglegen oder das TV-Gerät einfach abdrehen können, werde bei Online-Inhalten von einer Nachricht zur nächsten geklickt – theoretisch endlos. Gerade auf diesen Mechanismus setzen etwa auch Twitter und Facebook: Hier erreicht man nie das definitive Ende der Webseite, weil ständig neue Inhalte geladen werden. Konsumenten werden zum unaufhörlichen Surfen verleitet.
Ein weiterer Aspekt sind sogenannte Push-Meldungen, die immer wieder aufpoppen und jedes Mal Dringlichkeit suggerieren, was es schwierig macht, sie zu ignorieren.
Schutzbedürfnis
Bei vielen wird dadurch das Gefühl verstärkt, sich durch mehr Informationen besser schützen zu können und sicherer zu fühlen. Während Masketragen, Händewaschen und Abstandhalten vor Corona schützen können, hat der uferlose Konsum von Negativmeldungen oft den gegenteiligen Effekt: So zeigen Studien, dass Doomscrolling zum Anstieg von Ängsten, Schlafstörungen, Motivationsverlust und sogar zu Appetitlosigkeit führen kann.
Also am besten gar keine Nachricht lesen? Darum geht es nicht, betont Petzold: Das eigene Medienkonsumverhalten zu reflektieren, ist ein guter erster Schritt zu einem gesünderen Surfverhalten. Seiner Studie zufolge litten vor allem jene unter Angststörungen und Depressionen, die mehr als zwei Stunden am Tag mit negativen Nachrichten verbrachten.
Die Nutzungszeit im Vorfeld einzuschränken, ist also ein weiterer wichtiger Schritt. Etliche Apps helfen inzwischen dabei, die Handyzeit zu begrenzen. Weitere Tipps: Sich auf wenige seriöse Quellen beschränken. Gezielt nach positiven Neuigkeiten suchen und ab und zu hilft es auch, einen Tag lang gar keine Nachrichten zu verfolgen. Die Welt dreht sich trotzdem weiter.
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