Serien auf Topniveau: "Man muss mehr Geld in die Hand nehmen"

Serien auf Topniveau: "Man muss mehr Geld in die Hand nehmen"
SATEL-Chef Heinrich Ambrosch und MR-Film-Produzent Oliver Auspitz über internationale Serien aus Österreich.

Sie gehören zu den führenden TV-Produzenten Österreichs: SATEL-Geschäftsführer Heinrich Ambrosch und MR-Film-Produzent Oliver Auspitz. Beide positionieren sich nun auch auf dem internationalen Serien-Markt. Die SATEL arbeitet an einer Co-Produktion mit Netflix und ORF mit dem Titel „Freud“ (siehe auch Seite 22). Bereits im Oktober starten die Arbeiten an einem Projekt der MR-Film, das auch in Großbritannien zu sehen sein wird: „The Liebermann Papers“ nach Frank Tallis.

Freud“ ist ein Co-Produktion mit Netflix – das klingt unfassbar toll. Wie aber kommt man als österreichischer Produzent in deren Nähe?

Heinrich Ambrosch: Wie alles im neuen TV-Markt funktioniert das über den Inhalt, den wir hier den Autoren Marvin Kren, Stefan Brunner und Benjamin Hessler verdanken. Es war die Idee, eine weltbekannte Marke – Sigmund Freud – zu nehmen und um ihn herum eine Story zu entwickeln. Es geht hier aber um den jungen Freud – ein Gegenbild zum üblichen vom alten Mann mit Zigarre.

Ist eine Zusammenarbeit mit so einem Streaming-Riesen für den Produzenten wirtschaftlich gesund?

Ich bin überzeugt: ja! Aber sicher zu beantworten ist das natürlich erst nach der Produktion. Gelungen ist uns jedenfalls schon einmal, gemeinsam mit dem ORF einen besonderen Partner an Bord zu holen – denn in dem Moment, in dem diese Serie nach der ORF-Ausstrahlung bei Netflix startet, wird es die am weitesten verbreitete TV-Serie in der Geschichte des österreichischen Fernsehens sein. Sie wird in 130 Ländern gleichzeitig laufen, mit zig Synchronisationen und Untertitelungen - es wird auf Deutsch gedreht. Damit werden österreichische Schauspieler, Regisseure und Autoren in die Welt transportiert. Was das bedeuten kann, zeigt etwa Dänemark: Nach Serien wie „Borgen“ oder „Die Brücke“ arbeiten viele von dort international.

Beim Projekt „Liebermann Papers“ ist es anders?

Oliver Auspitz: Durch die Entwicklungen beim PayTV und den Streaming-Plattformen sind die Öffentlich-Rechtlichen in Europa noch stärker gezwungen, High-Quality-Inhalte zu produzieren. Dafür werden untereinander ebenfalls neue Allianzen geschmiedet. In unserem Fall ging das in einer Zusammenarbeit mit Endor Productions auf. Gemeinsam haben wir uns auf die Bestseller von Frank Tallis gestürzt. Deren Hauptakteur Max Liebermann ist ein Psychoanalytiker und Detektiv, die Geschichten spielen im Wien um 1900. Da gibt es ein paar Überschneidungen mit „Freud“, aber es sind völlig andere Geschichten. Gedreht wird „Liebermann Papers“ auf Englisch, weil ein Gutteil der Finanzierung, neben ORF und ZDF, aus England kommt. Ob wir am Ende auf BBC One, Two, Three oder ITV gespielt werden, das wird sich nach der Produktion herausstellen.

Ein Öffentlich-Rechtlicher hat ein anderes Geschäftsmodell als Netflix, Sky und Co. Hat das Auswirkungen auf die Produktionsweise?

Oliver Auspitz: „Liebermann Papers“ ist eine klassische Free-TV-Reihe, im Gegensatz zu „Freud“, das eine Mischform ist. Das zieht nach sich, dass es bei „Liebermann“ eine episodisch abgeschlossene Erzählweise gibt. Binge-Watching, also ein Ansehen von mehreren Folgen am Stück, ist nicht ganz vorne mitgedacht, weil zunächst auch nicht vorgesehen.

Heinrich Ambrosch: Es sind unterschiedliche Geschäftsmodelle und unterschiedliche Programme. Ich glaube aber auch, dass es Angleichungen der Systeme aneinander geben wird. Was mich so fasziniert, sind inhaltliche Entwicklungen. Es gab eine Zeit, die gar nicht lange aus ist, und in der wir dachten, dass wir nur mehr für „HartzIV-Empfänger“ Fernsehen machen würden. Jetzt aber ist alles ganz anders, wird über völlig anderes Programm und andere Inhalte nachgedacht. Das macht Fernsehen nun für Regisseure, Schauspieler, Autoren so interessant. Wer Charakterdarsteller sein oder werden will, der muss zum Fernsehen. Früher hat es das nur im Kino gegeben.

Bringt Streaming das Ende vom Kino?

Oliver Auspitz: Seit vielen Jahrzehnten hören wir: „Das ist das Ende von ...“. Fernsehen müsste so gesehen schon tot sein. Trotzdem haben wir jetzt so viel TV-Nutzung wie nie zuvor. Dass das eine das andere ablöst, glaube ich nicht. Aber Veränderung, ja, die gibt es.

Welche Anforderungen stellen diese neuen Player am Markt an Produzenten?

Heinrich Ambrosch: Das 08/15-Modell reicht nicht. Die Vorbereitungen dauern länger und sind intensiver, man muss die Schnittmengen zwischen sehr unterschiedlichen Partner, in unserem Fall Netflix und ORF, finden. Das ist die Leistung des Produzenten. Und ja, man muss mehr Geld in die Hand nehmen und es wird nicht einfacher, weil natürlich die Konkurrenz größer wird. Aber: Letztlich haben wir nun auch mehr Möglichkeiten.

Oliver Auspitz: Man muss Amazon, Netflix, Sky und wie sie alle heißen aus mehreren Gründen dankbar sein – mit ihnen haben wir jetzt potenziell mehr Auftraggeber, gleichzeitig bringt es die Möglichkeit zu internationalisieren und die zum Teil noch ein wenig schlafenden Free-TV-Anstalten werden neu motiviert.

Und wo liegen die Nachteile?

Oliver Auspitz: Alle Plattformen agieren aus Deutschland und werden wiederum aus England oder Amerika beauftragt und haben andere Abläufe. Arbeitet man mit ihnen, muss man in der Vorfinanzierung – auch wenn das vertraglich gesichert ist – extrem in Vorleistung gehen. Man kriegt den „großen Gupf“ erst zum Schluss. Das bringt mit sich, dass nur mehr Firmen, die internationalisiert sind, das stemmen und so etwas umzusetzen können.

Was heißt das alles für Europa und Österreich?

Heinrich Ambrosch: Es braucht auch in Europa und Österreich die Produktionswirtschaft eine gewisse Größe und die muss möglich gemacht werden. Alles andere ist, den Filmkunst-Markt ausgenommen, zu wenig.

Oliver Auspitz: Wir haben die Entwicklungen analysiert und entsprechende Schritte mit der Partnerschaft der MR Film mit der Beta Film gesetzt. Ich bin überzeugt, dass es in Österreich und Europa in den nächsten Jahren zu einer Bereinigung bei Filmproduktionsfirmen kommt. Da hilft auch kein „um Gottes Willen“. Wie Heinrich Ambrosch richtig sagt: Will man als Land die Zeiten nicht versäumen, muss man hier gewisse Verflechtungen zulassen. In unser beider Fall ist trotzdem so, dass wir keine aus Deutschland gesteuerten Firmen sind, sondern freie Hand haben. Und „Freud“ und „Liebermann“ sind originäre österreichische Entwicklungen mit hoher Wertigkeit.

Was bedeutet das alles für die Politik?

Oliver Auspitz: Die Regierung denkt über ein spezielles Steuermodell für Produktionen nach. Da wäre Belgien, von Sprachraum-Konkurrenz und Größe vergleichbar, beispielhaft. Manche in unseren Reihen wollen US-Produktionen durch ein neues Steuersystem anlocken – ich plädiere aber für eine Stärkung österreichischer und deutschsprachiger Produktionen. Wichtig wäre da, dass der Fernsehfonds Austria in den Richtlinien an die neuen Player Netflix, Amazon und Co. angepasst und aufgestockt wird.

Heinrich Ambrosch: Nicht zu vergessen ist ein starker Öffentlich-Rechtlicher. Weder „Freud“ noch „Liebermann“ wären ohne ORF machbar. Der steht stets an Beginn der Finanzierung. Und „Soko Donau“ beim ORF machte für uns im Hintergrund erst möglich, „Freud“ fünf Jahre zu entwickeln. Das ist entscheidend

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