"Zauberflöte": Eine große Nachtmusik
Das war die erste "Zauberflöte", die bei den Salzburger Festspielen auf historischen Instrumenten gespielt wurde. Man braucht in der Felsenreitschule aber doch eine Weile, um sich daran zu gewöhnen.
Zwar wird gleich die Ouvertüre von Nikolaus Harnoncourt am Pult seines Orchesters Concentus Musicus delikat interpretiert, dynamisch und temporeich gezeichnet – der Klang ist aber dünn und verliert sich im großen Theater. Dann, wenn sich die Ohren umgestellt haben, wenn sie sich öffnen für Harnoncourts neue Sichtweise, erlebt man wieder einmal, dass im Orchestergraben viel mehr erzählt wird als auf der Bühne. Aber kann ein Dirigent wirklich immer die ganze Last einer Aufführung tragen? Nein.
Radikal
Harnoncourt, dessen Orchester mit präzisen, feinfühligen, wendigen Streicherklängen und berührenden Holzbläsern punktet, setzt bei seiner "Zauberflöte" auf radikale Tempi, extreme Ritardandi, die fast zum Stillstand führen, dann wieder auf heftige Attacken. Intensität ist ihm, gerade beim Blech, wichtiger als Schönheit. Jede einzelne Arie ist so ganz spezifisch, detailreich musikalisch gestaltet – Harnoncourt muss ewig lang geprobt haben.
Viel schneller als üblich dirigiert er etwa die Pamina-Arie "Ach ich fühl’s", viel langsamer das "Schnell Füße"-Duett. Die Begründungen, die er im Programmheft gibt, sind schlüssig, dramaturgisch erklärt es sich nicht.
Es gibt mehr Dialoge als sonst. Vielleicht ist das eine Würdigung des vor 200 Jahren gestorbenen Librettisten Schikaneder. Striche wären gut gewesen. Monostatos heißt hier Manostatos, mit Mozart-Autografen begründet. Ihrem Rezensenten wäre der Name ja egal – wenn Rudolf Schasching nur besser sänge anstatt andauernd im Parlando-Ton zu flüstern und zu stöhnen.
Viel Neues, großteils Faszinierendes, manch Verblüffendes und auch Nicht-Nachvollziehbares also bei der musikalischen Interpretation – szenisch ist diese Aufführung jedoch nur langatmig und zum Einschlafen.
Jens-Daniel Herzog siedelt "Die Zauberflöte" in einer (von Hogwarts inspirierten?) Schule an. Leider fehlt dafür der Einfallsreichtum und auch die Ironie.
Humorfrei
Eine so humorlose und auch Erotik-freie "Zauberflöte" sieht man selten. Dass es zwischen Pamina und Tamino knistert, spürt man nicht einmal, wenn der Prinz in Unterhosen zur Prüfung antritt. Das Bühnenbild (Mathis Neidhardt) besteht aus verschiebbaren Boxen mit vielen Türen. Bestimmt wäre der eine oder andere gern schon während der Aufführung durch diese entschwunden. Die Priester sind diesmal Lehrer oder Wissenschaftler, Sarastro sieht aus wie ein Alien und hat den Sonnenkreis um den Hals hängen. Die drei Knaben werden als Greise gezeichnet, Papagena ist offenbar als Experiment im Physikunterricht entstanden.
Von Freimaurerei, Suche nach Weisheit ist nichts zu spüren. Ein interpretatorischer Ansatz könnte das biedermeierliche Finale sein, bei dem Pamina und Tamino mit Kinderwägen davonziehen – das bleibt Stückwerk.
"Die Zauberflöte" geht szenisch fast immer schief. Diese aber geht schiefer.
Uneinheitlich
Leider ist auch die Besetzung enttäuschend. Julia Kleiter als Pamina mit glockenreinem Sopran ist die Beste, Bernard Richter hat ein schönes Timbre, forciert als Tamino aber unnötig. Georg Zeppenfeld als Sarastro ist mit seiner beeindruckenden Tiefe ein Gewinn, Mandy Fredrich eine dramatische, in den Koloraturen sichere Königin der Nacht. Markus Werba spielt den Papageno, als handle es sich um irgendeine Repertoireaufführung. Die Knaben sind famos, der Rest ist Mittelmaß.
Was war das doch für eine grandiose Rückkehr von Harnoncourt nach Salzburg – vor zehn Jahren mit "Don Giovanni" zum Start der Intendanz Peter Ruzicka.
Fazit: Enttäuschung zum Festivalstart
Das Werk Mozarts "Zauberflöte", 1791 uraufgeführt.
Der Dirigent Harnoncourt sorgt am Pult des Concentus Musicus für radikale Tempi und große Intensität. Manches gerät aber fast zum Stillstand.
Die Sänger Pamina (Julia Kleiter) und Sarastro (Georg Zeppenfeld) sind top besetzt. Die anderen Partien leider nicht.
Die Regie Langatmig, öd.
KURIER-Wertung: *** von *****
Im TV In Arte am Montag (live zeitversetzt, 20.15), in ORF 2 am 6. 8. um 22.30, in ORF III am 19. 8. um 20.15.
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Hintergrund
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