Bones: Die Knochenjäger - aus Wien

Gerhard Forstenpointner erforscht Tierknochen im neuen "BoneLab"
Im neuen "BoneLab" erforschen Archäozoologen Tierknochen – und damit auch das Leben der Antike.

Erst kamen die Musikanten, dann das Opfertier und schließlich der Priester, Mädchen mit Blumenkörben, Weihrauch, Opfermesser und Opferwasser. Als die Prozession beim Altar angelangt war, schnitt der Priester Ziege, Schwein, Rind, Esel, Damhirsch, Rotfuchs, Kropfgazelle, oder was auch immer geopfert werden sollte, das Haar ab und tötete das Tier – begleitet von Flötenmusik – zu Ehren der Artemis.

Zweitausend Jahre später ist das Artemision in Ephesos in der heutigen Türkei – eines der sieben Weltwunder der Antike – Forschungshotspot für Gerhard Forstenpointner von der Vetmeduni Wien. Denn dort wurden unzählige Überreste von Opfertieren entdeckt. Im neu eröffneten "BoneLab Ephesos" der Veterinärmedizinischen Universität Wien und des Österreichischen Archäologischen Instituts wollen die Wissenschafter den Geheimnissen der Knochen auf den Grund gehen.

Antikes Leben

"Uns interessiert vor allem, wie Tiere damals genutzt, gehalten oder bejagt wurden", sagt Forstenpointner. Und natürlich geopfert.

In der Antike war Ephesos eine der wichtigsten Städte und Pilgerstätten. Aus der ganzen damals bekannten Welt kamen Menschen, um im Tempel der Artemis, der Göttin der Jagd, des Waldes und des Mondes, zu opfern. Es handelte sich um den größten Tempelbau der Antike.

Bones: Die Knochenjäger - aus Wien

Die griechische Stadt Ephesos war in der Antike für ihren Reichtum berühmt. Später – als Hauptstadt der römischen Provinz Asia – entwickelte sie sich zu einer der größten Städte der Antike. Welche Tiere dort geopfert und welche Körperteile dafür verwendet wurden, liefere Hinweise über bestimmte Riten und soziale Strukturen, ist der Wissenschafter überzeugt.

Seit 120 Jahren graben österreichische Archäologen in den Überresten der antiken Metropole. Und entdecken neben Steinen und Wandgemälden immer wieder auch Tierknochen. "Wir haben Hunderte vollständige Skelette von Säugetier-, Vogel- und Fischarten als Referenzobjekte", sagt Archäozoologe Forstenpointner.

Er untersucht seit Anfang der 1990er-Jahre Funde tierischen Ursprungs in Ephesos. Und hat bereits Überraschendes entdeckt. Forstenpointner: "Um die Zeitenwende waren Fische wesentlicher Bestandteil des Speiseplans – zumal Ephesos am Meer lag. Interessanterweise bestehen die Überreste aber zu 50 Prozent aus Süßwasser-Fischen."

Besonders beliebt war der Zander. "Nur ist der heute so weit südlich gar nicht mehr heimisch", sagt der Forscher und schließt auf ein ganz anderes – zanderfreundlicheres – Klima.

Wie sich überhaupt in der antiken Tierwelt Klimawandel, Erosion und landwirtschaftliche Nutzung spiegeln. "Wir haben zum Beispiel festgestellt, dass Rothirsche vorkamen, solange es Wälder gab. Als die Landschaft um Ephesos entwaldet war, kam der Damhirsch auf."

Antiker Luxus

Weiterer Hotspot für die "BoneLab"-Forscher sind die zwischen 1960 und 1985 ausgegrabenen Hanghäuser: Die dort gefundenen tierischen Überreste zeigen, "dass die damals zubereiteten Speisen reichhaltig und vom Feinsten waren", sagte Gerhard Forstenpointner. Beliebt war das zarte Fleisch von Jungtieren, darunter auch vom Schwein, das damals als besonders exklusives Speisetier galt. Auch Meerestiere wie Austern, Meeresschnecken, Lippfische oder Zackenbarsche waren offenbar begehrt.

"Der Lebensstil war italisch", sagt der Wissenschafter. Man könne daraus schließen, dass sich die Einheimischen die Luxuswohnungen dort nicht leisten konnten. Dort lebten reiche Römer, glaubt Archäozoologe Forstenpointner.

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