Struwwelkinder statt Struwwelpeter

Struwwelkinder statt Struwwelpeter
In einem Benefiz-Konzert singen Sängerknaben gegen schwarze Pädagogik an. Erlös geht an "Die Möwe".

Wer kennt sie nicht, die Geschichte vom Struwwelpeter, der sich nie Haare oder Nägel schneiden ließ, und deshalb verspottet wurde. Oder die Geschichte vom Daumenlutscherbub Konrad, dem zur Strafe die Finger abgeschnitten wurden.

Als schwarze Pädagogik werden die Geschichten, die der Arzt Heinrich Hoffmann vor 170 Jahren erfunden hat, heute charakterisiert – also Erziehungsmethoden, die mit Gewalt und Drohungen arbeiten. Die "g’sunde Watsch’n" ist zum Glück gesellschaftlich immer weniger akzeptiert, wie die Geschäftsführerin der Möwe-Kinderschutzzentren, Hedwig Wölfl, weiß. "Und wenn es dann doch einmal zu Schlägen kommt, machen das die Eltern nicht aus Überzeugung, sondern meist aus Überforderung."

Wie aber sollen Mütter und Väter in brenzligen Situationen reagieren? Mit dieser Frage haben sich Schüler der Lernwerkstatt Brigittenau beschäftigt und zu ausgewählten Geschichten aus dem Struwwelpeter Lösungsansätze entwickelt und gezeichnet. Beispiel: Statt den Zappelphilipp für seine Unruhe zu bestrafen, wäre es doch klüger, ein Trampolin neben den Esstisch zu stellen, auf dem das Kind seinen Bewegungsdrang ausleben kann (siehe Bild unten)

Struwwelkinder statt Struwwelpeter
struwwelpeter
Auf Basis der Lösungsideen haben die Librettistin Johanna von der Deken und die Komponistin Elisabeth Naske "Die Struwwelkinder" als Gegenstück zum Struwwelpeter geschrieben. Das Chorwerk wird zugunsten der "Möwe" von den Wiener Sängerknaben im September uraufgeführt (siehe unten).

Kinder zu erziehen ist jedenfalls kein Kinderspiel. Die Herausforderungen sind heute zwar oft andere als vor 200 Jahren, als Fernsehen und Smartphones noch nicht erfunden waren. Doch auch heute würden der Hans-Guck-in-die-Luft oder der Zappelphilipp viele Eltern zum Verzweifeln bringen.

Weniger Gewalt

Die schwarze Pädagogik verschwindet glücklicherweise immer mehr, wie eine Studie im Auftrag des Familienministeriums aus dem Jahr 2011 zeigt: Während bei den Über-50-Jährigen körperliche und psychische Gewalt Alltag war, ist das heute "nur" noch bei jedem zweiten Kind der Fall. Für Wölfl besonders erschreckend ist eine Form der psychischen Gewalt, von der Mädchen häufig betroffen sind: "Eltern reden oft stunden- oder tagelang nichts."

Psychotherapeutin Wölfl will Eltern nicht mit dem erhobenen Zeigefinger kommen. Sie sieht es vielmehr als Aufgabe, Mütter und Väter darin zu stärken, bei der Erziehung ihrem Gefühl zu trauen. Damit Kinder gesund aufwachsen.

Ein Morgen für die Kinder: Das 20-minütige Konzert "Struwwelkinder" der Sängerknaben sowie vertonte Gedichte der Schriftstellerin Mira Lobe werden im Augarten uraufgeführt. Der Erlös des Benefizkonzerts geht an die Kinderschutzoganisation "Die Möwe".

Ort: Samstag, 10. September, 10.30 Uhr in Wien 2., Am Augartenspitz 1, MuTh-Konzertsaal der Wiener Sängerknaben. Preise ab 32 € für Erwachsene, ab 9 € für Kinder. Tickets unter tickets@muth.at, auf www.muth.at/programm bzw. unter 01/347 80 80.

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