Ich musste lernen, jetzt bin ich mir wichtig

Ich musste lernen, jetzt bin ich mir wichtig
Für eine KURIER-Leserin war ihre Brustkrebs-Erkrankung ein Warnschuss. Sie erzählt, wie sie ihre Achterbahn der Gefühle bewältigte.

Hier meine Geschichte: Ich stand mitten im Leben, jeder Tag war wie eine Achterbahn. Drei Kinder in unserer Zeit zu erziehen, berufstätig zu sein, das verlangt einem schon viel ab. "Mama du schaffst das schon", wie es so schön in der Werbung heisst. Über Jahre ständig am Limit, das zehrt, aber man schafffts irgendwie.

Dann aber begann die Achterbahn sich aus dem Gleichgewicht zu bewegen eine verletzende Scheidung, der dadurch verursachte Verlust des gesamten Bekanntenkreises, ein schwerer Autounfall meines Sohnes, der Tod meiner Mutter - das ging dann nicht mehr spurlos an mir vorbei. Ja und eines Tages kam sie, die Schrecksekunde, ja die schrecklichste Sekunde meines Lebens. Fast mit Ungläubigkeit entdeckte ich in der Badewanne eine leichte Einwölbung - bei genauem Tasten spürte ich eine Verhärtung in meiner linken Brust. War ich nun eine von acht, ich war doch noch viel zu jung erst 48!

Warum gerade ich?

Oft bin ich auf der Strasse gegangen, mir vorstellend, eine von uns acht Frauen wird es treffen, aber warum gerade mich? Fast zuversichtlich, dass es nur harmlos wäre, ging ich zur Mammographie, wissend, dass durch Beruf und Stress doch schon 2 Jahre seit der letzten vergangen waren. Als eine Patientin nach der anderen ihren Befund in die Hand gedrückt bekam, wusste ich, dass da etwas nicht stimmen konnte.

Ich wurde nochmals zum Ultraschall gebeten, der Kollege wissend, dass ich medizinisch fundiert war, betreute mich psychologisch hervorragend, erkennend, dass ich nun knapp am Zusammenbruch war. Er sprach vorsichtig von einer Veränderung, die man nun weiter im MR abkären sollte. Wieder ein Hoffen und Bangen, doch leider erhielt ich einge Tage darauf die Bestätigung eines bereits weit ausgedehnten Tumors. Mein Arzt erläuterte mir die Tatsache, dass in solchen Fällen die Entfernung der gesamten Brust nicht zu verhindern wäre. Er gab mir den weisen Rat, mich noch bewusst von meiner Brust zu verabschieden, sie als krank anzusehen und der Notwendigkeit geistig zuzustimmen, diese verlieren zu müssen.

Viele zogen sich zurück

Das war im Nachhinein gesehen ein sehr wichtiger Schritt. Nun hatte ich Glück im Unglück. Die Station von Prof Jakesz hat mich vom ersten Moment an begeistert. Überall verständnisvolles Personal, in schweren Momenten, wie beim Betrachten deines Körpers nach der Brustentfernung, ist immer psycholgische Hilfe dabei. Es ist wie in einer Familie - hier hat jeder mit dem gleichen Schicksal zu kämpfen. Im Nachhinein gesehen, glaubt man gar, nicht wie viele liebe Menschen es gibt. Hilfe kam von völlig unerwarteter Seite - das half schon über die Enttäuschung weg, dass viele mir nahestehenden Personen sich zurückzogen. Ich hatte das Privileg ausgezeichnete Physiotherapeuten und psychologische Betreuung in Anspruch nehmen zu können - abgesehen von der Kur in Bad Schallabach, diese stellte eher eine Enttäuschung dar. Zu sehr wird man in ein Korsett von verpflichtenden Therapien gepresst.

Warnschuss

Ich glaube, dass jede Frau, die da durch muss, das Gefühl entwickeln sollte, "jetzt bin ich mir wichtig". Brustkrebs ist heutzutage oft heilbar, die Krankheit ist ein Warnschuss, irgendetwas ist nicht mehr im Lot. Mir wurde empfohlen, mein Leben dringend neu zu ordnen. Ich habe mit vielen betroffenen Frauen gesprochen. Sehr viele stellten die Wünsche der anderen vor ihre eigenen. Eine der wichtigsten Erkenntnisse nach meiner ersten Behandlung war die Neuorientierung: "Ich bin wichtig, meine Wünsche sind wichtig". Leichter gesagt als getan, aber einiges habe ich doch umstellen können.

Geholfen haben mir einfache Dinge wie das Eintauchen in warmes Wasser in einer Therme, das sich Spüren, regelmässige Bewegung und Yoga sowie der Glaube an die Zukunft. Nun sind es 5 Jahre - die Angst vor einem Rezidiv bleibt, jede Vorsorgeuntersuchung lässt mich um Jahr altern. Ich habe es mir aber auch zur Angewohnheit gemacht, mich selbst zu belohnen, wenn ich wieder ein Jahr geschafft habe. Allen Frauen, die das noch vor sich haben, kann ich nur raten, sich in einem Schwerpunktkrankenhaus behandeln zu lassen. Diese Krankheit wird im Team aus Operateur, Pflegepersonal, Physiotherapeuten und - für mich am wichtigsten - von Psychologen gemeinsam am besten behandelt. Unter dem Motto "du schaffst ds schon" kann fast jede Frau den Krebs besiegen, denn wir Frauen sind unglaublich stark.

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