Alleinerziehende: Keine Mütter zweiter Klasse

mother and child resting at Lake Constance
Obwohl sie oft besonders viel leisten, kämpfen sie mit Vorurteilen und Geldsorgen.

Zeit nur für sich – Alleinerziehende können davon meist nur träumen. Über Jahre hinweg jonglieren sie rund um die Uhr Kinder, Job und Finanzen. Dankbarkeit von der Gesellschaft erhalten sie für diese Meisterleistung nur selten. Im Gegenteil, wie Anita Karall beklagt. „Ihnen wird oft suggeriert, dass sie für die Situation selbst verantwortlich sind, weil sie es nicht geschafft haben, ihren Partner zu halten.“

Dass dies nicht nur eine subjektive Wahrnehmung ist, bestätigt Sarah Zeller. Die Sozialarbeiterin hat für die Österreichische Plattform für Alleinerziehende (ÖPA) eine qualitative Untersuchung gemacht und Betroffene in ganz Österreich befragt. Die ÖPA will so auf die Leistung und auf die Probleme der Alleinerzieher aufmerksam machen.

Das größte Problem ist natürlich: das Geld. Die dreifache Mutter Claudia S. bringt es so auf den Punkt: „Alleinerziehen ist kein Problem, solange das Geld nicht ausgeht.“ Doch das geht oft aus, auch weil der Vater die Alimente nur sporadisch zahlt – nur die Hälfte der Väter zahlt regelmäßig den vom Gericht festgesetzten Betrag. „Das macht natürlich ungemein Stress. Man wird dann erfinderisch und überlegt, wie man das Budgetloch stopft.“ Kein Wunder, dass unter den Alleinerziehern die Armutsgefährdung besonders hoch ist.

Dass Eltern, die ihr Kind alleine erziehen, Organisationstalente und kreative Querdenker sind, werde von Firmen zu wenig wertgeschätzt, beklagt Zeller. Und auch sonst würde die Arbeitswelt, die immer flexiblere Mitarbeiter fordere, zu wenig Rücksicht auf die Familien nehmen. „Hier geht es vor allem um bezahlbare Kinderbetreuung auch in den Randzeiten – auf dem Land ist da die Situation besonders schlecht“, beklagt die Burgenländerin Karall. Eine Forderung, die nicht nur Alleinerziehende unterschreiben können.

Alle haben das Problem

ÖPA-Vorstand Jana Zuckerhut ergänzt: „Bei Alleinerziehenden wird besonders stark sichtbar, wo die Missstände in der Familienpolitik und in der Gesellschaft liegen. Das Betreuungsproblem haben ja alle Familien.“ Die ÖPA startet daher jetzt die Kampagne "Wir sind der Maßstab".

Alleinerziehende: Keine Mütter zweiter Klasse

Zuckerhut ist es wichtig, dass Alleinerziehende nicht als defizitär, sondern als Familie wahrgenommen werden. „Es müssen entsprechende Rahmenbedingungen geschaffen werden.“ Auch weil diese Mütter – Väter sind die Ausnahme – unter enormem psychischem Druck stehen, wie Zeller weiß: „Das Gefühl, ständig nur für andere da zu sein, keine Verantwortung abgeben zu können, belastet.“ Zudem hätten viele das Gefühl, besonders perfekt sein zu müssen. „Denn wenn irgendetwas nicht rund läuft, werden diese Eltern häufig herabgewürdigt. Macht das Kind z.B. Probleme, heißt es: ,Kein Wunder, bei einer alleinerziehenden Mutter‘.“

Sicher, manches verschärft sich – besonders, wenn sich Mutter und Vater nicht grün sind (wie es miteinander geht, s. u.). Vera F. berichtet, dass ihr Ex ins Ausland abgetaucht war, um keine Alimente zahlen zu müssen. „Jetzt ist er wieder da und konterkariert meine Erziehungsversuche. Ich hatte meiner 16-jährigen Tochter verboten, alleine zu verreisen. Aus Protest ist sie jetzt zu ihm gezogen.“ Wobei: Dass Kinder Eltern gegeneinander ausspielen, gibt es auch in „klassischen Familien“.

Apropos klassische Familie: Überall dort, wo sich Mütter und Väter Haushalt und Erziehung teilen, ist die Chance nach einer Trennung höher, dass sich beide weiterhin um das Kind kümmern, weiß Zuckerhut. „Doch bei der Gleichberechtigung hapert es – immer noch wird es vielen Männern schwer gemacht, in Karenz zu gehen.“

Spontane Absage

Wer sein Kind mit aufwachsen sieht und so ein Verantwortungsgefühl entwickelt, der wird auch nach der Trennung für den Sohn oder die Tochter da sein wollen. Vorfälle wie diese werden dann wohl eine Seltenheit: „Eigentlich war Besuchstag“, erzählt eine Mutter. „Also habe ich einen beruflichen Termin so gelegt, dass ich die Kinder beim Vater wusste. Doch kurz vor dem Termin hat er abgesagt. Ich musste die Kinderbetreuung organisieren und finanzieren.“

Teilen sich Mann und Frau in einer Partnerschaft die familiäre Aufgaben, so sind beide nach einer Trennung auch finanziell weniger abhängig. „Es ist dieses Gefühl, plötzlich zum Opfer und Bittsteller zu werden, was so schmerzt“, sagte eine alleinerziehende Mutter im Zuge der Befragung. Sie berichtete Sarah Zeller von einem Besuch im Jugendamt: „Als ich um Unterhalt gekämpft habe, wurde mir gesagt, dass ich eh noch jung und hübsch bin. Da finde ich doch einen netten Mann, dann ist das Problem gelöst. Man meinte wohl, dass ich dann ein Teil einer richtigen Familie bin und meine Geldsorgen los bin.“

Alleinerziehende: Keine Mütter zweiter Klasse

Doppelresidenz:

Wie gemeinsames Erziehen nach der Trennung klappt

Wer genau sind Alleinerzieher? Bei genauer Betrachtung ergeben sich für eine korrekte Antwort darauf einige Probleme durch die statistische Erfassung: Als Alleinerzieherin oder Alleinerzieher gelten jene, die die alleinige Obsorge haben. Die fällt bei nicht-verheirateten Paaren, die ein Kind bekommen,  automatisch der Mutter zu – die gemeinsame Obsorge muss erst beantragt werden. Bei getrennt lebenden Eltern gilt jener als Alleinerzieher, bei dem das Kind hauptgemeldet ist.

Diese Unschärfe kommt immer öfter vor, weil der Gesetzgeber vor einigen Jahren per Reform die gemeinsame Obsorge zum Automatismus nach Trennungen erhob. Konkret heißt das: Wenn Eltern in Ruhe und ohne Streit beschließen, nicht mehr gemeinsam leben zu wollen und sich einer der beiden eine neue  Wohnung nimmt, bleibt die Obsorge bei beiden – solange nichts anderes beantragt und entschieden wird. Selbst wenn sie weiters beschließen, sich zeitlich und finanziell halbe-halbe um ihren Nachwuchs zu kümmern, müssen sie trotzdem entscheiden, wo Kind oder Kinder hauptgemeldet sind. Ein Widerspruch auch für Familienrichter, vor denen solche Fälle wegen mangelnder Streitpunkte sehr selten landen. Sie müssen beim Entscheid einen Hauptaufenthaltsort des Kindes festhalten. In der Praxis würde man sich pro forma auf einen der beiden Eltern-Wohnsitze einigen, hört man von Richtern.

teuerrechtLogisch und richtig ist dies aber nicht, und es kann zu handfesten Problemen führen – steuerrechtlich oder etwa bei Wohnungsförderungen. Insgesamt ist aber vor allem paradox, dass der Gesetzgeber zwar die gemeinsame Obsorge forciert hat, zugleich aber bis heute nicht ermöglicht, dass Kinder an beiden Wohnorten hauptgemeldet sein können. Und damit ein Elternteil statistisch zum Alleinerzieher wird, obwohl man sich friedlich und einvernehmlich auf gemeinsames Kindererziehen einigte.

Die Lösung  liegt im so genannten „Doppelresidenz-Modell“, wonach Kinder an zwei Wohnsitzen paritätisch leben und gemeldet sein können. Laut Regierungsprogramm soll das in dieser Legislaturperiode eingeführt werden.

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