"Bridge of Spies": Zeitreise in den Kalten Krieg

Austin Stowell als Gary Powers im Film "Brigde of Spies".
So lief der Agenten-Tausch hinter Steven Spielbergs neuem Thriller wirklich ab.

Im wirklichen Leben ist die "Bridge of Spies" die Glienicker Brücke in Potsdam. Der Sowjet-Agent Rudolf Abel, der am 10. Februar 1962 im frostigen Morgengrauen von West-Berlin kommend die weiße Grenzmarkierung auf dieser Brücke überschreitet, hat viele Namen: Emil R. Goldfus, Frank Marc, Andrew Kayotis oder Martin Collins. Von der Potsdamer Seite kommt ihm der Spionage-Flieger Gary Powers entgegen. Alles rundherum ist abgeriegelt und auf beiden Seiten warten versteckt bewaffnete Einheiten.

Denn das, was hier passiert, ist eine Premiere: Der erste Agentenaustausch des Kalten Krieges.

Genau darauf basiert der aktuelle Kinofilm "Bridge of Spies", in dem Abel und sein Pflichtverteidiger James B. Donovan (gespielt von Tom Hanks) die Hauptfiguren sind. Das Drehbuch hält sich an die realen Ereignisse. Und das ist gut, denn die Dreiecksgeschichte um Donovan, Abel und Powers braucht keine erfundene Zuspitzung. Das, was wirklich passierte, ist spannend genug. Davon zeugen 447 Aktenordner im Archiv der Hoover-Institution in Kalifornien, die alle Aufzeichnungen von Donovan zum Fall Abel enthalten.

"Bridge of Spies": Zeitreise in den Kalten Krieg
2015 Twentieth Century Fox, Bridge of Spies

Was wirklich geschah

Doch der Reihe nach: Rudolf Abel wird 1903 als William Genrikowitsch Fischer in Großbritannien geboren. Sein Vater: ein deutschstämmiger Russe, überzeugter Kommunist und Weggefährte Lenins im britischen Exil, der 1921 mit seiner Familie in die sich gründende Sowjetunion zurückkehrt. Rudolf, damals noch William, wird erst Funker bei der Armee, um schließlich bei der Auslandsspionage des sowjetischen Geheimdienstes anzuheuern.

Als das FBI ihn 1957 inhaftiert, hat er jahrelang in New York unter dem Namen Emil R. Goldfus gelebt. Seine Tarnung: Ein Kunstmaler-Atelier in der Fulton Street in Brooklyn. In Wahrheit lenkt er von seinem Atelier aus das sowjetische Spionage-Netzwerk im Land und spioniert das US-Militär aus – bis ihn einer seiner Agenten verrät.

Nach US-Recht steht auf den Verrat wichtiger militärischer Geheimnisse die Todesstrafe. Ohne Zweifel hat Abel sich dieses Verbrechens schuldig gemacht – die bei ihm gefundenen Indizien sind eindeutig: Mikrofilme mit Aufnahmen streng vertraulicher Akten und verschlüsselte Botschaften auf Russisch.

Im Interesse der USA

Dennoch schafft es sein Verteidiger James B. Donovan, die eigentlich zwingende Todesstrafe abzuwenden. Er argumentiert: "Es ist möglich, dass in Zukunft einmal ein gleichrangiger amerikanischer Agent von der Sowjetunion festgenommen wird. Dann wäre ein Austausch im Interesse der USA." Abel erhält 30 Jahre Haft wegen Verrats, weitere 15 Jahre wegen anderer Vergehen.

Donovan, der selbst im Zweiten Weltkrieg Mitglied des US-Geheimdienstes Office of Strategic Services gewesen ist, kennt sich im konspirativen Geschäft gut aus. Und er behält recht: Denn die Sowjets wollen ihren Meisterspion zurück.

Allerdings gibt es lange kein gleichwertiges "Tauschobjekt", keinen US-Spion ähnlichen Ranges, der gegen Abel getauscht werden könnte. Das ändert sich am 1. Mai 1960. Zum ersten Mal gelingt es den neuen Raketenabwehr-Einheiten bei Swerdlowsk im Ural, ein amerikanisches Aufklärungsflugzeug über sowjetischem Territorium abzuschießen. Der US-Pilot Gary Powers, im pakistanischen Peshawar gestartet, um geheime Militäranlagen in der Sowjetunion zu fotografieren, überlebt, wird aber gefangen genommen.

Urteil

Der Prozess gegen ihn findet im berüchtigten Säulensaal des Hauses der Gewerkschaften in Moskau statt. Hunderte Agenten ließ Stalin dort schon zum Tode verurteilen. Ein Schicksal, das jetzt auch Gary Powers droht. Doch der Richterspruch fällt glimpflich aus: Zehn Jahre Gefängnis lautet das Urteil. Und jetzt denkt auch die amerikanische Seite an einen Austausch.

Doch die Sache zieht sich. FBI-Chef J. Edgar Hoover bremst, hält "seinen" Fang Abel für wertvoller als den Piloten Powers. Positive Signale kommen aus Washington vom neuen Präsidenten John F. Kennedy. Powers notiert in sein Gefängnis-Tagebuch: "Hoffe auf Entspannung und Friedenspolitik. Ist gut für meinen Fall. Und: Bin sicher, dass ich nicht zehn Jahre bleiben werde ..."

Im Dezember 1961 bekommt Abel-Anwalt Donovan endlich grünes Licht aus dem Weißen Haus. In Berlin kommt es zu einem Treffen zwischen ihm und Vertretern der Sowjetunion, bei dem die Glienicker Brücke zwischen Westberlin und Potsdam als Schauplatz des Austausches festgelegt wird.

Und danach?

Das weitere Leben verlief für die beiden Spione übrigens ganz unterschiedlich: Während Rudolf Abel bei seiner Heimkehr in die Sowjetunion umjubelt wird, muss sich Powers gegen den Vorwurf wehren, Geheimnisse verraten zu haben (mehr dazu im Interview mit seinem Sohn rechts).

„Es ist nie zu spät, Missverständnisse auszuräumen“, sagt Francis Gary Powers Jr. Die Erleichterung ist ihm anzuhören. 50 Jahre dauerte es, bis der Ruf seines Vaters, des Piloten Gary Powers, offiziell wiederhergestellt war. Power jr., der in Virginia ein Museum über die Geschichte des Kalten Krieges gründete, hat es sich zur Aufgabe gemacht, über seinen Vater aufzuklären.

"Bridge of Spies": Zeitreise in den Kalten Krieg
Powers in his office.
KURIER: Herr Powers, Ihr Vater wurde nach seiner Freilassung heftig kritisiert. Im Film wird er gar als meistgehasster Mann Amerikas bezeichnet.
Powers jr.:Das ist teils wahr, teils falsch. Nicht jeder hasste meinen Vater. Manche glaubten, dass er Befehle missachtet habe. Andere fanden, er hätte sterben sollen, damit er unseren Präsidenten nicht blamiert. Es gab auch Menschen, die ihn als Held sahen, weil er die Sowjets ausspionierte. Bezogen auf seinen Auftrag hat er nichts falsch gemacht. Er hat während seiner Haft in Russland versucht, alle Informationen zurückzuhalten. Er hat nichts verraten, das bestätigte die CIA.

Wie kam Ihr Vater zur Fliegerei?
Er war etwa 13 Jahre alt und durfte auf einer Landwirtschaftsmesse mit einer Pilotin mitfliegen. Zurück am Boden wollte er Pilot werden. Sein Vater war nicht begeistert, er wollte, dass sein Sohn Arzt wird. Nach dem College ging er zur Air Force. Das enttäuschte seine Eltern.

Immerhin wurde er Teil eines Spezial-Kommandos.
Er war einer der besten Piloten seiner Zeit. So kam er auch zu diesem Angebot. Man erklärte ihm, dass er ein einzigartiges Flugzeug fliegen und als Zivilist für die CIA arbeiten würde. Die Mission war streng geheim. Daheim erzählte er, dass er per Flugzeug das Wetter erforschen und gut verdienen würde.

Und nicht, dass er ein Spion ist, der in Lebensgefahr kommen kann ...
Man wies die Piloten darauf hin, dass sie gefangen und gefoltert werden könnten. Sie bekamen eine Münze, darin steckte eine vergiftete Nadel. Es gab keine Anweisung, Suizid zu begehen. Als mein Vater geschnappt wurde, fanden die Russen die Nadel und testeten sie bei einem Hund. Der starb innerhalb von Sekunden. Der KGB ging damit an die Presse. Mein Vater wurde als geschwätziger US-Spion präsentiert, der sich umbringen hätte sollen, es aber nicht tat.

So dachten auch einige in den USA. Wie ging Ihr Vater damit um?
Er war anfangs schockiert, schüttelte es dann aber ab. Für ihn war klar: Er wusste, was passiert war, dachte aber auch, dass die CIA mehr hätte tun können, um seinen Ruf wiederherzustellen.

Warum taten sie das nicht?
Meinen Forschungen nach wollten sie so viele Missinformationen wie möglich streuen. Je mehr Theorien herumschwirrten, desto weniger war es für Feinde möglich, etwas herauszufinden. 1998 haben CIA und Air Force alles über das sogenannte U-2-Spionageprogramm öffentlich gemacht, dabei wurde auch die Geschichte meines Vaters geklärt. Zuletzt ehrten sie ihn posthum mit dem „Silver Star“, der dritthöchsten Auszeichnung für Tapferkeit im Kampfeinsatz.

Kommentare