Blog statt Goethe

Die IG Autoren übt heftige Kritik an der neuen Deutsch-Matura. Literatur werde marginalisiert.

Auf die neue Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek kommt viel Arbeit zu: Ihre Vorgängerin Claudia Schmied hat einige Reformen vorbereitet, ohne sie ganz umzusetzen: Eine davon ist die Zentralmatura.
Viel Kritik gab es bereits an der Reifeprüfung im Fach Mathematik. Doch auch im Fach Deutsch liegt noch vieles im Argen. Darauf weist die IG Autorinnen und Autoren – unter ihnen der Philosoph Konrad Paul Liessmann oder die Autorin Lina Hofstädter – in einer Aussendung hin: Was bisher vom bifie (arbeitet die Fragen aus, Anm.) vorgelegt wurde, „ist leider häufig oberflächlich und hat schlimme Auswirkungen auf den Unterricht und damit auf die literarische Bildung und das Literaturinteresse unserer Leserschaft von morgen“, heißt es in dem Schreiben.
Warum das so ist, erläutert Christian Schacherreiter, Schulbuchautor und Direktor des Georg-von-Peuerbach-Gymnasiums, OÖ: „Lehrer stehen unter Druck, nur das zu unterrichten, was bei der Matura abgefragt wird: Das sind vor allem Textsorten wie Leserbriefe, Zusammenfassungen, Postings oder ein offener Brief.“ Zwar können auch Interpretationen von literarischen Texten als Aufgaben gestellt werden. „Da es aber keinen Kanon gibt, werden nur kurze Texte wie Gedichte oder Auszüge aus Büchern bei der Matura interpretiert werden können.“ Die Folge: „Im Unterricht wird weniger gelesen. Die Literatur wird marginalisiert. Alles Kreative wird beschnitten. Sprache wird auf Funktionales reduziert.“
Dem stimmt Friedrich Malli, Direktor des BORG Deutschlandsberg, Stmk., zu: „Eine junge Kollegin berichtet mir, dass sie mit ihren Schülern der 5. Klasse in einem Jahr keine Literatur gelesen hat. Dabei hätte sie gerne etwas Anständiges mit ihnen gelesen.“ Aus seiner langjährigen Erfahrung als Deutschlehrer weiß Malli, „dass die Begeisterung für die Literatur oft beim Lesen kommt. Ich habe Schüler erlebt, die Literatur als Thema zur Kompensationsprüfung bei der Matura hatten und dabei Lust auf Bücher bekamen.“

Kulturelle Identität

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Lina Hofstädter
Der Vorarlberger Autorin und Lehrerin Lina Hofstädter wird „jetzt das Unterrichten verleidet. Denn mit der Literatur konnte ich die Schüler immer dort abholen, wo sie standen, und so für das Fach Deutsch begeistern.“
Wer keine Literatur liest, dem gehe ein Stück Identität verloren, meint Hofstädter: „Goethe, Nestroy oder Bernhard machen unsere Identität als Kollektiv aus.“ Ihr Vorschlag an die neue Ministerin: „Ein Teil der Deutsch-Matura soll zentral, ein Teil vom Lehrer gestellt werden.“
Das bifie zeigt teilweise Verständnis für die Kritik der Autoren. Der Verantwortliche Peter Simon sowie die neue Ministerin Heinisch-Hosek sind zu Gesprächen bereit. Ob dabei allerdings auf die Autoren gehört wird, bleibt fraglich: „Änderungen bei der Zentralmatura sind derzeit nicht in Sicht“, sagt Simon. „Wir gehen davon aus, dass wir das gegenwärtige Konzept mit entsprechend qualitätsvollen Aufgaben umsetzen können.“

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