Wie ein Kamel-Skelett nach Tulln kam

In der Tullner Rosenarcade aufgetaucht: Ein Kamel aus dem 17. Jahrhundert
2006 entdeckten Forscher ein Tier-Skelett. Jetzt wissen sie, dass es sich um eine Kreuzung aus Dromedar und Trampeltier aus der Türkenzeit handelt.

„Ich habe meinen Augen nicht getraut. Ein Kamel – an einem Platz, wo es nicht hingehört“, erinnert sich Alfred Galik an das Jahr 2006, als bei Bauarbeiten ein Kamel-Skelett in der Erde zum Vorschein kam. Der Archäozoologe von der Veterinärmedizinischen Universität Wien war ziemlich verblüfft, als er einen Blick auf die Halswirbelsäule, den Unterkiefer, die Mittelhand- und Mittelfußknochen geworfen hatte.

Mittels DNA-Analysen stellten die Wissenschaftler der VetMed fest, dass sie es mit einer Kreuzung – einem Hybrid – zu tun haben: Die Mutter sei ein Dromedar, der Vater ein Trampeltier gewesen. Jetzt veröffentlichten die Wissenschaftler der VetMed die Ergebnisse ihrer Analysen im renommierten Wissenschaftsmagazin PLOS.

Es handelt sich um ein Kamel, das es während der zweiten Türkenbelagerung (1683) ins niederösterreichische Tulln verschlagen hat. Den Forschern zufolge hat das Kamel tatsächlich im 17. Jahrhundert gelebt. „Zur damaligen Zeit war diese Kreuzung nichts Ungewöhnliches. Hybriden waren genügsamer, ausdauernder und größer als ihre Mutter- und Vater-Tiere. Für das Heer waren diese Tiere also besonders geeignet“, erklärt Galik.

Zuerst sei das Skelett nur teilweise ausgegraben worden. Man habe es anfangs für ein Pferd oder ein großes Rind gehalten. Erst eine Untersuchung des gesamten Skeletts enthüllte die wahre Tragweite des Fundes.

Einzigartig

Kamelknochen in Europa sind zwar keine Seltenheit, sie sind bereits ab der Römerzeit nachweisbar. In Serbien und Belgien, sowie in Mauerbach bei Wien hat man einzelne Knochen gefunden. Ein komplettes Kamel-Skelett ist aber bisher für mitteleuropäische Verhältnisse einzigartig – die Zahl der niederösterreichischen Kamele ist äußerst überschaubar.

Stellt sich die Frage: Wie kommt ein Kamel nach Tulln? Dass im Osmanischen Heer neben Pferden auch Kamele als Reit- und Transporttiere zum Einsatz kamen, ist historisch belegt. Im Notfall mussten sie sogar als Nahrungsquelle für die Soldaten herhalten. Im Fall des Tullner Skeletts schließt Galik etwas Derartiges allerdings aus. Er vermutet, dass das Tier Teil eines Tauschhandels der Osmanen mit den Einheimischen gewesen ist. „Für die Tullner Bevölkerung war das Tier mit Sicherheit sehr exotisch. Womit man so ein Tier füttert, und ob es zum Verzehr geeignet wäre, war den Bewohnern Tullns wahrscheinlich unklar. Vielleicht starb das Tier eines natürlichen Todes und wurde deshalb anschließend ungenutzt vergraben.“

Was die Forscher sonst noch herausgefunden haben? Das Kamel war männlich, etwa sieben Jahre alt und höchstwahrscheinlich kastriert. Wie es mit dem Skelett weitergeht, wissen sie dagegen noch nicht. Längerfristig könnte der einzigartige Fund in einem Museum zu sehen sein. Momentan scheitert das aber an der Finanzierung.

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