Wie sich Lügner verraten

Einen menschlichen Lügendetektor gibt es nicht – sehr wohl aber Verhaltensweisen, die auf Unwahrheiten hindeuten
In einem neuen Buch enthüllen CIA-Agenten, wie man herausfindet, ob jemand die Wahrheit sagt.

War der Ehemann nach der Arbeit wirklich nur mit Kollegen ein Bier trinken? Hat das Kind tatsächlich noch nie Drogen genommen? Und die Freundin – hat sie sich ehrlich über das Geburtstagsgeschenk gefreut? Praktisch wäre es schon, wenn flunkernde Menschen in Alltagssituationen durch eine wachsende Nase enttarnt würden – aber so einfach ist es eben nicht. Es ist aber auch nicht unmöglich: Das behaupten die CIA-Agenten Philip Houston, Michael Floyd und Susan Carnicero. In dem Buch "Erkenne den Lügner" berichten sie von ihrer Erfahrung als Verhörspezialisten und enthüllen, wodurch sich Lügner verraten.

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Ignorieren Eines der Grundprinzipien der Ermittlungsarbeit: jene Verhaltensweisen ignorieren, die die Ehrlichkeit des Beschuldigten unterstreichen sollen. Im Buch wird von einem Verdächtigen berichtet, der dem Ermittler vor dem Verhör seinen Kofferraum voller Bibeln zeigen will. Angenommen, der Ermittler wäre selbst gläubig, wäre das Risiko groß, dass er sich davon beeinflussen ließe.

Aggression Wer sich durch Fragestellung in die Ecke getrieben fühlt, neigt dazu, sein Gegenüber verbal persönlich zu attackieren. Dieses aggressive Verhaltensmuster, das bis zu Drohungen führen kann, weist meist darauf hin, dass man etwas zu verbergen hat. Ein anderes Lügenindiz kann sein, eine Sache herunterzuspielen und die Bedeutung der Angelegenheit zu schmälern.

Überzeugungsversuche Wenn jemand nicht direkt antwortet, weil die Wahrheit gegen ihn spricht, wird er vielleicht Überzeugungsversuche aneinanderreihen. Houston erzählt von einem Monteur, der beschuldigt wurde, eine Kundin bestohlen zu haben. Im Verhör antwortete er: "Ich mache diese Arbeit seit 20 Jahren und stehe kurz vor der Pensionierung. Warum sollte ich meine Pension wegen so eines blöden Schmuckstücks aufs Spiel setzen?" Ein Unschuldiger hätte vermutlich schlicht und einfach "Nein, das habe ich nicht getan" gesagt. Andere Überzeugungsversuche sind "Ich habe einen ausgezeichneten Ruf" oder "Ich liebe dich, so etwas würde ich dir nie antun". Sie werden sehr emotional vorgebracht.

Gesicht verbergen Der Großteil der Kommunikation spielt sich auf non-verbaler Ebene ab. Bestimmte Verhaltensweisen können auf eine Lüge hindeuten, sofern sie direkt nach der Frage auftreten: etwa, die Hand vor den Mund zu halten oder die Augen zu verbergen, auf die Lippen zu beißen oder an den Ohren zu ziehen.

Ankerpunktbewegung "Ankerpunkte" sind jene Körperteile, die den Menschen in einer Position verankern – z. B. die Füße, wenn er steht, oder das Gesäß, wenn er sitzt. Bewegen sich diese Punkte, ist das ein Zeichen für innere Anspannung. Personen, die verhört werden, sitzen idealerweise auf rollenden Stühlen, damit die Ankerpunktbewegungen sichtbarer werden.

Bestrafungsfrage Diese Verhörpraxis wird schon seit den 1970er-Jahren angewendet. Man fragt den Verdächtigen, welche Strafe der Täter verdient. Tendenziell plädieren Schuldige für eine mildere Bestrafung. Diese Technik lässt sich auch bei Kindern anwenden: Wenn Sie nicht wissen, welches Kind den Saft auf der Couch verschüttet hat, fragen Sie, wie die Bestrafung ausschauen sollte.

Auf jedes Wort achten Wir neigen dazu, einer Äußerung unsere eigene Deutung zu geben. Um entlarvende Botschaften nicht zu überhören, ist es wichtig, genau hinzuhören und darüber nachzudenken – und zwar wortwörtlich.

Buchtipp: "Erkenne den Lügner" von P. Houston, M. Floyd & S. Carnicero, erschienen im mvg Verlag um 16,99 €

Der Körpersprache-Experte Stefan Verra erklärt, warum er Enthüllungsbüchern à la "Erkenne den Lügner" kritisch gegenüber steht.

KURIER: Kann man Lügner an ihrer Körpersprache erkennen?

Verra: Nein! Lügner sind nie eindeutig erkennbar. Das ist neurologisch gar nicht möglich und wissenschaftlich nicht belegbar. Unser Körper reagiert auf Gedanken gleich wie auf die Realität. Das heißt: Wenn ich nur fest genug an etwas glaube, wird der Körper genauso reagieren, wie wenn es wirklich passiert wäre.

Woher kommt dann die Annahme, Lügende würden sich durch ihre Körpersprache verraten?

Natürlich gibt es Anzeichen dafür, dass jemand nicht die Wahrheit sagt. Und mit der Analyse der Körpersprache ist man erfolgreicher als mit Lügendetektoren. Aufmerksam sollte man werden, wenn jemand seine Routine unterbricht – wenn der Mann also abends nach Hause kommt und einem plötzlich nicht mehr in die Augen schaut. Wenn uns etwas unangenehm ist, will das Gehirn die Daten nicht weiterleiten. Das heißt im Umkehrschluss aber nicht, dass jeder, der Blickkontakt meidet, ein Lügner ist.

Was können weitere Anzeichen dafür sein, dass jemand nicht die Wahrheit sagt?

Die Sinnesorgane wenden sich ab. Die Haut zeigt nur noch jene Teile, wo wenige Rezeptoren sind, um sich vor der Umwelt zu schützen. Der Mund wird eher geschlossen. Wenn wir Daten nicht aufnehmen wollen, werden die Lippen zusammengepresst – aber das ist bei geübten Lügnern anders.

Kann man lügen lernen?

Ja – darum sind unroutinierte Lügner ja leichter zu enttarnen. Man kann sich etwas so stark einbilden, dass das Gehirn glaubt, es sei Realität. Wenn man ganz stark an ein schreckliches Erlebnis denkt, wird der Blutdruck ja auch höher.

In der TV-Serie "Lie to me" ("Belüge mich") werden Lügner aufgrund von Mikroexpressionen, also unwillkürlichen Bewegungen der Gesichtsmuskeln, entlarvt.

Das ist dramatisch übertrieben. Die Erfolgsquote von Mikromimik beträgt 0,25 Prozent. Nicht-Lügner machen oft genau die gleichen minimalen Bewegungen wie Lügner. Der Unterschied lässt sich nicht erkennen.

Info: Stefan Verra kommt mit seinem Programm "Ertappt! Wenn der Körper spricht" nach Wien, Linz, Graz und Salzburg. Termine und Karten: www.stefanverra.com

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