Darf ich das Zimmer meines Kindes aufräumen?

Sollen Eltern das Chaos im Kinderzimmer selbst beseitigen?
Was Eltern tun können, damit Kinder und Jugendliche ohne Streit Ordnung halten.

Den Anblick kennen viele Eltern, wenn sie das Zimmers des Sohnes oder der Tochter öffnen: Auf dem Boden stapeln sich Hosen samt Leiberln, neben dem Bett liegen Bücher und Hefte, und auf dem Schreibtisch türmen sich Dutzende verknitterte Zettel, die eigentlich in eine Heftmappe gehören: Wenn Mütter und Väter das Reich ihres Nachwuchses betreten, würden sie manchmal am liebsten gleich die Türe wieder schließen.

Oder sie ertappen sich bei dem Gedanken, dass sie auf der Stelle einen Mistkübel holen möchten und darin all das entsorgen, was sie zwischen Tür, Kasten, Schreibtisch und Bett finden. Wirklich eine gute Idee?

„Ganz sicher nicht“, sagt Katharina Weiner, Familienberaterin und Leiterin von familylab Österreich. „Eine solche Aktion wäre ein starker Eingriff in die Privatsphäre – selbst schon bei kleinen Kindern.“ Was würde Weiner, selbst Mutter, also tun, wenn ihr das Chaos missfällt? „Ich rede mit meinem Kind und sage ihm: Mir ist aufgefallen, wie es in deinem Zimmer aussieht. Da habe ich ein Problem damit. Hast du einen Vorschlag, stört es dich? Was hältst du davon, wenn wir gemeinsam aufräumen?“

Besonders jüngere Kinder – vor der Pubertät – mögen es, wenn sie mit Papa oder Mama gemeinsam etwas tun. Für Eltern muss das Aufräumen nicht unbedingt lästig sein, auch wenn sie es – der Apfel fällt nicht weit vom Stamm – wenig ersprießlich finden, das Chaos zu lichten. „Mütter und Väter erfahren beim Durchforsten des Zimmers viel über ihr Kind, etwa, in welchen Fantasiewelten es lebt“, sagt Weiner. Wenn auf dem Boden einer Reihe Legosteine einer Kavallerie aus Playmobil-Pferden gegenübersteht, kann man sich in ausmalen, welche Geschichten sich das Kind zusammenreimt. Und man entdeckt, dass dem Chaos eine Ordnung innewohnt.“

Zeitreise

Beim Aufräumen findet sich vieles, was schon vergessen scheint: Da ist das T-Shirt, das der Sohn im Kindergarten selbst bemalt hat, oder da tauche im hintersten Eck die ersten Fußballschuhe auf. Eine schöne Zeitreise, weshalb das Weggeben oft schwer fällt. Besonders dann, wenn nicht nur das Kind, sondern auch die Mama gerne hortet. Weiners Vorschlag: „Fragen Sie das Kind, mit welchem Spielzeug es noch spielen möchte, welches man behält oder eventuell verkaufen oder verschenken kann.“

Streit gibt es meist dann, wenn es gar nicht um das Thema Aufräumen an sich geht. Oft schwingen in Konflikten ganz andere Dinge mit. Etwa, wenn sich Eltern gerade in die Haare gekriegt haben, und Mutter oder Vater das Kind als Opfer auserkoren haben, um Dampf abzulassen.

Manchmal schwingt in der Kritik übers Chaos aber Grundsätzliches mit. So etwa der Vorwurf der Eltern: Das Kind – wie erstaunlich – ist nicht perfekt. Klar, dass es dann rebelliert und erst recht nicht aufräumt. Kinder haben eine feine Antenne dafür, wenn unausgesprochene Themen aufkommen – und blockieren dann.

Spätestens in der Pubertät dürfen Kinder ihre eigene Definition von Ordnung haben: „Man kann als Eltern schon sagen, dass man nicht will, dass die Kinder verschimmeltes Essen im Zimmer haben.“ Manches sollte man vereinbaren – etwa, dass das Kind die schmutzige Wäsche selbst wegräumt. „Da muss man es dann auch aushalten, wenn das lange nicht passiert.“

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