Es war offenbar ein wichtiges Bild für den Maler Max Oppenheimer. 1911 hatte er sein Selbstporträt gemalt, mit eindringlichem Blick wie ein Schmerzensmann und einer fast zombiemäßig anmutenden Hand. Es war ein Zeugnis der intensivsten Zeit, die Oppenheimer mit Egon Schiele verbracht hatte: Seite an Seite hatten die beiden Künstler im Winter 1910/’11 in Schieles Atelier gearbeitet.
In der Oppenheimer-Werkschau des Leopold-Museums, die kommenden Donnerstag eröffnet, wird das Bild nach langer Zeit zu sehen sein – als Neuzugang der Museumssammlung. Vorangegangen war dem eine Einigung mit Nachkommen des einstigen Besitzers, der einer der zentralen Sammler und Ermöglicher des Expressionismus in Österreich gewesen war: Oskar Reichel. Er wurde 1938 von den Nazis enteignet. Während Teile von Reichels Sammlung restituiert oder abgegolten wurden, zeigt der Fall des Oppenheimer-Bilds, wie oft Raubkunst weiterhin unentdeckt bleibt.
Seelenbildnis
1911 hatte der Künstler sein Selbstporträt in München präsentiert. In einem Buch, das ebenfalls 1911 erschien, fand sich schon der „Besitzer Dr. Oskar Reichel, Wien“ verzeichnet. Zuletzt sah man es 1913 öffentlich in der Galerie Miethke: Es war das erste Mal, dass ein Privatmann, der erfolgreiche Internist Reichel, seine Sammlung so umfassend präsentierte.
Das Leopold Museum, selbst aus der Privatsammlung eines Augenarztes hervorgegangen, suchte im Vorfeld seiner Oppenheimer-Schau nach „verschollenen“ Gemälden. Tatsächlich tauchte das Selbstporträt im April 2023 in einer Auktion bei Sotheby’s in Köln auf: Auf nicht ganz geklärtem Weg war es in den Besitz der Grazer Opernsängerin Dorit Hanak-Tscharré gelangt. Sie war am 23. Oktober 2021 verstorben.
„Sorgfaltspflicht erfüllt“
Die Provenienz aus der Sammlung Oskar Reichel wurde im Auktionskatalog genannt. Man habe in Archiven und Verlustdatenbanken recherchiert, heißt es auf KURIER-Nachfrage. „Unsere Recherchen und das Feedback aller Beteiligten führten zu dem Ergebnis, das Werk in der Auktion anbieten zu können“, schreibt eine Sotheby’s-Sprecherin. „Nachdem Ansprüche dann doch kurz vor der Auktion erhoben wurden, haben wir das Werk zurückgezogen.“ Das Auktionshaus sei seiner Sorgfaltspflicht „in Gänze nachgekommen.“
Hans-Peter Wipplinger, Direktor des Leopold Museums, war von den Experten seines Hauses aber davor gewarnt worden, mitzusteigern. 2010 waren drei Werke des Malers Anton Romako aus dem Leopold-Bestand als Teile der geraubten Sammlung Reichel identifiziert worden – das Museum erzielte 2011 eine Einigung mit den Erben.
Reichel hatte auch mit Kunst gehandelt. Dass das nun vorliegende Bild Raubkunst war, ergab sich aber aus einer Vermögensaufstellung, die der Schätzmeister Amatus Caurairy am 25. Juni 1938 in Reichels Döblinger Villa erstellt hatte. Neben Gemälden von Kokoschka und Romako – Reichel hatte sich um dessen Wiederentdeckung verdient gemacht – findet sich darin auch ein „Selbstporträt des Malers Oppenheimer“, geschätzt auf 40 Reichsmark.
Über die Summe, die das Leopold Museum nun für den Erwerb und die Erben-Entschädigung aufwendete, wurde Stillschweigen vereinbart. Man habe „eine für alle Seiten schöne Lösung“ gefunden, sagt Wipplinger. Nicht zuletzt, weil es im Sinne der Nachfahren sei, dass die Werke öffentlich zugänglich sind. Reichels Sohn Raimund, nach Südamerika geflohen und 1982 nach Wien zurückgekehrt, hatte bereits 1988 ein Bild, das Oppenheimer von ihm und seiner Mutter gemalt hatte, dem mumok geschenkt.
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