Vom egoistischen Konsumfreak zum bescheidenen Kind

Wie viel Spielzeit bekommt man für einen Euro?
Mit diesen 12 Regeln vermitteln Sie Ihren Kindern Bescheidenheit.

Zu Weihnachten werfen auch die konsumbewusstesten Familien ihre Vorsätze über Bord und überschütten einander mit Geschenken. In der Wohlstandsgesellschaft sind dem Materialismus ja keine Grenzen mehr gesetzt. Nie zuvor waren Kinder so gefährdet, zu Egoisten heranzuwachsen, wie jetzt. Im Buch "Die Verwöhnfalle" macht sich daher der Finanz-Kolumnist der New York Times, Ron Lieber, Gedanken, "wie man seine Kinder zu verantwortungsbewussten und glücklichen Menschen erzieht". Er erlebt viele Eltern, die sich Sorgen machen, dass ihre Kinder verwöhnt und verweichlicht und dadurch weniger lebenstüchtig werden.

"Die sozialen Medien schüren bei Jugendlichen Neid."

Der Psychologe James A. Fogerty fand vier Merkmale heraus, die solche verwöhnten Kinder ausmachen: "Sie haben wenige Pflichten zu Hause. Sie haben wenige Regeln für ihr Verhalten oder den Tagesablauf. Erwachsene helfen ihnen ständig. Und sie besitzen viele Dinge." Eine gute Balance zwischen Rechten und Pflichten in der Familie ist daher wichtig für die Entwicklung von Kindern, genauso wie offene Gespräche. Kinder machen sich Gedanken darüber, warum andere Menschen mehr oder weniger kaufen können. Früher verglich man sich mit den Nachbarn, heute mit der ganzen Welt, vor allem den Reichen, stellte die US-Wirtschaftssoziologin Juliet Schor fest. "Die sozialen Medien schüren bei Jugendlichen Neid. Das ist ja ein Schaulaufen in coolen Klamotten an coolen Orten", kritisiert Lieber. Ein Dorn im Auge ist ihm die Werbung im Kinderfernsehen. In seinem Buch bringt er daher viele Beispiele, wie Kinder und Jugendliche einen sorgfältigen Umgang mit Geld lernen.

12 Regeln

  1. Über Geld sprechen: Eltern scheuen sich davor, über Finanzen zu sprechen, aber Kinder sollen ruhig wissen, wie viel man im Supermarkt ausgibt oder was ein Auto kostet. Auf die Frage "Sind wir reich?" muss man dem Kind nicht gleich das Familieneinkommen vorrechnen. Aber man kann ruhig zugeben, wenn man gut verdient – Kinder merken ja, ob sie in einer größeren Wohnung wohnen oder öfter auf Urlaub fahren als andere Kinder. Wichtig ist: Man solle seinen Kindern klarmachen, dass es für Freundschaften nicht gut ist, mit Geld anzugeben.
  2. Wunsch oder Bedürfnis? "Kinder sollen den Unterschied zwischen brauchen und wünschen kennenlernen", rät Lieber. "Bei Kleidung ist es aber manchmal schwierig, die Grenze zu ziehen. Kinder vergleichen ihre Kleidung mit anderen und so entsteht ein Gruppendruck." Er berechnet einen Wert für normale gute Kleidung. Will seine Tochter etwas Teureres, soll sie die Differenz zahlen. Mit etwa zwölf Jahren könnten Kinder ihr Kleiderbudget selbst verwalten, wenn sie gut darauf vorbereitet sind, schätzt Lieber.
  3. Dinge schätzen: Wenn Kinder immer wieder ihre Sachen verlieren oder beschädigen, sollen sie einen Beitrag leisten, wenn sie neu gekauft werden müssen. So steigern Kinder schnell ihre Achtsamkeit. Jüngere müssen einen symbolischen Teil aus dem Taschengeld zahlen.
  4. Konsequenzen bedenken: Lieber bringt ein Beispiel: Eine Mutter erklärte ihren vier Söhnen, dass diese für ein Smartphone auch die Gebühren aus der eigenen Tasche zahlen müssten. Der Ältesten blieb dann lieber bei einem normalen Handy.
  5. Spaßquote: Lieber erzählt von der Idee einer befreundeten Wirtschaftswissenschaftlerin für ihre Kinder: die Spaßquote. Wie viel Spielzeit bekommt man für einen Euro? So zahlt sich ein teureres Geschenk, mit dem die Kinder viel spielen werden, mehr aus als ein günstiges, das in der Ecke landet.
  6. Sparsam statt knausrig: Etwa mit Spar-Aktionen oder in Secondhand-Geschäften bekommen Kinder ein Gefühl dafür, dass man nicht gedankenlos Geld ausgeben soll. Lieber erzählt von einer Oma, die mit ihren Enkeln an deren Geburtstag im Billigladen die Anzahl an Lebensjahren in Dollar ausgab. Ab vier Jahren durften die Kinder sich etwas aussuchen. So entstehen Familien-Rituale.
  7. Spenden (sammeln): In den USA haben Spenden-Rituale bei Kindern Tradition: Beim "Giving Tuesday" und beim "Bake Sale" sammeln die Kinder mit selbst gebackenen Kuchen Geld für wohltätige Zwecke. Lieber hat auch eine Idee für das Thema Obdachlose: Mit dem Kind Lebensmittel kaufen, die statt Geld verteilt werden.
  8. Arbeiten: Ältere Kinder verstehen den Wert des Geldes am besten, wenn sie es verdienen müssen. Nicht für Haushaltsaufgaben, aber mit einem Ferienjob oder aufwendigeren Aufgaben zu Hause wie Reparaturarbeiten.
  9. Wünsche offen: lassen Lieber rät zum Schenken nach dem "Dewey"-Prinzip. Bei den Dingen, die einem Kind wichtig sind, kommt es auch auf das Umfeld an, sah Lieber bei Familie Dewey. Die Kinder sollten etwas unter dem Durchschnitt ihres Freundeskreises liegen. Wenn sie das tollste Smartphone haben, bekommen sie dafür nicht die neuesten Videospiele. Ganz aus der Gruppendynamik auszusteigen, ist nicht ideal: Sie sollen ja nicht zu Außenseitern werden. So wird Kindern klar, dass es keinen Wettbewerb um Status-Symbole geben soll. Wichtig sei, so Lieber, dass Kinder sich Dinge wünschen und lernen, darauf zu warten, statt dass sie ständig mit Neuem überschüttet werden.
  10. Dankbarkeit: Seit das Tischgebet vor dem Essen aus der Mode gekommen ist, gibt es wenige Momente der Dankbarkeit. Sogar zu Weihnachten stehen eher die Geschenke im Vordergrund als der Dank dafür. Die Filmemacherin Hailey Bartholomew fotografierte ein Jahr lang täglich etwas, das sie dankbar macht (www.365grateful.com). "Das eignet sich auch für Jugendliche mit ihrem ersten Smartphone", regt Lieber an. Oder noch besser: "Kinder erfinden ein eigenes Dankritual für die Familie."

Buchautor Ron Lieber sieht das Taschengeld als wichtigen Einstieg in ein gutes Geldleben. Dieses an Leistungen zu koppeln, sei nicht empfehlenswert: Hausarbeiten sollten nicht extra bezahlt werden. Experten von der Schuldnerberatung raten zu einem regelmäßigen Taschengeld: 50 Cent oder einem Euro pro Woche ab der 1. Klasse und dann jedes Jahr etwas mehr. Für die Finanzplanung sei es auch wichtig, das Geld auszugeben und nicht nur zu sparen. Dabei müssen die Eltern ihre Kinder anfangs unterstützen, etwa mit verschiedenen Sparschweinen. Liebers Kinder teilen ihr Taschengeld in drei durchsichtigen Spardosen auf: zum Ausgeben, zum Spenden und zum Sparen. "Oft kaufen sie sich Ramsch, aber das gehört zu der Übung dazu", so der Autor.

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