Das lästigste Geräusch des Sommers (und wie man ihm entkommt)

Das lästigste Geräusch des Sommers (und wie man ihm entkommt)
Störenfriede: Rund 50 Gelsenarten gibt es in Österreich – nicht alle haben es auf den Menschen abgesehen.

Der Ton geht in Mark und Bein: das sirrende Geräusch, das eine Gelse erzeugt. Es gehört zu Klängen, die wir Menschen am unangenehmsten empfinden. Das ist sogar amtlich – die Deutsche Gesellschaft für Akustik hat das Gesumme in ihre Hitliste der nervigsten Geräusche aufgenommen.

Viele Menschen wünschen sich gerade im Sommer eine Welt ohne die Plagegeister. Dabei haben die Stechmücken ihren Sinn im Ökosystem. Darauf weist der Parasitologe Hans-Peter Fuehrer von der Veterinärmedizinischen Universität Wien hin: „Die Insekten sind für viele Tiere eine wichtige Nahrungsquelle. Fische ernähren sich häufig von den Larven, für Vögel sind die erwachsenen Exemplare eine Delikatesse.“ Dass Frösche gerne Mücken fressen, ist ja bekannt. Und auch dass viele Vögel im Flug nach den Gelsen schnappen.

Blumen-Gelsen

Weniger bekannt ist, dass einige Gelsenarten Bestäuber sind. „So zieht zum Beispiel das Ohrlöffelleimkraut, das in Österreich heimisch ist, mit ihrem Duft Gelsen an, damit diese die Pollen von einer Blume zur nächsten transportieren“, sagt der Gelsenforscher.

Apropos Duft: „Die Stechmücken werden vor allem durch den Duft, den eine Person ausströmt, und durch Kohlendioxid angelockt.“ Fuehrer verweist somit eine alte Weisheit ins Reich der Legende – nämlich, dass die Tierchen durch Licht angelockt werden. „Dass Gelsen zur warmen Lampe fliegen, kommt höchstens bei plötzlichen Temperaturabfall vor, wie vor einem Gewitter.“

Das gelte übrigens für alle heimischen Stechmücken, von denen es in Österreich immerhin rund 50 Arten gibt.

Und es werden in den kommenden Jahrzehnte wohl noch einige dazukommen, wie Fuehrer sagt. „Das ist nicht nur dem Klimawandel geschuldet, sondern auch dem modernen Handel.“ Die Insekten verbreiten sich über Transitrouten. Die gefürchtete Tigermücke wurde schon des Öfteren entlang der Inntalautobahn gesichtet. „Zum Glück hat sich bei uns noch keine stabile Population aufgebaut, sie ist offensichtlich nur auf der Durchreise“, sagt der Parasitologe. Die Tigermücke ist nämlich nicht nur eine invasive Art, die andere Gelsen verdrängt, wenn sie sich an einem neuen Ort etabliert. Sie ist auch Überträgerin von Krankheiten wie dem gefährlichen Denguefieber oder dem harmloseren Chikungunya-Fieber.

Das lästigste Geräusch des Sommers (und wie man ihm entkommt)

Stein-Gelsen

Eine neue Heimat in Österreich hat die japanische Buschmücke gefunden: „Ihre Larven setzt sie in Steinen ab, in denen sich oft kleine Lacken bilden. Weil dieser Lebensraum bisher von keiner anderen Stechmücke genutzt wurde, wird sie zu einer neobiotischen Art – also eine, die sich hier ansiedelt.“

Eine Art, die leider auch uns Menschen sekkiert. Doch zum Glück haben es nicht alle Stechmücken auf uns abgesehen. „Manche bevorzugen Amphibien, andere Vögel, wiederum andere Schlangen“, weiß Fuehrer.

Denn Gelse ist nicht gleich Gelse. Die Arten unterscheidet sich in Form, Größe und „Heimat“. Die weiblichen Hausgelsen suchen nicht nur im Sommer die Schlafzimmer auf, um für ihren Nachwuchs menschliches Blut zu zapfen, sondern überwintern sogar an Zimmerdecken und in Kellern.

Das lästigste Geräusch des Sommers (und wie man ihm entkommt)

Gelsenlarven im Wasser

Au-Gelsen

Andere Stechmücken meiden die Wohnungen – wie zum Beispiel die Überschwemmungsmücken. „Diese legen ihre Brut in ausgetrockneten Stellen von Überschwemmungsgebieten wie der Au. Nach rund zwei bis drei Wochen sind dann die Weibchen – nur sie stechen – besonders aktiv.“

Übrigens: Rund die Hälfte aller heimischen Arten haben gestreifte Beine. „Viele verwechseln sie mit der Tigermücke, die bei uns selten ist.“

Böse Gelsen

Nicht nur die Tigermücke ist Krankheitsüberträgerin: In Österreich wurde bis in die 1950er-Jahre von einigen Anopheles-Arten die Malaria übertragen. Bis heute ist die Vogel-Malaria eine häufige Infektion. Besonders für die geliebten Vierbeiner kann der Herzwurm, der die Stechmücke als Zwischenwirt benutzt, gefährlich werden. Der Parasit kommt in Österreich zum Glück noch nicht vor – im Gegensatz zum Dirofilaria repens, einem Fadenwurm, der in die Haut oder ins Auge gelangen kann: „Das ist zwar nicht schön anzuschauen, aber letzten Endes harmlos“, sagt der Gelsen-Forscher. Anders ist das beim Westnil-Virus, das in sehr seltenen Fällen zu einer Gehirnhautentzündung führen und tödlich enden kann. In Österreich wurde das Virus, das durch Hausgelsen übertragen wird, insgesamt 17 Mal nachgewiesen.

Und wie schützt sich der Experte vor den Plagegeistern? „Lange, weite Kleidung anziehen und Gelsenschutzmittel auftragen. Das ist immer noch der beste Schutz.“ Gartenbesitzer sollten es den Insekten nicht zu leicht machen. Die Regentonne am besten abdecken, Regenrinne und Blumenuntersetzer regelmäßig entleeren, damit dort keine Larven abgelegt werden.

Vortrag & Info: Wer mehr über die für Menschen oft so lästigen Plagegeister erfahren will, dem sei heute Abend der Vortrag im Naturhistorischen Museum empfohlen. Unter dem Motto „Stechmücken in Österreich – Wen juckt’s“ erzählen zwei Wissenschaftler der Vet.Med.Uni Wien Neues, Spannendes und Kurioses über die heimischen Gelsen. Neben dem Parasitologen Hans-Peter Fuehrer  (Bericht oben) wird seine Kollegin Carina Zittra Einblicke in die Ökologie der Stechmücken geben .
Ort: Mittwoch, 6. Juni 2018, 18.30 Uhr im Naturhistorischen Museum Wien, 1., Burgring 7. Eintrittskarte fürs Museum erforderlich. www.nhm-wien.ac.at

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