Bruno Kreisky und der Gurkenkönig

Der Markenname Felix und die dazugehörigen Produkte sind in den meisten österreichischen Haushalten bekannt. Dass hinter dem 1961 im burgenländischen Mattersburg gegründeten Unternehmen ein berührendes Flüchtlingsschicksal steckt, wissen jedoch nur wenige. Kaum jemand kennt die Geschichte des lebenshungrigen Altösterreichers
Das vergessene Flüchtlingsschicksal des österreichischen Industrie-Pioniers Herbert Felix.

Ketchup und Essiggurken. Der Markenname Felix und die dazugehörigen Produkte sind in den meisten österreichischen Haushalten bekannt.

Dass hinter dem 1961 im burgenländischen Mattersburg gegründeten Unternehmen ein berührendes Flüchtlingsschicksal steckt, wissen jedoch nur wenige. Kaum jemand kennt die Geschichte des lebenshungrigen Altösterreichers Herbert Felix, der, bevor er mit seinen burgenländischen Gurken berühmt wurde, gerade noch der Ermordung durch die Nazis entgehen konnte.

Der schwedische Journalist Per T. Ohlsson hat sich auf die Spuren des österreichischen Industriepioniers gemacht, dessen Flüchtlingsgeschichte er in seinem Buch „Zum Glück gibt’s Felix“ beschreibt. Nun ist das Buch, das vor längerer Zeit in Schweden erschienen ist, auch auf Deutsch zu haben – erweitert um ein Vorwort des Historikers Oliver Rathkolb (Edition Lex Liszt).

Warum sich der schwedischer Autor mit dieser Biografie befasste? Die Erklärung ist banal: Als Kind aß er am liebsten Spaghetti und zwar mit ausreichend Ketchup. Die Plastikflaschen aus dem Hause Felix waren für seine Kinderhände praktischer als die Glasflaschen des Mitbewerbers. Als er Jahrzehnte später über den Menschen hinter der Plastikflasche las, beschloss er, sich näher mit dessen Aufsehen erregender Lebensgeschichte zu befassen. Neben Zeitzeugen und Archiven waren ihm auch die Memoiren des ehemaligen österreichischen Bundeskanzlers eine wichtige Quelle: Denn Bruno Kreisky war der Cousin von Herbert Felix.

Herbert Felix entstammt einer jüdischen Unternehmerfamilie aus dem mährischen Znaim, damals Teil von Österreich-Ungarn. Seine Vorfahren waren meist Militärärzte, ehe Herberts Urgroßvater Solomon Felix auf Branntwein umstieg. Sein Sohn erweiterte das Unternehmen durch eine Gurkenfabrik. Friedrich Felix, der Vater von Herbert, übernahm den Betrieb, der eingelegtes Gemüse in ganz Europa verkaufte. Sein 1908 geborener Sohn Herbert kümmerte sich um die Exportgeschäfte und lernte in Schweden seine erste Frau kennen. Die Fabrik in Znaim, so der Wunsch des Vaters, sollte von Generation zu Generation vererbt werden. Es kam anders.

Mit dem Einmarsch der Wehrmacht in der Tschechoslowakei war das Schicksal der jüdischen Familie Felix besiegelt. Friedrich Felix wurde, wie Dreiviertel der Familie, von den Nationalsozialisten ermordet. Ebenso wie seine Frau Ida und sein Sohn Willi wurde er in Auschwitz in die Gaskammer geschickt.

Bruno Kreisky und der Gurkenkönig

Herbert Felix (li.) mit seinem Cousin Bruno Kreisky und dessen Frau Vera, 1970

Herbert Felix war da bereits die Flucht nach Schweden gelungen. Seine Eltern und sein Bruder erhielten erst gegen Kriegsende eine Einreisegenehmigung – zu spät. Herbert Felix’ Cousin Bruno Kreisky, der spätere österreichische Bundeskanzler, konnte seine Eltern gerade noch rechtzeitig nach Stockholm holen und sie so vor dem Tod bewahren.

In Schweden glückte dem als äußert gesellig beschriebenen Herbert Felix ein Erfolg, den er Jahre später in Österreich wiederholen würde: Mit eingelegtem Gemüse – die Rezepte hatte er aus Znaim retten können– füllte er die Kühlschränke unzähliger Haushalte. Die Felix AB wurde eines der größten Industrieunternehmen Schwedens. Dass er das jahrhundertealte Likörrezept der Familie nicht mitgenommen hatte, bereute er sein Leben lang.

Aus dem sicheren Exil Schweden zog es den umtriebigen Unternehmer nach England, wo er sich den Alliierten anschloss, bevor er wieder in die Tschechoslowakei zurückkehrte und die Znaimer Fabrik wiederbeleben wollte.

Nach dem kommunistischen Putsch verließ er seine Heimat endgültig und ließ sich auf Wunsch seines Cousins Bruno Kreisky, der damals österreichischer Außenminister war, im Burgenland nieder, wo er in Mattersburg eine neue Konservenfabrik als Zweigstelle seines schwedischen Erfolgsunternehmens aufbaute.

Die Voraussetzungen waren ideal: Ende der 1950er Jahre strebte die Politik danach, dem Burgenland industrielle Perspektiven zu geben. Das Hauptargument aber war der Gemüseanbau im Seewinkel. Im August 1959 fuhren die Bagger auf, um die ersten Spuren in das Gelände zu legen: Herbert Felix wurde auch in in Österreich zum Ketchup-Pionier.

Privat war Felix (zum Leidwesen seiner Ehefrauen) zeitlebens ein Charmeur, der jedoch unter starken Stimmungsschwankungen litt – die Erinnerungen an die Weltkriege und den Holocaust plagten ihn schwer.

Im Jahr 1973 starb Herbert Felix im Alter von 64 Jahren. 1995 wurde Felix Austria Teil einer skandinavischen Unternehmensgruppe.

Die Schweden sind übrigens heute noch das Volk mit dem höchsten Ketchup-Konsum der Welt.

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