Ein Deutscher und zwei Amerikaner gewinnen

Die drei Gewinner: Eric Bentzig, Stefan W. Hell und William E. Moerner
Krankheiten besser verstehen - dank Nanoskop. Drei Forscher bekommen dafür den Chemie-Nobelpreis

Ein verspäteter Aprilscherz? Der 51-jährige Physiker Stefan Hell war sich nicht sicher, ob der Anruf des Nobelkomitees aus Stockholm ein Streich war, oder ob man ihm gerade die größtmögliche wissenschaftliche Auszeichnung zugesprochen hatte. Dann aber erkannte der Direktor des Max-Planck-Instituts für biophysikalische Chemie in Göttingen die Stimme des Komiteevorsitzenden. „Ich konnte es nicht glauben.“ Hell teilt sich die Auszeichnung mit Eric Betzig (54), Physiker am Howard Hughes Medical Institute und William E. Moerner (61), Chemie-Professor an der Stanford University.

Supermikroskop

Die Forscher werden für zwei neue Fluoreszenzmikroskopie-Methoden geehrt. Hell entwickelte in den 1990er-Jahren mit der STED-Mikroskopie ein Verfahren, das die Auflösung um etwa das Zehnfache steigerte. Mit diesem Supermikroskop lasse sich etwa beobachten, wie sich Eiweiße bei der Entstehung von Krankheiten wie Alzheimer oder Parkinson zusammenlagern, heißt es in der Begründung des Komitees. „Die Lichtmikroskopie ist wichtig, um zu verstehen, was in einer lebenden Zelle vor sich geht“, erklärt Hell: „Dadurch, dass man jetzt schärfere Bilder aus lebenden Zellen gewinnen kann, wird man besser verstehen, was in der Zelle abläuft und auch deswegen besser verstehen, was sich abspielt, wenn etwas aus dem Ruder gerät, wenn eine Krankheit entsteht.“ Er ist davon überzeugt, dass diese Entwicklung zu besseren Therapien führen wird. Der deutsche Top-Forscher, der vor einigen Jahren fast einen Lehrstuhl an der TU Wien angenommen hätte (er bekam ein besseres Angebot vom Max-Planck-Institut), sucht auch am Krebsforschungszentrum Heidelberg nach Wegen, die Nano-Technik in der Krebsforschung einzusetzen.

Die ersten Theorien Hells habe anfangs in Deutschland niemand geglaubt, sagte Astrid Gräslund vom Stockholmer Nobel-Komitee. "Deshalb hat er in Deutschland keinen Job bekommen, und ging nach Turku, Finnland. Dort war man sehr glücklich, ihn zu haben, und gab ihm die Zeit und Gelegenheit, seine Ideen zu entwickeln - zunächst in der Theorie", ergänzte Gräslund. "Da hat es anderen langsam gedämmert, dass er an etwas dran sein könnte. (...) Jetzt findet man seine Mikroskope auf der ganzen Welt."

Co-Preisträger William Moerner, der auf einer Tagung in Brasilien weilt, zeigt sich ebenso erfreut, die gute Nachricht von seiner Frau ausgerichtet zu bekommen, das sei "fast noch aufregender". Moerner hat selbst für einen Nobelpreisträger einen sehr umfangreichen Lebenslauf vorzuweisen: 400 Vorträge und mehr als 350 Veröffentlichungen, dazu angesehene Positionen an Elite-Universitäten. Er und Eric Betzig, der ebenfalls ausgezeichnet wurde, schufen unabhängig voneinander das zweite Verfahren: Die Fluoreszenz einzelner Moleküle können ein- und ausgeschaltet werden – Beobachtungen unterschiedlicher Moleküle zeigten, dass nach und nach ein Bild mit einer Auflösung im Nanobereich entsteht. „Es fühlt sich immer noch an wie ein Traum“ – so Betzig. „Das Komitee hatte nur eine alte Nummer von mir, darum haben sie bei meiner Ex-Frau angerufen“, sagte er. Sein Sohn habe die frohe Botschaft entgegengenommen.

Hintergrund

Der Nobelpreis ist heuer mit acht Millionen schwedischen Kronen (870.000 Euro) dotiert. Der Preis wird den drei Forschern am 10. Dezember, am Todestag des 1896 gestorbenen Preisstifters, verliehen.

Im Vorjahr ging die Auszeichnung an den in Wien geborenen US-Chemiker Martin Karplus sowie seine beiden US-Kollegen Michael Levitt und Arieh Warshel. Sie wurden für die Schaffung von Grundlagen für Computermodelle geehrt, die zum Verständnis und zur Vorhersage chemischer Prozesse verwendet werden.

Die seit 1901 verliehenen Chemie-Nobelpreise gingen vor allem an amerikanische Forscher. Die erste Auszeichnung erhielt der Niederländer Jacobus van't Hoff für die Entdeckung von Gesetzen der Osmose. Die Preisträger der vergangenen zehn Jahre sind:

2013: Martin Karplus (USA/Österreich), Michael Levitt (USA/Großbritannien) und Arieh Warshel (USA/Israel) für Methoden, mit denen sich auch komplexe chemische Reaktionen virtuell nachvollziehen lassen.

2012: Robert Lefkowitz und Brian Kobilka aus den USA für die Entdeckung von Rezeptoren, die zahlreiche Signale von außen in die Körperzellen übermitteln.

2011: Dan Shechtman (Israel), der Quasikristalle entdeckt hatte, die zuvor von vielen Chemikern für unmöglich gehalten wurden.

2010: Richard Heck (USA) sowie die Japaner Ei-ichi Negishi und Akira Suzuki, die komplexe Substanzen aus Kohlenstoff herstellten. Sie bauten so unter anderem natürliche Wirkstoffe gegen Krebs nach.

2009: Venkatraman Ramakrishnan (Großbritannien), Thomas Steitz (USA) und Ada Jonath (Israel) für die Erforschung der Eiweißfabriken in biologischen Zellen, der Ribosomen.

2008: Die Amerikaner Osamu Shimomura, Martin Chalfie und Roger Tsien, weil sie ein grünlich leuchtendes Protein einer Qualle zu einem der wichtigsten Werkzeuge der Biologie gemacht haben. Damit lassen sich viele Vorgänge im Körper verfolgen.

2007: Gerhard Ertl (Deutschland) vom Fritz-Haber-Institut in Berlin für die exakte Untersuchung chemischer Reaktionen, wie sie etwa im Autokatalysator oder bei der Herstellung von Dünger ablaufen.

2006: Roger D. Kornberg (USA) für Erkenntnisse darüber, wie die Zelle aus dem Bauplan in den Genen fertige Proteine herstellt.

2005: Yves Chauvin (Frankreich), Robert H. Grubbs (USA) und Richard R. Schrock (USA) für die Entwicklung neuer Reaktionswege in der organischen Chemie, unter anderem zur Produktion von Plastik und Arzneien.

2004: Aaron Ciechanover und Avram Hershko (beide Israel) sowie Irwin Rose (USA) für die Entdeckung eines lebenswichtigen Prozesses zum Abbau von Proteinen im Körper.

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