"Unbezahlbar": Analystin Rosen über das Geld hinter dem Serienboom

"Unbezahlbar": Analystin Rosen über das Geld hinter dem Serienboom
Giganten wie Netflix und Amazon werfen Milliardenbudgets in die Produktion von Filmen und Serien. Lohnt sich das – und wenn ja, warum?

Was ist Netflix eigentlich wert? Und woher kommt das Geld, mit dem die amerikanischen Streaming-Giganten ihre Produktionsbudgets hochrüsten? Ein Interview mit Monika Rosen, Chefanalystin UniCredit Bank Austria Private Banking.

Die amerikanischen Streamingdienste wie Netflix geben Abermilliarden für ihre Produktionen aus. Herkömmliche Fernsehsender – auch in Europa – können da nicht mithalten. Woher kommt das Geld? Ist Netflix wirklich so hochprofitabel?

Monika Rosen: Im Fall von Netflix ist zu sagen, dass sie mehr ausgeben als sie im Bezug auf den Cashflow einnehmen. Wenn man es plakativ zusammenfassen will, leben sie ein bisschen über ihre Verhältnisse. Bei Amazon, das ist der zweite Marktführer, ist es im Bereich Streaming schwerer festzustellen, weil sie eine Vielzahl von Geschäftszweigen haben und eigentlich aus dem Einzelhandel stammen. Tatsache ist aber, das beide sehr hohe Bewertungen haben, die deutlich über dem Schnitt der Technologiebörse Nasdaq liegen.

Ist das gerechtfertigt?

Gerade bei Amazon war es ja immer so, dass die Anleger sehr viel Langmut bewiesen haben und es Jeff Bezos immer nachgesehen haben, dass er sehr wenig Gewinne gemacht hat. Im Falle von Netflix kann man vielleicht auch auf die Größenverhältnisse schauen: Netflix ist zwar sehr bekannt und vielleicht auch der Bahnbrecher bei den Streamingdiensten, hat aber eine Marktkapitalisierung von „nur“ rund 160 Milliarden Dollar. Im Vergleich zu den anderen Tech-Riesen ist das ein relativ kleiner Wert. Netflix macht zwar Gewinn, ist aber von den Anlegern extrem hoch bewertet – da steht stark die Wachstumsfantasie im Vordergrund. Amazon hat insgesamt eine Marktkapitalisierung von rund 900 Milliarden.

Im Tech- und Startup-Geschäft geht es im Endeffekt ja um die Frage, wer der Marktführer ist. Netflix hat hier gute Karten, oder?

Es gibt den alten Spruch: Es ist besser, erster zu sein, als besser zu sein. Allerdings erwächst Netflix mit Apple und anderen zunehmend Konkurrenz. Und jetzt zuletzt die Schlacht um die 21st Century Fox zwischen Disney und Comcast zeigt ja, dass die herkömmlichen Medienunternehmen auf diesen Zug aufspringen und im Streaming mitmischen wollen.

Das heißt der stärkste Konkurrent ist wahrscheinlich weniger Amazon als vielmehr Disney.

Definitiv – Disney hat auch Fernseherfahrung: den Disney Channel, ESPN… Ich würde meinen, dass sie zu einem ernsthaften Konkurrenten werden können, wenn sie da einsteigen.

Auf das Produktionsbudget von Netflix wurde die letzten Jahre immer eine Milliarde draufgelegt. Derzeit hält man bei acht Milliarden Dollar. Werden diese Zahlen noch weiter wachsen?

Noch gibt es – wenn auch zuletzt unter den Erwartungen – Zuwächse bei den Zuschauerzahlen. Im Vereinigten Königreich etwa nutzen heuer erstmals mehr Menschen Streaming als PayTV. Allerdings: Was ich fast noch spannender fand: Die Kinobesuche sind seit mit 170 Millionen seit 2002 unverändert.

Was sagt uns das? Alles ist komplementär?

Kino tut etwas, was Fernsehen nie tun kann – es hat einen Date-Charakter. Sie revolutionieren dann etwas, wenn Sie eine neue Tätigkeit erfinden. Der Markt prämiert eine neue Erfindung, etwa Facebook. Das ist eine neue Tätigkeit und das drückt sich aus in der wesentlich größeren Marktkapitalisierung von Facebook gegenüber Netflix.

Im Lichte der Mega-Budgets: Wie wertvoll ist Content wirklich?

Unbezahlbar. Deshalb „prügeln“ sich auch alle darum. Original Content ist schwer zu produzieren. Deshalb geht es mittlerweile sogar schon um die Frage, inwieweit die herkömmlichen Filmstudios bedroht sind, wenn Produktionen von Amazon oder von Netflix bei den Oscars mitmischen.

Netflix startet gerade eine Offensive in Indien mit einer eigenen Produktion. Ist der amerikanische Markt schon so gut besetzt, dass man nach außen drängen muss?

Netflix hat global 125 Millionen Zuseher. Von denen sind 56 Millionen in den USA. Bei Amazon sind es insgesamt 100 Millionen oder knapp mehr. Die Analysten gehen davon aus, dass die Mehrheit davon in den USA sind.

Was passiert eigentlich in China? Ist Netflix dort vertreten?

Was das Streaming in China betrifft, so haben Tencent, Baidu und Alibaba jeweils einen Streaming Dienst; diese drei Services sind auch die größten in China. Der Baidu Service hat eine Kooperation mit Netflix, alle drei sind nicht profitabel, aber JP Morgan schätzt, dass Streaming in China 2019 in die Gewinnzone kommt.

Eine grundsätzliche Frage: Vor bald zwei Jahrzehnten stürzten die Tech-Aktien durch die Dotcom-Bubble ins Bodenlose. Auch die Streamingdienste holen sich für ihre Produktionen das Geld letztlich von den Börsen. Wie hoch ist die Gefahr, dass der Markt wieder kippt?

Das kann man plakativ so nicht sagen. Die Situation war im Jahr 2000 schon eine andere, denn die Bewertung des Technologieindex Nasdaq beim Kurs-Gewinn-Verhältnis lag damals bei 45. Die Nasdaq hat derzeit 21 und liegt damit viel näher an den herkömmlichen Indizes. Die Bewertungen halten sich also deutlich im Rahmen, wobei einzelne – wie etwa Amazon und Netflix – durch eine höhere Bewertung herausstechen. Diese wiederum ist sehr stark in Richtung Wachstum ausgerichtet

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