Bildung trotzt Herkunft
Studieren oder eine Lehre machen? Für viele junge Menschen stellt sich diese Frage gar nicht. Sie machen, was ihre Eltern gemacht haben: Akademikerkinder gehen auf die Uni, Arbeiterkinder in die Lehre. Bildung ist in Österreich nämlich noch immer vererbbar – auch wenn an Hochschulen die bildungsnahen Schichten nicht mehr ganz so überrepräsentiert sind wie noch vor 15 Jahren.
Der Verein "Arbeiterkind.at" will diese Realität durchbrechen. Er macht Kindern aus bildungsfernen Schichten Mut, den Schritt an die Uni zu wagen. Idee und Konzept stammen aus Deutschland, wo Katja Urbatsch vor vier Jahren die Initiative Arbeiterkind.de gründete. Heute diskutiert Urbatsch mit Politikern in Wien. Der KURIER sprach vorab mit ihr.
KURIER: Frau Urbatsch, wie entstand die Idee, Arbeiterkind.de zu gründen?
Katja Urbatsch: Mein Bruder und ich sind die Ersten in unserer Familie, die studiert haben. Deshalb weiß ich, auf welche Schwierigkeiten junge Menschen wie ich beim Studium stoßen. Ich will jungen Menschen Mut machen, die in der gleichen Situation sind wie ich damals.
Wo liegen die größten Schwierigkeiten für Kinder aus Arbeiterfamilien?
Viele kommen gar nicht auf die Idee zu studieren, weil ihnen die Vorbilder fehlen. Ehrenamtliche unseres Verein gehen deshalb in Schulen und sagen den Jugendlichen: "Schau’, ich habe das geschafft. Du kannst das auch." Viele dieser Jugendlichen fürchten auch, dass die Leistungserwartungen zu groß sind. Da machen wir Mut.
Wie reagieren Eltern, wenn ihre Kinder studieren wollen?
Das ist unterschiedlich, manche stoßen auf Unverständnis und müssen sich rechtfertigen. Andere Eltern möchten unterstützen, fühlen sich aber hilflos und sind überfordert. Weder Eltern noch angehende Studierende sind vertraut mit der akademischen Welt, weil dort eine andere Kultur herrscht und auch eine andere Sprache gesprochen wird. Bei Akademikerkindern merkte ich, dass sie es gewohnt sind, zu Hause über politische Themen zu sprechen. Auch eine hochwertige Tageszeitung ist dort eine Selbstverständlichkeit. Bei Nichtakademikern gibt es die selten.
Wie wirkt sich das "Fremdeln" auf das Studium aus?
Mir war vieles völlig neu: Was ist eine wissenschaftliche Arbeit, wie funktioniert die Unibibliothek? Das waren für mich anfangs große Hürden. Überhaupt fehlte mir das Selbstbewusstsein, so dass ich mich nicht traute, Professoren anzusprechen. Kinder aus Mittel- und Oberschichtfamilien haben da viel mehr Selbstvertrauen. Selbst wenn sie ein schlechtes Schulzeugnis haben, glauben sie an sich.
Fürchten sich diese Jugendlichen auch vor den Kosten eines Studiums?
Sicher. Das ist sogar eine der größten Sorgen. Viele haben Angst davor, Schulden zu machen, die sie dann vielleicht nicht zurückzahlen können. Und manche schrecken vor dem Wust an Anträgen zurück, die es braucht, um Stipendien zu beantragen. Diese Geldsorgen führen zu einem immensen Leistungsdruck. Wenn die jungen Menschen z. B. durch eine Klausur fallen, ist das für sie eine Katastrophe.
Was macht der Verein Arbeiterkind?
Wir gehen in Schulen und ermutigen Schüler, an die Uni zu gehen. In Unistädten beraten wir in Sprechstunden und organisieren Stammtische. So wollen wir den Studenten das Gefühl geben, dass sie in dieser Situation nicht allein sind. Außerdem betreuen wir Infostände und -telefone usw. Auch in Wien haben wir jetzt eine Gruppe. Um zu expandieren, brauchen wir in Österreich mehr Sponsoren. Wir arbeiten zwar ehrenamtlich, für Folder, Computer und Ausbildung der Ehrenamtlichen brauchen wir aber Geld. Bis jetzt unterstützt uns nur die Arbeiterkammer.
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