Zum 60er: Erwin Steinhauer im Porträt

Zum 60er: Erwin Steinhauer im Porträt
Leicht sein mit 60. Erwin Steinhauer macht Musik. Er singt in "Feier.Abend" Schlager, Heurigenlieder und Cover-Versionen.

Das eine und das andere. Vier nackte Schönheiten hängen an Erwin Steinhauer. Er ist bekleidet, professoral bebärtigt, hält einen Gedichtband von Erich Fried in der Hand, darunter steht: "Es geht nichts über ein gutes Buch." Das war Fotograf Sepp Gallauers Bild-Inszenierung, 2009 in der Bar des Hotel Orient, zur Josefstadt-Premiere "Der blaue Engel" mit Steinhauer als Professor Unrat, konserviert im Fotoband "Josefstadt".

Das Testosteron in dem Schauspieler mag das Bild - no na. Gepflegte Bildung lässt ihn bemerken, dass der Unrat (in der ursprünglichen Stückfassung) "ja ein Puff in dem deutschen Provinznest betrieben hat, um sich an den Spießern zu rächen". So weit das eine.
Das andere, das den Humor der Kabarett-Ikone leicht kudernd aktiviert, ist die Covergeschichte in Österreichs größter Seniorenzeitung "Unsere Generation". Ab 19. September kann Steinhauer aller pensionistischen Postwurfsendungen gewärtig sein: Er wird 60. Grinst bloß: "Endlich Covergirl. Das letzte Mal mit 35, beim Qualtinger-Remake ,Herr Karl' im KURIER." Okay, der Kabarettist und Autor, Theater-, Film- und Fernsehschauspieler unterschlägt da garantiert was, aber das spricht für ihn.

Denn, ob man nun den Film, das Stück, den Autor, den Regisseur, die Mitspieler mag oder nicht, eines gilt: Wenn Steinhauer spielt, muss man zuschauen. Rare ORF-Feinheiten, sein Inspektor Polt, sein Nationalratsabgeordneter Grünsteidl in "Trautmann" und sein (mittlerer) Bruder Ernst in Wolfgang Murnbergers Brüder-Trilogie; große Erinnerungsmelodie sein Unterrichtsminister Flint in Schnitzlers "Professor Bernhardi" am Burgtheater; beklemmend sein Oskar in "Geschichten aus dem Wiener Wald"; gänsehautgruselig sein Patriarch in Vinterbergs provokantem Missbrauchsstück "Das Fest"; kaum weniger nahe gehend sein Ray in der Aufarbeitung der unmöglichen Liebesgeschichte mit einer 12-Jährigen in David Harrowers "Blackbird" - alle in der Josefstadt. "Blackbird" spielt er an seinem Geburtstag, dem 19. September. Und blöd gelaufen! In Wien wird sich der Geburtstagsflüchtling, frei nach George Bernard Shaw: "Nur ein Narr feiert, dass er älter wird", dem Gefeiertwerden nicht ganz entziehen können. Am 18. noch liest er "Ganz im Ernst" mit den oberösterreichischen Concert-Schrammeln am Bodensee, schön weit weg, doch danach - leider.

Singen hat er nicht gelernt

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Lachen ohne Ende, aktuell im Wiener Café Weimar. Die Musik! Drei Moser-Lieder singt der Moser-Darsteller in Franzobels umstrittenen Josefstädter-Auftragswerk bloß bei seiner Lesung mit den Concert-Schrammeln. Aber jetzt, "in meiner jugendlichen Frische wag ich es: Ein rein musikalisches Programm." Es heißt "Feier.Abend", und kündigt sich mit dem putzigen Zusatz an: "Steinhauer hat keine Badewanne, möchte aber singen". Mit seiner kleinen, feinen Band, seinen "Lieben" Peter Rosmanith, Georg Graf und Joe Pinkl, macht der Mime sich über jene "Lieblingslieder" her, die in "unseren frühen Jahren auf uns einge- prasselt sind".

Deutsche Schlager, angefangen von Marmor, Stein und Eisen bricht ("bitte, den Text muss man sich nicht wirklich merken"), Udo Jürgens' Warum nur, warum ("hab ich in der Schottenkirche bei der Hochzeit eines Cousins gesungen. Die Ehe hielt nicht lange"), Françoise Hardys Frag den Abendwind ("zwingend, als man mit 16 total orientierungslos durch die Welt ging") bis Leonard Cohen und Randy Newman. Von alten Hits zu neuen Gassenhauern zu Wienerliedern ("in der Studentenzeit hab ich mit der Gitarre in Sievering mein Geld verdient") von Hans Moser, Kreisler oder Neuwirth. Die Voraufführung findet am 15. Oktober in St. Ulrich im Greith statt (das liegt im Steirischen), die richtige Premiere (nach ein paar weiteren ländlichen Probeläufen) am 3. November im Wiener Rabenhof Theater. Begonnen hat Steinhauers Arbeit mit Rosmanith & Graf vor vier Jahren, als er H. C. Artmanns Text "Dracula, Dracula" zu den Kompositionen der beiden Herren auf einer Tournee sprach, später auf Hörbuch.

Nein, singen hat er nicht gelernt, "Ich mach ja kan Belcanto. Mit einer guten Sprechtechnik weiß man, wie man richtig atmen muss." Lacht: "Schauspieler singen ja nicht, sie interpretieren." Aber wichtiger: "Drei Wochen Musikproben und du fühlst dich, als hätten sie dir eine Injektion verpasst. Die Seele schwingt. Du denkst, du hast ein Leben lang was Falsches g'macht. Hab's total vergessen, über den hehren vergeistigten Dramatikerworten, wie fein es war am Theater an der Wien. Da gehst in das Haus und in allen Ecken klingt es." 25 war der Newcomer, als er in "Eviva Amico" den Toto neben Liselotte Pulver gab: "Sie war 52 und hat sich immer bissl gegiftet, dass ich mich zu wenig mit ihr abgegeben hab, aber das Ballettcorps war so schön.

Allein die Proben waren hocherotisch. Wir kamen um zehn, vor uns hat sich nur Dagi Koller um neun an der Stange gelockert . . . " Kudern. "Wilde Zeiten. Bist du g'scheit. Rein triebgesteuert natürlich in diesem Alter. Braucht ja sehr lange, bis man draufkommt, dass man nicht jede Frau herumkriegen muss. Und selbst dann verwechselt man Sexualität oft mit Liebe." Sarkastisch: "Und ich hab oft verwechselt . . ."
Sagt aber allen, die noch nicht 60 sind: "Es ist nicht schlimm. Hab mir ja schon beim Vierziger gedacht: Jetzt wirst langsam alt." Zusatz: "Verwittern ist schlecht. Vertrocknen.

Doch, du kannst die Kindheit bis ins hohe Alter hinüberretten!" Oder umgekehrt: "Je länger der Mensch Kind bleibt, desto älter wird er . . . Wenn", und das meint er ernst, "du neugierig bleibst, gewillt bist, ein Risiko einzugehen und die Abwechslung suchst, denn Gewohnheit stumpft (bekanntlich) ab. Für mich wär's Horror, ein Leben lang nur Kabarettist, nur Schauspieler zu sein. Stell mir das bei Beamten aber nicht anders vor." Tändelt eine weitere Lieblingsdevise daher: "Oft kommt die Weisheit mit dem Alter. Aber öfter kommt das Alter allein!"

"Die Haarfarbe ändert sich, bleibt nur die Frage: L'Oréal Nr. 2 oder Nr. 3?"

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Gut schaut er aus, der Jubilar, kompakt wie eh und je, doch ohne Wülste unter der Weste. Dreitagesbart, das grauschwarz melierte Haar kurz geschnitten unter dem Borsalino. Schon wieder Lachen: "Die Haarfarbe ändert sich, bleibt nur die Frage: L'Oréal Nr. 2 oder Nr. 3? Wenn ich für manche Stücke dunklere Haare brauch, wird's L'Oréal Nr.2. Dann merkt man die Blicke, hört: ,Hast was g'macht?", sagt natürlich: ,Nein, nein, woher denn!", macht das aber ohnehin nur beruflich, weil man privat auf jedes graue Haar stolz sein kann. Ähem." Teilt bissl aus: "Dass man älter wird, merkt man an den Gesichtern der Menschen, mit denen man jung war."

Sanftmütig, verglichen mit seinen Hoch-Zeiten als Kabarettist, mit der bitterscharfen Bilanz in dem (auch verfilmten) politischen Herzensprogramm "Freundschaft", mit dem zynischen Satz: "Der Humor ist ein Abfallprodukt der Intelligenz, drum hat er's so schwer". Die Satiresendung "Donnerstag Nacht" schaut Steinhauer noch, sonst muss er nicht mehr jeden deutschen Film sehen, um zu wissen, was die Kollegen tun - "die meisten sind so austauschbar, so banal". Nützt lieber YouTube oder bestellt interessante Kinofilme auf DVD.

Sagt zwar, dass er seine "großen Träume" nie verwirklicht habe, ein Haus am Meer zum Beispiel, grantelt aber nicht mal, dass es in seiner einzigen Urlaubswoche am Attersee - "nicht einen Tag am Meer hab ich dieses Jahr geschafft" - durchgeregnet hat. Der selbsternannte Sänger war mit einem Teil seiner Patchwork-Familie dort, mit Sohn Matthias, dem sechsjährigen Enkel Livian und dem zweijährigen Noah. Hin und weg, dass der dritte "frische" Enkel, Leon Elias Oscar, von Tochter Iris, der in der Oscarnacht zur Welt kam, "Iris so glücklich macht. Sie geht in der Mutterrolle auf." Der 11-jährige Stanislaus von Kathi Zechner gehört zu einem anderen Patchwork-Teil seines Glücks. Spielkamerad und Koch sei er für alle, sagt Steinhauer, "spielen und kochen sind die Sachen, die ich am besten kann".

Wobei er nur noch "auf Anfrage" der Kinder kocht, den (Koch-)löffel vor sieben Jahren in die Hände von Bettina Kuhn, der "Aufgetischt"-Produzentin gelegt hat. Schnurrend, aber unverheiratet - wie seine Kinder auch. Er weiß nicht genau, welchen Satz von Karl Kraus er richtiger finden soll: "Das Wort ,Familienbande' hat einen Beigeschmack von Wahrheit", oder "Das Familienleben ist ein Eingriff in das Privatleben". Loyalität sei jedenfalls maßgeblich, attraktiv aber auch ein kleiner Hang zum Unkorrekten, "eine schwarze Seele".

Bettina sei sehr ähnlich gestrickt wie er selbst, "lebt gern, lacht gern, isst gern, trinkt gern, ist an Kultur interessiert, liest so viel wie ich, ist kein Stubenhocker - und hat genug von diesem Geheimnis, das Anziehung bedingt". Wenn er sich was wünschen dürfte? "I hätt gern a Mädel." Steinhauer meint eine Enkelin.

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