Die Vermessung des Klassenzimmers

Die Vermessung des Klassenzimmers
Planer und Ingenieure veranstalten diese Woche Workshops in Schulen. Sie wollen Schüler für ihre Berufe begeistern.

Die Brücke ist stabil – obwohl sie nur aus Brettern besteht. Die Schüler haben weder Seil noch Leim oder Klemmen gebraucht, um dieses Bauwerk zu konstruieren. Die Teile sind so ineinandergeflochten, dass die Konstruktion auch so hält. Lisa* setzt sich auf die nach Da Vinci benannte Leonardobrücke und ist begeistert.

Jugendliche wie Lisa für Architektur und Ingenieurberufe zu begeistern, ist das Ziel der Initiative „technik bewegt“. 1500 Schülerinnen und Schüler aus 89 Schulen in ganz Österreich nehmen diese Woche daran teil. Dazu kommen etwa Ziviltechniker, Architekten, Statiker und Gebäudetechniker in die Klassen. Eine davon ist die Landschafts¬planerin Sabine Gstöttner. Sie hat schon Gärten, Innenhöfe und Dachterrassen geplant. Auch die Außenanlagen von Betrieben und Gastronomien hat sie entworfen.

In Rollenspielen lernen die Schüler, wie der Arbeitsalltag eines Planers aussieht. Ihre Aufgabe: Ein Grätzl zu gestalten, in dem sich alle wohlfühlen: Senioren, Menschen mit Behinderungen, Kleinkinder, Jugendliche, Nachteulen und Frühaufsteher. Bald merken die Schüler, dass es nicht einfach ist, jedem gerecht zu werden: Ruhebankerl für die Oma, einen Fußballkäfig und einen Kinderspielplatz so zu platzieren, dass sich keiner vom anderen gestört fühlt – dazu braucht es Teamwork.


Mathematik

Nebenbei können die Schüler Sabine Gstöttner Fragen zu ihrem Beruf stellen. Kevin will etwa wissen, ob man gut in Mathematik sein muss, wenn man Architekt werden will: „Räumliches Verständnis, ein dreidimensionales Vorstellungsvermögen und ein Gefühl für Flächen solltest du haben“, antwortet die Planerin.


Warum die Erde nicht schwerer wird, obwohl so viel gebaut wird, will Marko wissen. „Das Material wird aus den vorhandenen Ressourcen entnommen. Durch das Bauen wird es nur anders verteilt“ erklärt Gstöttner.
Juliana will wissen, ob es hart sei, als Frau auf einer Baustelle zu arbeiten. Die Planerin erzählt aus ihrer Praxis: „Sobald die anderen merken, dass du deine Arbeit gut machst – vielleicht sogar besser als deine männlichen Kollegen – sind Vorurteile rasch aus dem Weg geräumt und du bis akzeptiert.“
Lena will nur wissen, ob es noch einen Platz für einen Ferialjob im Planerbüro gibt: „Ich glaub’, ich habe meinen Beruf gefunden!“, sagt sie. „Ich wollte schon immer etwas mit Mathe machen, aber weder technische Mathematik noch das Lehramt. Vermessung ist echte, angewandte Mathematik. Das ist meins.“
*Namen von der Redaktion geändert.


Infos und ein Film zu den Workshops auf www.baukulturvermittlung.at
 

Praxis: Lust auf Technik machen

Technik bewegt 54 Ingenieure (Raumplaner, Wassertechniker, Verkehrsplaner, etc.) und Architekten touren vom 5. bis 9. November durch alle Bundesländer und besuchen Österreichs Schulen. Planende, technische Berufe werden dabei auf jugendgerechte und spannende Weise
nähergebracht.

Workshops Die Schüler können sich aussuchen, wofür sie sich konkret interessieren: Eine Brücke bauen, ein Straßennetz oder ein Stadtviertel planen.

Georg Pendl ist Präsident der Architektenkammer und unterstützt „technik bewegt“.

KURIER: Was ist so spannend an Ihrem Beruf ?
Georg Pendl: Ein Architekt stellt Dinge her, die für das Leben von Menschen relevant sind – er plant Wohnhäuser, Schulen, Supermärkte und andere Gebäude. Die Menschen verbringen rund 90 Prozent der Zeit in geschlossenen Räumen. Das zeigt, wie wichtig der Beruf ist.

Welche Voraussetzungen muss jemand mitbringen, der Architekt werden will?
Er soll neugierig sein, Freude an Gestaltung haben und logisch denken können. Er braucht aber auch eine gute Allgemeinbildung. Denn er muss über gesellschaftliche, soziale und kulturelle Zusammenhänge Bescheid wissen. Das lässt sich nicht so einfach lernen. Das Verständnis dafür entwickelt sich mit der Zeit. Damit es sich entwickelt, brauchen wir ein Schulsystem, das weniger verschult ist und dem Einzelnen mehr Freiheit lässt.

Was ist das Ziel der Initiative „technik bewegt“?
Zum einen sollen Schüler Berufsbilder rund um die Architektur wie Ziviltechniker, Statiker usw. kennenlernen. Vielleicht entdeckt dabei jemand seine Liebe zu einem dieser Berufe. Zum anderen sollen sie ein Verständnis für Architektur entwickeln. Gerne hätten wir ein Schulbuch dazu entwickelt. Doch das ist leider kaum möglich.

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