Um die Empörung der Kunsthistoriker gleich einmal hintanzuhalten: Oskar Kokoschka (1886 – 1980) war zweifellos ein Leuchtstern der Wiener Moderne, seine frühen, ins Seelische blickenden Porträts von Zeitgenossen wie dem Architekten Adolf Loos oder dem Dichter Iwar von Lücken im Auftaktsaal der Albertina Modern belegen das auch. Doch Kokoschka war auch das, was man einen „Bully“ nennt – ein Karrierist, der niemand anderen neben sich duldete und andere gezielt schlecht machte. In der Schau zu Max Oppenheimer im Leopold Museum (bis 25. 2.) ist dies gut dargelegt.
Vakuum nach 1918
Was die „Rivalität“ zu dem um acht Jahre jüngeren Herbert Boeckl ausmachte, bleibt in der Albertina dagegen vage: Machte sich der gebürtige Klagenfurter doch erst in der Wiener Kunstszene breit, als Kokoschka schon nach Dresden übersiedelt war und dort eine Professur innehatte.
Egon Schiele höchstselbst hatte Boeckl an den Kunsthändler Gustav Nebehay empfohlen, der den jungen Künstler ab 1921 – da war Schiele schon tot – mit einem Langzeitvertrag an sich band. Boeckl füllte also ein Vakuum der Modernität aus, das sich nach 1918 aufgetan hatte. Und viel hatte dann neben ihm auch nicht mehr Platz.
Die Werkauswahl der Wiener Ausstellung lässt die Karrieren der beiden aber eher wie zwei Bahngleise nebeneinander ablaufen: Da sind die Aktzeichnungen Boeckls und die Tiere Kokoschkas, die alle von einem Bruch erzählen, den die Moderne im Bildverständnis verursachte – doch immer scheint dieser Bruch ein wenig aus dem Rückspiegel betrachtet.
Selbst die „nackten Toten“, die Herbert Boeckl 1931 in einem Seziersaal zeichnete, haben nicht die Radikalität, die Oskar Kokoschka vor dem Krieg manchmal angesichts von Lebenden ins Bild bannte.
NS-Mitgliedschaft
Während Letzterer die volle Wucht der NS-Ächtung erfuhr, begeisterte sich Boeckl zuerst für den Austrofaschismus und durchtauchte dann die NS-Zeit – dass er 1946 als Rektor der Akademie der bildenden Künste abberufen wurde, weil er „vergessen“ hatte, seine NS-Mitgliedschaft anzugeben, wird in der Ausstellung genau so kolportiert und nicht hinterfragt.
Was die Schau letztlich zeigt, ist eine breitbeinige Künstlermentalität, die sich keinen Selbstzweifel, kein Tasten und Suchen leisten kann. Statt auf dem Vulkan zu tanzen, steht Boeckl am Ende der Schau fest auf seinem Erzberg, den er fast so oft malte wie sein großes Vorbild Paul Cézanne den Mont St. Victoire in der Provence.
Das Territorium der künstlerischen Lehre behielt Boeckl fest im Griff, 1953 sollte Oskar Kokoschka einen Außenposten mit der „Schule des Sehens“, der heutigen Sommerakademie, in Salzburg aufschlagen.
Wie all das Österreichs Künstlergenerationen prägte, ist Stoff, der eine weitere Ausstellung lohnen würde.
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