Es ist eine wichtige Ausstellung, die das Leopold Museum dem 1885 geborenen, 1954 verstorbenen Künstler widmet, die bisher größte Zusammenschau seines Werks, das auch aufgrund der tragischen Lebensgeschichte des Malers ärger zersplittert und schlechter dokumentiert ist als das seiner Zeitgenossen. Sie hilft, den Platz Wiens im kulturellen Kanon klarer zu sehen, das Lebensgefühl einer Epoche zu verstehen, auch den Verlust desselben.
➤ Mehr lesen: Aufgetaucht - Leopold Museum erwirbt Oppenheimer-Selbstporträt
Erscheinung
Oppenheimers Porträts sind „Seelenbildnisse“, sie scheinen über Blicke, Handhaltungen, Farbtöne und die Behandlung der Bildoberfläche etwas über die innere Verfasstheit der Dargestellten zu verraten. Hier traf sich der Maler, der sich selbst als Dandy gerierte und eine provokante Erscheinung gewesen sein muss, mit seinen Zeitgenossen Egon Schiele und Oskar Kokoschka.
Mit Ersterem pflegte er 1910/’11 eine intensive Freundschaft und Ateliergemeinschaft – dass diese auch eine sexuelle Beziehung mit einschloss, ist nicht klar belegt, wird aber vermutet. Mit Kokoschka wiederum sollte sich Oppenheimer 1911 bis aufs Blut zerkrachen.
Die mit Bildwerken und Archivalien gut bestückte, aber nie überladene Ausstellung zeichnet diesen Bruch klar nach. Konkret ging es um ein Plakat für eine Münchner Ausstellung Oppenheimers, in der Kokoschka ein Plagiat seines Designs für die Zeitschrift „Der Sturm“ erblickte: In beiden Bildern greift sich ein Mann in die offene, blutende Wunde an der Brust.
Die Wunde: Das Motiv, das sich von der christlichen Heilsgeschichte bis zu Richard Wagner und weiter zu Joseph Beuys und Hermann Nitsch verfolgen lässt, wird einen ab diesem Punkt nicht mehr loslassen. Oppenheimer spielte es in unzähligen Varianten durch, machte es zum Angelpunkt einer malerischen Entäußerung, die in der Schau in dem Saal mit den zwei Hauptwerken „Die Geißelung“ (1913) und „Simson“ (1911) furios steigert. In den bewegten Körpern, die wie zwischen zwei Glasplatten gedrückt erscheinen, ist die Anlehnung an den Barockmaler El Greco schnell zu erkennen.
Eine tiefere Deutung kann an dieser Stelle nur in Küchenpsychologie enden. Aber es verblüfft, wie Oppenheimer völlig unterschiedliche Ebenen in seinen Bildern zusammenzubringen vermochte: Die Körper in seiner Geißelung sind hoch erotisiert (der Künstler lebte, untypisch für seine Zeit, seine Homosexualität offen aus) und stehen gleichzeitig in einem akzeptierten Bildkanon.
Medizinischer Blick
Es fällt auf, dass Oppenheimer neben christlich-mythologischen Körper-Themen auch oft Krankenhaus-Operationen malte – durchaus in der Tradition der „Anatomiestunde des Dr. Tulp“ von Rembrandt, den Oppenheimer als seinen Lehrmeister bezeichnete. Gleichermaßen Massaker und Standesporträt, verschwimmen auch in Oppenheimers Bildern die Zuordnungen, die Spitzen der Wiener Medizin stehen gemeinsam mit der Bohème in einer Ahnenreihe, die bis ins Goldene Zeitalter der Niederlande zurückreicht.
Überschreitung
Dabei ist mit den Grenzüberschreitungen und Synthesen, die Oppenheimer bewerkstelligte, hier noch lange nicht Schluss: Selbst Musiker und Experte für rare Instrumente, porträtierte er Orchesterstars und Dirigenten (sein monumentales Bildnis Gustav Mahlers inmitten der Wiener Philharmoniker, zuletzt im Belvedere ausgestellt, ist nicht Teil der Schau). Seine Fähigkeit, über Hände Anspannung, Konzentration und mehr auszudrücken, lief dabei zur Hochform auf.
Eine wertvolle Geige nahm Oppenheimer schließlich noch mit, als er, als Jude von den Nazis verfolgt, Österreich 1938 gerade noch in Richtung Schweiz verlassen konnte. Am 12. Jänner 1939 kam er in New York an, nachdem er mühsam um Unterstützung hatte ansuchen müssen.
„Wenn ich erst einmal wieder in einer angenehmen Atmosphäre leben und arbeiten kann, werde ich mich revanchieren und Erfolg haben“, heißt es in einem ausgestellten Brief, den der Maler an den Mäzen Frederick Warburg richtete.
Oppenheimers Karriere hob aber nicht mehr ab, 1954 starb er vereinsamt in New York. Neben einigen wenigen Bildern der Spätzeit zeigt das Museum Reproduktionen von Werken, die teils verbrannten oder verschollen sind. So wird die Ausstellung auch zum Erinnerungsort für die Vertreibung der Intelligenz.
Kommentare