Alpengletscher rinnen weg wie selten zuvor

Es war einmal: Um 1850 hatte die Pasterze ihre größte Ausdehnung
Der heurige heiße Sommer ließ die Gletscher fast so stark schmelzen wie die Hitze im Jahr 2003.

Nicht nur die Menschen, auch die Gletscher kamen in diesem Sommer ins Schwitzen. Die Glaziologin Andrea Fischer von der Akademie der Wissenschaften vergleicht diesen Sommer gar mit dem Jahrhundertsommer 2003. Die endgültige Gletscher-Bilanz wird zwar erst im April 2016 vorliegen, erste Messzahlen liegen aber schon auf Fischers Schreibtisch.

Alpengletscher rinnen weg wie selten zuvor
Pasterze
Ihr Resümee: "Die Abschmelze ist heuer fast genauso groß wie 2003." (Bild: Die Pasterze 2011) Der Unterschied: "In diesem Jahrhundertsommer waren die Monate Juli und August nicht ganz so heiß, dafür hatten wir 2015 einen eher kalten Juni. Die Abschmelzphase dauerte deswegen nicht ganz so lange."

Dass die Messstellen einen geringeren Masse-Verlust verzeichnen, hat noch einen weiteren, schlichten Grund: Weil die Gletscher schon sehr zurückgegangen sind, schmilzt weniger Schnee. Wenn die aktuellen Prognosen stimmen, wird sich der Rückgang der Ferner – wie die Nordtiroler die Gletscher bezeichnen – in den kommenden Jahren noch fortsetzen. Manche Forscher rechnen damit, dass bereits im Jahr 2050 alle Eismassen in den Bergen verschwunden sind, andere meinen, dass 2100 immerhin noch 30 Prozent der jetzigen Gletscher-Massen sichtbar sein werden.

"Es wird wohl auch in Zukunft in den Alpen Gletscher geben", glaubt Fischer. "Allerdings vor allem solche, wie sie in den Pyrenäen und den Abruzzen anzutreffen sind – sehr kleine Eisflächen, die an schattigen Stellen liegen und an denen der Schnee schlecht abfließen kann."

Eishöhlen

Noch sehr lange wird es wohl "unterirdische" Gletscher geben, die man meist in Karsthöhlen findet: "Über die weiß man noch wenig", sagt Fischer. Nur so viel: "Sie sind nicht so vom Klima abhängig. Einzig der Wind hat einen gewissen Einfluss auf die Schnee-Massen." Alois Rettenbacher von der "Werfener Eisriesenwelt" beobachtet gar, "dass die Eis-Menge in der Höhle um ein Drittel gewachsen ist."

Fischer, die den Gletscher-Messdienst des Alpenvereins leitet, kennt die Folgen des Gletscher-Schwunds für den Tourismus: "Das Mikroklima wird sich in den Gebieten ändern, die im Sommer schneefrei sein werden. Der fehlende Frost führt dazu, dass sich die Seitenflanken – die stützenden Felsen – destabilisieren, Geröll wird so frei. Diese Steinlawinen können Wege verschütten, die dann wieder mühsam aufgebaut werden müssen. Auch Wanderungen werden gefährlicher, wenn das Geröll plötzlich gen Tal rutscht."

Eine gute Nachricht hat die Berg-Expertin aber doch parat: Die Pflanzen und Tiere werden sich den frei gewordenen Lebensraum schnell erobern. Das wird das Gebiet schnell wieder fester und somit sicherer machen." Aufatmen können auch die Wintersportler. Zwar wird es an immer weniger Stellen möglich sein, das ganze Jahr über Ski zu fahren. "Doch dort, wo jetzt die Gletscher sind, wird es noch lange in der kalten Jahreszeit schneien. Schließlich liegen diese meist in hohen Regionen."

Fragt man Forscher, wie es mit dem Klima weitergeht, bekommt man für den Süden (trockener) und den Norden Europas (feuchter) rasch klare Auskünfte. Nur die Alpen entziehen sich den Prognosen, liegen sie doch in der Übergangszone, das mache es schwer, sagt Klimaforscher Klaus Haslinger. Und hat sich trotzdem an eine Untersuchung des sogenannten erweiterten Alpenraum (Süd-Deutschland bis Nord-Italien, Ost-Frankreich bis West-Ungarn) gewagt. Ergebnis: "In den Sommermonaten zeigen Klimamodelle, dass extrem trockene Phasen deutlich zunehmen." Bis 2100 könnte jedes vierte Monat ungewöhnlich trocken ausfallen. Damit sind auch die Aussichten für Gletscher wohl eher durchwachsen.

Alpengletscher rinnen weg wie selten zuvor

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